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The Playlist über Spotify: Erzählerische Freiheit ist Trumpf

Die Serie The Playlist erzählt ab heute auf Netflix , wie Spotify entstand und das Musikgeschäft für immer veränderte. Sie baut aber nur bedingt auf den Fakten auf.
/ Peter Osteried
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Edvin Endre spielt in The Playlist den CEO von Spotify, Daniel Ek. (Bild: Jonas Alarik / Netflix)
Edvin Endre spielt in The Playlist den CEO von Spotify, Daniel Ek. Bild: Jonas Alarik / Netflix

Vorlage für die neue Netflix-Serie The Playlist ist das Buch Spotify Untold(öffnet im neuen Fenster) zweier schwedischer Wirtschaftsjournalisten, trotzdem ist The Playlist (Start: 13. Oktober 2022) keine Dokumentation. Wie das Buch zeichnet die Serie nach, wie ein kleines schwedisches Start-up zum globalen Geschäft werden konnte.

Allerdings haben sich die Macher reichlich Freiheiten erlaubt. Soll heißen: Sie haben die echten Charaktere genommen, ebenso ein paar Eckdaten, und daraus ein flottes, irrlichterndes Drama mit einer Prise Humor erschaffen. Das ist cool, aber man muss sich bewusst sein: The Playlist ist reichlich fiktiv.

Wie alles begann

In der ersten Folge steht Daniel Ek (gespielt von Edvin Endre) im Mittelpunkt, ein 22-jähriger Mann, der gerade seine erste Firma für zehn Millionen Kronen, also umgerechnet knapp eine Million Euro, verkauft hat. Dann hat er die nächste große Idee, inspiriert von der illegalen Tauschbörse The Pirate Bay(öffnet im neuen Fenster) . Er möchte einen Musikstreamer, bei dem man nichts herunterladen muss, es kein Buffering und keine Lags gibt. Wenn man einen Song startet, soll er auch direkt spielen.

Das Ganze wird Spotify getauft und soll das Musikgeschäft revolutionieren. Während die technischen Hürden mit den besten Codern Schwedens relativ schnell gelöst sind, erweist sich das Sichern der Musikrechte als langwierige und schwierige Aufgabe, bei der sich Ek mit seiner "Keine Kompromisse"-Attitüde immer wieder im Weg steht.

Sechs Folgen

The Playlist besteht aus sechs Folgen, erzählt wird aber nicht linear von A nach B zu C, um am Ende eine komplette Geschichte zu haben. Vielmehr steht in jeder Folge ein Protagonist im Mittelpunkt. Erst der Mann mit der Vision, dann der große Labelchef, der Investor, die Anwältin, der Coder und schließlich die Künstlerin. Am Ende einer jeden Folge tritt die Hauptfigur der nächsten vor die Kamera und erklärt: "Aber so ist es nicht gewesen." Dann wird aus ihrer Perspektive erzählt.

Manche Ereignisse werden wieder aufgegriffen, aber aus einem neuen Blickwinkel, und damit einhergehend auch etwas anders. Schließlich erinnert jeder Mensch Dinge, die auch andere erlebt haben, immer ein wenig anders als sie.

The Playlist - Trailer
The Playlist - Trailer (01:50)

Dieser clevere Aufbau erlaubt es den Machern auch, verschiedene Versionen zu präsentieren und darüber hinaus klarzumachen, dass The Playlist vieles ist, aber kein akkurates Nacherzählen der Ereignisse. Dabei gelingt es recht gut, die verschiedenen Problemebenen in den Fokus zu rücken, so dass sich ein ganzheitliches Bild ergibt, und das nicht nur aus Sicht des Mannes mit der Vision.

Die Zuschauer bekommen einen Eindruck von den Schwierigkeiten der technischen Umsetzung, aber von auch den endlosen Verhandlungen, die die Anwälte führen mussten. Am Ende kommt noch die Perspektive der Künstler hinzu, die zwar hundertausendfache Streams bei Spotify haben, aber dennoch nur mit Peanuts entlohnt werden.

Der Perspektivenwechsel

Es ist interessant, wie die Folgen auf die jeweiligen Protagonisten abgestimmt sind. Besonders fällt dies bei der fünften Folge auf, die sich um den Coder dreht, einen Mann, der zumindest Anflüge von Autismus besitzt. Visuell ist The Playlist insgesamt nicht wirklich aufregend, aber in dieser Folge werden zusätzlich die Farben entsättigt. Alles wirkt gedämpft, vielleicht so, wie der Coder seine Umwelt wirklich wahrnimmt.

Echte Farbe kommt in dieser Folge nur ins Spiel, als der Coder die Zuschauer direkt anspricht und erklärt, welche Möglichkeiten man 2006 hatte, etwas wie Spotify aufzubauen - mit einem Server, der extrem teuer gewesen wäre, oder einem Peer-to-Peer-System, das langsam ist. Bei solchen Szenen kann man Zuschauer leicht verlieren, aber die Sequenz ist toll geschrieben. Sie macht mit einfachen Worten die technologischen Hürden bei der Gestaltung von Spotify verständlich.

Die Zukunft

Dass The Playlist sich nicht als akkurate Erzählung der wahren Geschichte versteht, macht nichts deutlicher als die letzte Folge. Denn die spielt in den Jahren 2024 und 2025 und zeigt, wohin Spotify führte - zu einer Ausbeutung von Künstlern, weswegen Daniel Ek(öffnet im neuen Fenster) auch vor einem Ausschuss des US-Senats aussagen muss. So wie es andere Tech-Größen wie Mark Zuckerberg schon tun mussten.

Die Serie spricht damit auch das Problem an, dass es zwar mehr als eine Million Künstler bei Spotify gibt, aber nur knapp 14.000 von ihnen Einnahmen von rund 50.000 Dollar pro Jahr generieren. Der große Rest wird mit Kleinbeträgen abgespeist - oft mit zweistelligen Summen pro Monat(öffnet im neuen Fenster) .

Die letzte Einstellung der Serie macht noch einmal überdeutlich, wie viel künstlerische Freiheit hier am Werk war: Die Scheinwerfer gehen an, die Szene ist im Kasten, man sieht das Filmteam - alles, was man gerade gesehen hat, wurde offensichtlich als fiktive Version der wahren Geschichte gedreht. Die Szene ist ein Meta-Kommentar dazu, dass man mit The Playlist eigene Wege ging und der Dramatik immer dem Vorzug vor der Realität gab.

Die sechsteilige Miniserie The Playlist (Regie: Per-Olav Sørensen) ist gelungene Unterhaltung mit faszinierenden Figuren, deren oft auch gegensätzliche Motivation man immer bestens verstehen kann. Visuell nicht besonders aufregend, reichen das Schauspiel und der erzählerische Ansatz aber, um die Zuschauer bei der Stange zu halten. The Playlist ist perfekt zum Bingen, wenn man mit rund fünf Stunden einen langen Filmabend verbringen möchte.


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