Die Dosis macht das Gift
Die Antworten fielen dabei auffallend gemischt aus. Jorien "Sheever" van der Heijden sagte auf die Frage, welche Tipps sie zum gesunden Umgang mit Gaming habe: "Ich weiß nicht, ob ich auch nur annähernd in der Position bin, dazu eine qualifizierte Aussage zu treffen. Ich habe früher viel zu viel gespielt und tue es auch heute noch – aber für mich persönlich hat es sich ausgezahlt. Ich habe viele tolle Menschen kennengelernt und darf jetzt auf Events wie diesem sein."
Owen "ODPixel" Davies gab zu bedenken, dass Gaming als Begriff die Sicht auf das Thema bereits verenge: "Es gibt Menschen, die haben einen kompetitiven Geist und leben ihn in Spielen wie Dota aus. Dabei kochen die Emotionen auch gerne mal hoch. Ich denke, wir alle haben das schon einmal im Ingame-Chat erlebt: wie dieses Spiel die eher unschmeichelhaften Seiten eines Menschen zum Vorschein bringen kann." Dann wiederum gebe es diese vielen Cozy Games, die in den vergangenen Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. "Da kommen Menschen von der Arbeit und wollen einfach in Ruhe an ihrer Farm in Stardew-Valley basteln."
Bei einem kompetitiven Spiel wie Dota erhitzen sich hingegen schnell die Gemüter. Darin sind sich fast alle Menschen, mit denen ich gesprochen habe, einig. Robson "TeaGuvnor" Merritt erklärt sich das so: "Wenn man sich auf eine Runde Dota einlässt, natürlich mit dem Ziel zu gewinnen, ist man auf sein Team angewiesen. Und wenn es darum geht, zu verarbeiten, warum die gerade investierte Lebenszeit nicht zum gewünschten Resultat führt, ist es einfacher, die Schuld bei einer der anderen Personen im Team zu suchen."
So weit, so einleuchtend. Aber was genau treibt Spieler dann nach wie vor dazu, sich in dieses Spiel zu stürzen? Auch hier hat ODPixel eine Theorie: "Menschen suchen Herausforderungen. Sei es bei Dota, Dark Souls oder Elden Ring. Sie wollen sich testen. Ein Spiel wie Dota bietet diese Herausforderung in jeder Partie aufs Neue."
Mehr als nur die richtigen Knöpfe drücken
Auf das Thema Mental Health angesprochen, fällt in so ziemlich jedem Gespräch der Name "OG". Das Team gewann 2018 und 2019 das International und sprach damals offen über seinen Umgang mit dem psychologischen Aspekt des Spiels – und dass es eine Psychiaterin angestellt hatte. All meine Gesprächspartner sagten, dass sie seitdem einen merkbaren Wandel in der Szene wahrgenommen hätten, dass jetzt anerkannt werde, dass es bei dem Spiel nicht nur darum geht, schnell die richtigen Knöpfe zu drücken.
Ein weiteres Thema fand ebenfalls in fast allen Gesprächen Erwähnung: Gaming und Sport. Gabriel "Lyrical" Cruz eröffnete hier eine spannende Perspektive: "Viele Gamer machen heutzutage zum Ausgleich Sport, genau so wie sportliche Menschen, sei es während Ruhephasen oder zum mentalen Ausgleich, ab und an mal eine Runde zocken. Beides kann bereichernd sein, genauso, wie es schädlich sein kann. Man kann sich im Gaming verlieren, süchtig werden und sein Leben vernachlässigen, genauso wie man sich in Fitness hineinsteigern und seine Gelenke ruinieren kann."
Die Dosis macht also das Gift? "Ganz genau! Der richtige Umgang ist entscheidend. Aber in beiden Fällen ist es wichtig, offen für neue Erfahrungen zu sein."



