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Testfahrt im Supersportwagen AMG GT XX: Ein Boxenstopp mit 950 Kilowatt

Mercedes-Benz hat mit dem Concept AMG GT XX Dutzende Rekorde für E-Autos gebrochen. Das Spektakulärste an der Probefahrt war jedoch der Boxenstopp.
/ Friedhelm Greis
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Mit bis zu 950 kW wird der Concept AMG GT XX aufgeladen. (Bild: Mercedes-Benz)
Mit bis zu 950 kW wird der Concept AMG GT XX aufgeladen. Bild: Mercedes-Benz
Inhalt
  1. Testfahrt im Supersportwagen AMG GT XX: Ein Boxenstopp mit 950 Kilowatt
  2. Kompakte Axialflussmotoren für hohe Dauerleistungen
  3. Mercedes-Vorstand: Aus 80 müssen 8 Tage werden
  4. Alpitronic entwickelt Megawattlader mit CCS-Anschluss

Am Eingang des Porsche-Entwicklungszentrums im süditalienischen Nardò steht eine meterhohe Tafel, auf der die dort erzielten automobilen Rekorde seit den 1970er Jahren aufgelistet sind. Für die 25 Langstreckenrekorde, die der vollelektrische Concept AMG GT XX in den vergangenen Tagen aufstellte , müsste wohl eine komplett neue Tafel errichtet werden. Von der Akku- und Antriebstechnik hinter der hohen Dauerleistung sollen von 2026 an die Kunden der Mercedes-Benz-Tochter AMG aus Affalterbach profitieren(öffnet im neuen Fenster) .

Die Zahlen sind in der Tat beeindruckend: Der optisch an den orangefarbenen C111 angelehnte Prototyp liefert eine Motorleistung von 1.000 Kilowatt (kW), was 1.360 PS entspricht. Der Akku lädt ebenfalls mit einer Leistung von fast 1.000 kW. Das ist das Drei- bis Vierfache aktueller Serienautos auf Basis von 800-Volt-Systemen.

Rekuperationsleistung von 500 kW

Die beiden Runden in dem Supersportwagen auf dem 12,5 km langen Rundkurs in Nardò verlaufen dabei eher unspektakulär. Schließlich geht es mit Tempo 250 nur geradeaus. Die abgerufene Leistung schwankt während der Fahrt um die 10 Prozent der Maximalleistung, was 100 kW entspricht. Rein rechnerisch verbraucht das Auto auf der 6,5-minütigen Fahrt etwa 11 Kilowattstunden (kWh) für die 25 km. Auf der Rekordfahrt war der GT XX sogar mit 300 km/h unterwegs. Bei dieser Geschwindigkeit werden 83 Prozent der Energie für die Überwindung des Luftwiderstands benötigt.

Rund einen Kilometer vor dem Ende der zweiten Runde erhält der Fahrer ein Signal, dass er den Fuß vom Fahrpedal nehmen soll. Dank des geringen cw-Wertes von 0,19 segelt der AMG zunächst weiter, ohne viel an Tempo zu verlieren. Dann wird die Testfahrt spannend: An der Ausfahrt des Rundkurses tritt der Fahrer auf die Bremse. Die Rekuperationsleistung schnellt auf mehr als 500 kW in die Höhe und bringt das Auto mit einer Verzögerung von 0,6 g an einer Ladesäule von Alpitronic zum Stillstand.

Auf 950 kW in 100 Millisekunden

Dort soll der Ladevorgang – wie auf der Rekordfahrt – möglichst schnell beginnen. Schon 100 Millisekunden nach der Initialisierung des Ladevorgangs wird eine Ladeleistung von rund 950 kW bei einem Ladestand (SoC) von 23 Prozent erreicht. Knapp eine Minute dauerte es, um auf 35 Prozent zu kommen. AMG nennt die Größe der Akkukapazität nicht, doch sie dürfte bei etwas mehr als 100 kWh liegen.

Das Geheimnis hinter der hohen Ladeleistung ist ein neues Kühlsystem, von AMG als Direktkühlung bezeichnet. Das bedeutet, dass in dem Akkupaket nicht nur die größeren Module, sondern sämtliche Zellen von einer Flüssigkeit gekühlt werden. Dazu entwickelte AMG eine spezielle Zellchemie auf Basis von NCMA (Nickel/Kobalt/Mangan/Aluminium).

Darüber hinaus sind die Rundzellen recht schmal und hoch, wobei bislang weder genaue Maße noch der Hersteller genannt werden. Mit dem speziellen Format soll erreicht werden, dass die Wärme gleichmäßig abgegeben werden kann und sich keine Wärmeinseln in der Mitte der Zelle bilden. Bei den Zellen handelt es sich um sogenannte Full-Tab-(öffnet im neuen Fenster) oder Tabless-Zellen, wie Tesla sie im Falle der 4680er-Zellen bezeichnet.

Kühlaggregat ermöglicht hohe Leistungen

In einer VR-Präsentation zeigt AMG das Akkupaket, das aus 22 Modulen besteht. Darin sind mehr als 3.000 Zellen enthalten. Was an der Konstruktion auffällt: Anders als bei anderen Elektroautos gibt es einen großen Mitteltunnel, der die Kühl- und Stromleitungen aufnimmt. Das Herz der Ölkühlung sitzt dabei vorne neben dem Axialflussmotor. Das Aggregat, Central Coolant Hub (CCH) oder Zentraler Kühlmittelverteiler genannt, soll die optimale Ladetemperatur der Zellen ermöglichen und Motor nebst Inverter kühlen.

Das Modul enthält drei Hochleistungspumpen, Temperatursensoren und neu entwickelte Fünfwege – beziehungsweise Vierwegeventile. Das System dient zudem als Wärmepumpe und sorgt für die Klimatisierung des Innenraums. Batterie, Motoren und Inverter verfügen dabei über eigene Wärmetauscher. Der Akku wird zudem über eine Unterbodenplatte passiv gekühlt. Der CCH ist zudem mit dem Hauptkühler und zwei Radlaufkühlern vorne links und rechts verbunden.

Wozu der ganze Aufwand? Schließlich wird die maximale Leistung von Elektroautos nur selten voll abgerufen.


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