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Tesla Model Y im Test: Die furzende Familienkutsche

Teslas Model Y ist der Wunschtraum vieler Model-3-Besitzer. Reichweite und Raumangebot überzeugen im Test - doch der Autopilot ist nicht konkurrenzfähig.
/ Friedhelm Greis
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Das Model Y soll demnächst aus der Tesla-Fabrik in Grünheide rollen. (Bild: Friedhelm Greis/Golem.de)
Das Model Y soll demnächst aus der Tesla-Fabrik in Grünheide rollen. Bild: Friedhelm Greis/Golem.de

Wenn es nach den Vorstellungen von Elon Musk gegangen wäre, könnte man schon jetzt ein Tesla Model Y aus deutscher Produktion hierzulande kaufen. Doch die größere Version des Model 3 kommt vorerst aus China - für die Gigafactory Berlin im brandenburgischen Grünheide gibt es noch keine finale Genehmigung. Nach dem ersten Praxistest ist klar: Das Model Y ist eine harte Konkurrenz für vergleichbare Crossover-SUV wie den VW ID.4 oder den Audi Q4 E-Tron . Aber auch für Teslas Model 3.

Aus technischer Sicht sind die 2016 vorgestellte Schräghecklimousine und das 2019 präsentierte Crossover-SUV fast identisch. Doch gleich der erste Model-3-Besitzer, den wir an einem Supercharger in Brandenburg fragen, räumt freimütig ein: Ihm wäre das Model Y lieber gewesen, doch das sei damals noch nicht verfügbar gewesen.

Deutlich mehr Platz

Der wichtigste Grund für die Präferenz des Model Y liegt im größeren Platzangebot, in dem sich die beiden Modelle vor allem unterscheiden. Das Crossover-SUV ist mit 4,75 m sechs Zentimeter länger als das Model 3, mit 1,92 m sieben Zentimeter breiter und mit 1,62 m deutliche 18 Zentimeter höher. Auch bei Radstand und Bodenfreiheit übertrifft es den Vorgänger um 1,5 bis 2,5 Zentimeter. An dem Supercharger sticht das Model Y unter den anderen Model 3 daher merklich heraus.

Die größere Heckklappe erleichtert die Nutzung des Kofferraumvolumens erheblich. Be- und Entladen des Model Y sind bequem möglich. Die Ladekante ist niedriger und das Gepäck besser erreichbar. Die lichte Höhe von 70 cm zwischen Kofferraumboden und Glasdach erleichtert den Transport von sperrigen Gütern. Per Knopfdruck lässt sich dazu die geteilte Rückbank umklappen. Dann ergibt sich eine durchgängige Ebene von 2 m Länge.

Akku mit 77 kWh

Der zusätzliche Stauraum unter dem Kofferraumboden, an den Seiten sowie unter der Fronthaube ist ebenfalls sehr praktisch bei Reisen mit viel Gepäck. Das Model Y taugt daher durchaus aus Reisegefährt. Tesla gibt im Handbuch (PDF)(öffnet im neuen Fenster) den gesamten Stauraum bei umgeklappten Sitzen mit 2.041 Litern an, sonst sind es immerhin noch 854 Liter. Der sogenannte Frunk unter der Fronthaube fasst 117 Liter an Gepäck.

Tesla Model Y Probe gefahren
Tesla Model Y Probe gefahren (03:31)

Ebenso wie das Model X soll auch das Model Y als Siebensitzer erhältlich sein(öffnet im neuen Fenster) . Allerdings ist das Platzangebot in der dritten Reihe wohl nur für Kinder ausreichend. Zudem reduziert sich die Beinfreiheit in der zweiten Reihe stark.

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Laut Fahrzeugschein verfügt das Model Y über eine Akkukapazität von 77 Kilowattstunden (kWh). Das sind zwei kWh mehr, als beim Model 3 angegeben werden, wobei das Model 3 noch im Laufe dieses Jahres einen größeren Akku mit 82 kWh erhalten soll. Obwohl das Fahrzeug aus chinesischer Produktion stammt, wird es laut Handbuch mit einer Lithium-Ionen-Batterie und nicht mit einer Lithium-Eisen-Phosphat-Batterie ausgeliefert. Auf Nachfrage konnte Tesla keine Angaben machen, welche Akkus tatsächlich verbaut sind.

Gute Reichweite auf der Langstrecke

Nach Angaben von Tesla liegt die Reichweite für die Long-Range-Version mit Allradantrieb (Dual Motor) nach dem Prüfzyklus WLTP bei 507 km. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 217 km/h. Der zwei Tonnen schwere Wagen beschleunigt in 5 Sekunden von 0 auf 100 km/h.

Angesichts der angegebenen Reichweite sollte eine Wochenendfahrt von Berlin ins 340 km entfernte Oberwiesenthal im Erzgebirge ohne Ladepause möglich sein. Allerdings hatte in unserem Test der fabrikneue Wagen noch zu wenig Verbrauchsdaten gesammelt, um eine realistische Reichweite berechnen zu können, und schlug daher einen Ladestopp vor. Auf dem Rückweg gelang die Fahrt jedoch ohne Ladepause.

Gleichstromladen mit rund 200 kW

Bei den 900 gefahrenen Testkilometern - davon das meiste auf der Autobahn mit bis zu 120 km/h - lag der Verbrauch bei 17,8 kWh pro 100 km. Das ergibt eine durchschnittliche Reichweite von 432 km. Das ist ein sehr guter Wert in dieser Preisklasse mit einem Einstiegspreis von knapp 58.000 Euro vor Abzug der staatlichen Kaufprämie.

Die maximale Ladeleistung an seinen neuen Superchargern gibt Tesla mit 250 kW an. Diese konnte von uns nicht erreicht werden. Bei einem nicht vortemperierten Akku lud das Model Y bei einem Akkustand von 8 Prozent mit knapp 190 kW. Spitzenwerte von mehr als 200 kW wurden nur sehr kurzzeitig erreicht.

Bei einem 16-minütigen Ladestopp am leeren Supercharger in Berlin-Schöneberg wurden immerhin 35 kWh nachgeladen, was einer Reichweite von fast 200 km entspricht. Jedoch sank die Ladeleistung schnell und erreichte bei halb vollem Akku nur noch rund 80 kW. Bei Wechselstrom liegt die maximale Ladeleistung bei 11 kW.

Schlechte Sicht nach hinten

Das Fahrgefühl auf der Strecke war angenehm, solange das Model Y nicht über Unebenheiten oder Bodenwellen fahren musste. Diese werden vom hart abgestimmten Fahrwerk kaum abgefedert. Auch bei schnelleren Geschwindigkeiten ist es sehr leise im Innenraum. Fahrtgeräusche und Motoren sind kaum zu vernehmen.

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Die Rundumsicht ist an den Seiten akzeptabel, wobei die schmale und sehr hoch angesetzte Rückscheibe den Blick auf den rückwärtigen Verkehr stark einschränkt. Das Einparken ist ohne Einsatz von Rückfahrkamera und Ultraschallsensoren eher schwierig. Das System greift in engen Parklücken dabei selbst in die Lenkung ein. Das ist eher unangenehm. Zudem schaltet sich die Servolenkung offenbar ab, wenn man den Gurt löst, um besser einparken zu können.

Nicht konkurrenzfähig sind hingegen die weiteren Assistenzsysteme des Model Y.

Autopilot des Model Y nicht zu empfehlen

Einigermaßen zuverlässig funktioniert der Abstandsregeltempomat auf der Autobahn. Allerdings verfügt das System immer noch nicht über eine Verkehrszeichenerkennung, die ihren Namen verdient. Tempolimits basieren offenbar weiterhin nur auf dem Kartenmaterial, das den Angaben zufolge aus dem Jahr 2019 stammt.

Kaum zu empfehlen ist der Lenkassistent. Vor allem die Freihanderkennung auf Basis einer Lenkradbewegung stört beim Fahren erheblich. Da sind deutsche Hersteller wie Mercedes-Benz, BMW oder Audi mit ihrer kapazitiven Erkennung durch Berühren deutlich weiter. Selbst die Umsetzung beim Opel Mokka-e, die uns im Praxistest schon sehr gestört hat , ist noch besser als beim Model Y.

Bei früheren Testfahrten mit dem Model S in Deutschland oder dem Model 3 in den USA hat uns der Autopilot nicht so enttäuscht. Inwieweit der neue Selbstfahrmodus FSD (Full Self-Driving) in Deutschland besser als die bisherigen Systeme funktionieren wird, bleibt abzuwarten.

Merkwürdige Warnhinweise auf der Autobahn

So ist es auf der Autobahn mehrfach vorgekommen, dass schon wenige Sekunden nach der ersten Aufforderung, die Hände wieder ans Lenkrad zu legen, sich das System mit einer roten Warnung komplett abschaltete. Ein solch unerwartetes Verhalten ist stark irritierend, zumal sich dann auch noch der Warnblinker einschaltet. Ebenfalls lässt sich der Lenkassistent dann bis zum nächsten Fahrzeughalt nicht mehr aktivieren.

In mehreren Baustellen überraschte uns das Model Y mit einem unerwarteten Lenkeingriff, den wir beherzt korrigieren mussten. Ähnliche Erfahrungen mit falsch erkannten Markierungen in Baustellen haben uns Nutzer des Model 3 geschildert. Ebenfalls wurde von starken Phantombremsungen ohne erkennbaren Grund auf der Autobahn berichtet. Der "volle Autopilot" erkenne viele Situation nicht und sei an der Grenze zu "lebensgefährlich" .

Automatisches Wechseln der Autobahn

Das von uns getestete Model Y verfügte über die Funktion "Mit Autopilot navigieren" in der Betaversion. Damit soll es unter anderem möglich sein, automatisch durch Autobahnauf- und -abfahrten zu navigieren. Das hat bei unserem Test sogar funktioniert. Das Model Y hat an einem Autobahndreieck selbstständig den Blinker gesetzt und die Fahrspur gewechselt, ohne dass dies vom Fahrer noch einmal bestätigt werden musste.

Letzteres ist noch erforderlich, wenn das Fahrzeug in diesem Modus auf der Autobahn überholen will. Dann muss der Fahrer durch Betätigen des Blinkerhebels den Vorgang bestätigen und das Lenkrad kurz bewegen, um den Spurwechsel einzuleiten. Besonders komfortabel ist diese Funktion aber nicht. Denn häufig kam es vor, dass sich in der Zwischenzeit wieder ein anderes Fahrzeug genähert hatte, so dass der Überholvorgang nicht mehr möglich war.

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Ampelassistent nicht sehr hilfreich

Als nicht besonders hilfreich erwies sich der neue Ampel- und Stoppschildassistent. Dieser erkennt zwar rote und grüne Ampeln, verlangt jedoch vor jeder Annäherung an eine solche Kreuzung eine zusätzliche Bestätigung des Fahrers. Zudem hält er aus Sicherheitsgründen auch dann an, wenn die Ampel grün ist. Praktisch ist hingegen der Hinweis per Piepton, wenn eine Ampel auf Grün springt.

Ernst nehmen muss man folgende Warnung aus dem Handbuch: "In einigen Situationen könnte der Ampel- und Stoppschildassistent fälschlicherweise eine Ampel oder ein Stoppschild erkennen, woraufhin Model Y unerwartet verlangsamt wird." So erhielten wir einmal mitten auf der Autobahn den Hinweis auf eine herannahende Kreuzung, wodurch das Model Y langsamer wurde. Daher empfiehlt es sich nicht, den "Autopilot" auf der Autobahn zu aktivieren.

Völlig ausreichend erscheint die Motorleistung der Long-Range-Version.

Performance-Variante mit 534 PS

Die Allradversion wird von einer permanent erregten Synchronmaschine im Heck und einem Asynchronmotor in der Front angetrieben. Beide Motoren erreichen zusammen 378 kW. Das ist erheblich mehr als beim ID.4, der nur über einen 150-kW-Motor verfügt. Selbst der stärker motorisierte Audi Q4 E-Tron liegt mit 220 kW deutlich darunter.

Die Performance-Variante, die erst im kommenden Jahr ausgeliefert werden soll, verfügt über 393 kW (534 PS) und beschleunigt das Model Y in 3,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Zudem liegt die Höchstgeschwindigkeit mit 241 km/h noch einmal höher als in der Standardversion. Diese Version ist allerdings mit gut 64.000 Euro um 7.000 Euro teurer als die Long-Range-Version.

Bedienung identisch wie beim Model 3

Die Bedienung und Software-Ausstattung unterscheiden sich nicht von denen des Model 3. Die Streckenplanung fügt automatisch erforderliche Ladestopps ein, die sich auch individuell wieder löschen lassen. Allerdings kennt die Software bislang nur die Tesla-Supercharger und keine anderen Anbieter. Daher ist man bei der Ladeplanung auf andere Apps und Roamingdienste angewiesen.

Der Verzicht auf Head-up-Display oder Instrumentendisplay hinter dem Lenkrad ist weiterhin eine Geschmacksfrage, aber auch eine Frage des Preises und des Energieverbrauchs. Zumindest findet man sich auf dem Zentraldisplay nach einer gewissen Eingewöhnung gut zurecht und kann die wichtigsten Funktionen schnell aufrufen.

Der "Abgasskandal" in der Spielekiste

Immerhin hat es das Model Y geschafft, auf dem Wochenendausflug bei den Mitfahrern etwas mehr Begeisterung für die E-Mobilität zu wecken. Das lag nicht nur an der überzeugenden Reichweite ohne langwierige Ladestopps und der achterbahnmäßigen Beschleunigung, sondern auch albernen Funktionen wie dem "Abgasskandal" in der "Spielekiste" . Damit lassen sich aus verschiedenen Lautsprechern per Knopfdruck Furztöne hervorlocken. Uns hat dabei die "Falcon Heavy" am besten gefallen.

Die in China hergestellten Teslas scheinen durchweg besser verarbeitet zu sein als die in den USA hergestellten Model 3. Das haben auch andere Tester bereits festgestellt(öffnet im neuen Fenster) . Zumindest ließen sich Türen problemlos schließen, besondere Verarbeitungsmängel sind uns nicht aufgefallen. Daran wird sich auch die Produktion in Grünheide messen lassen müssen, so sie denn in den kommenden Monaten irgendwann starten wird.

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Model Y wird kein Ladenhüter

Von den Fahrassistenzsystemen abgesehen hinterlässt das Model Y einen guten Eindruck. Reichweite, Ladegeschwindigkeit, Motorleistung und Platzangebot machen die größere Version des Model 3 zu einem langstreckentauglichen Familienauto. Mit der zusätzlich bestellbaren Anhängerkupplung lassen sich auch Wohnwagen ziehen oder Fahrräder transportieren. Mit einem Stempel "Made in Germany" könnte es für Tesla-Chef Musk durchaus der erhoffte Verkaufsschlager in Europa werden.

Die Konkurrenz in diesem Preis- und Fahrzeugsegment ist jedoch hart. Neben den Modellen aus dem VW-Konzern auf Basis der MEB-Plattform und dem EQA von Mercedes-Benz drängen auch die koreanischen Anbieter Hyundai und Kia mit dem Ioniq 5 und den EV6 auf den Markt. Dennoch müssen die neuen Tesla-Mitarbeiter in Grünheide sicher nicht befürchten, einen Ladenhüter zu produzieren. Aber die geplanten 500.000 Exemplare pro Jahr wollen trotzdem erst einmal verkauft werden.


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