Terrorismus: Das böse, böse Internet
Die britische Premierministerin May will nach mehreren Terrorattacken die Menschenrechte einschränken und das Internet stärker regulieren. "Genug ist genug", könnte die Antwort ihrer Kritiker lauten.

In den Zeiten vor Erfindung des Internets müssen paradiesische Zustände in Europa geherrscht haben. Mangels Plattformen wie Facebook oder Twitter konnten sich Menschen nicht radikalisieren. Zudem konnten sie keine erfolgreichen Terroranschläge planen, weil sie nicht mit verschlüsselten Messenger-Diensten kommunizieren konnten. Wem haben Politiker eigentlich damals die Schuld gegeben, dass Organisationen wie die RAF, der NSU, die IRA oder die ETA dennoch in Europa Bomben legten? Auch ohne Internet und Whatsapp ist die Liste politisch und religiös motivierter Anschläge im 20. Jahrhundert auf Wikipedia ziemlich lang.
- Terrorismus: Das böse, böse Internet
- Internet kann zur Radikalisierung beitragen
Heutzutage scheinen die Reflexe nach einem Anschlag stets die gleichen zu sein: Politiker fordern mehr Überwachung und Datenspeicherung, mehr Internetkontrolle, mehr Polizeibefugnisse. Während deutsche Politiker dabei zumindest vorgeben müssen, dass alle neuen Gesetze mit dem Grundgesetz vereinbar sind, hat die britische Premierministerin Theresa May mangels britischer Verfassung dieses Problem nicht. Im Gegenteil. Sie will nun sogar Menschenrechte "aus dem Weg räumen", um den Terrorismus besser bekämpfen zu können.
Billiger Rat von Heiko Maas
Vor dem Hintergrund der neuen Vorratsdatenspeicherung und des geplanten Facebook-Gesetzes mutet es dennoch ein bisschen wohlfeil an, wenn ausgerechnet Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) der britischen Regierungschefin gute Ratschläge auf Twitter erteilt: "Wer Menschenrechte einschränkt, beschert den Terroristen schon den ersten Sieg. Die Qualität eines Rechtsstaats zeigt sich in der Bedrohung." Denn auch die große Koalition hat in den vergangenen Monaten an etlichen Überwachungsgesetzen herumgebastelt. Über den deutlich erweiterten Einsatz von Staatstrojanern oder das Netzwerkdurchsetzungsgesetz soll in den kommenden Wochen im Bundestag abgestimmt werden.
Das Problematische an den ganzen Gesetzesverschärfungen: Vor allem der Fall des Attentäters vom Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri, hat deutlich gemacht, woran es bei der Überwachung und Abschiebung von islamistischen Gefährdern hapert. Und das hatte wenig mit Facebook oder Twitter zu tun. Die islamistischen Täter waren den Ermittlungsbehörden immer bekannt, wie etwa der Spiegel-Kolumnist Sascha Lobo in einer Statistik jüngst gezeigt hat. Auch beim Attentat vom vergangenen Samstag in London traf dies bei zwei der drei Männer zu. Es gab viele Warnungen wegen deren Radikalisierung.
Anschläge brauchen keine Planung
Ebenfalls problematisch: Anschläge wie in Berlin oder in London brauchen im Grunde keinerlei logistische Vorbereitung, bei der sich die Täter verdächtig machen könnten. Sie müssen sich keinen Sprengstoff oder keine Schusswaffen besorgen. Selbst eine Handy-Überwachung mit Staatstrojaner und allem Drum und Dran würde vermutlich keine Anschlagsplanungen aufdecken können, weil sie eben gar nicht stattfinden.
Doch was machte Theresa May? Es wäre wenige Tage vor der Wahl wirklich zu viel von ihr verlangt gewesen, sich am Sonntag vor die Downing Street Nr. 10 zu stellen und zu sagen: "Tut mit leid, dass ich als Innenministerin versagt und mehr als 20.000 Polizeistellen abgebaut habe." Stattdessen schlug sie unter anderem eine internationale Kooperation vor, um die Verbreitung von islamistischem Extremismus im Netz zu bekämpfen. "Wir dürfen dieser Ideologie nicht den sicheren Raum geben, den sie für ihr Gedeihen benötigt. Doch das ist genau das, was das Internet - und die großen Firmen, die internetbasierte Dienste bereitstellen - bietet", sagte May. Doch gibt es diesen Raum nur im Internet? Und lässt er sich so einfach abschließen?
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Internet kann zur Radikalisierung beitragen |
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Nicht das Internet. Nur ist es für Politiker einfacher die Schuld nicht bei sich zu...
Bevor das hier weiter abrutscht: closed. Sebastian Fels (golem.de)
Die Regeln betreffen sie nicht. So läuft es doch bei fast allen Entscheidungen. Wer hat...
Danke. Da ich zugebener Weise mich damit noch nicht all zu sehr beschäftigt habe, bin ich...