Terrorbekämpfung: Denn sie wissen nicht, wen sie scannen

Innenminister de Maizière will Gesichter an Bahnhöfen automatisch scannen lassen. Das passt zu den Plänen des BKA. Dabei ist völlig unklar, was so ein System brächte.

Artikel veröffentlicht am , Eike Kühl/Zeit Online
Angela Merkel dürfte auch ohne Gesichtserkennungssoftware meist erkannt werden.
Angela Merkel dürfte auch ohne Gesichtserkennungssoftware meist erkannt werden. (Bild: John MacDougall/AFP/Getty Images)

Gesichter sind Superfood für Algorithmen. In Zeiten, in denen immer mehr Bilder im Internet geteilt und der öffentliche Raum immer stärker überwacht werden, ist Gesichtserkennung deshalb schwer angesagt - nicht nur bei Unternehmen wie Google und Facebook, sondern auch bei Strafverfolgern und Geheimdiensten. Geht es nach Innenminister Thomas de Maizière (CDU), soll die Technik künftig auch in deutschen Bahn- und Flughäfen eingesetzt werden. Das sagte er der Bild am Sonntag.

Inhalt:
  1. Terrorbekämpfung: Denn sie wissen nicht, wen sie scannen
  2. Wann sollen Gesichter gescannt werden?

"Es gibt für Privatpersonen die Möglichkeit, jemanden zu fotografieren und mit einer Gesichtserkennungssoftware im Internet herauszufinden, ob es sich um einen Prominenten oder einen Politiker handelt, den man gerade gesehen hat. Ich möchte eine solche Gesichtserkennungssoftware an den Videokameras an Flughäfen und Bahnhöfen einsetzen", sagte de Maizière. Ähnlich steht es in dem 16-seitigen Maßnahmenkatalog zur Terrorismusbekämpfung, den das Bundesinnenministerium (BMI) unlängst vorstellte.

Der Innenminister bezieht sich möglicherweise auf einen aktuellen Fall aus Russland. Ein Fotograf hatte die öffentlich verfügbare Erkennungssoftware Findface auf qualitativ durchschnittliche Fotos von Menschen in der U-Bahn angewandt und diese anschließend mit den Profilen des sozialen Netzwerks VKontakte abgeglichen. Zu 70 Prozent soll es der Algorithmus geschafft haben, die Personen auf den Bildern korrekt zu identifizieren. Andere Selbstversuche konnten die hohe Trefferquote allerdings nicht reproduzieren.

Thomas de Maizière scheint trotzdem von der Technik überzeugt zu sein. Ihr Einsatz in deutschen Bahnhöfen aber ist problematisch, was unter anderem an der derzeit vorhandenen Technik liegt.

Pilotprojekte gab es bereits im Jahr 2006

Bereits vor zehn Jahren führte das BKA das Forschungsprojekt Fotofahndung durch. Am Hauptbahnhof Mainz testeten 200 freiwillige Pendler drei Monate lang die biometrische Erkennung. Wann immer sie den Erfassungsbereich im Bahnhof betraten, sollte das System sie erkennen. Theoretisch. Der Abschlussbericht kam zu dem Ergebnis, dass es aus technischer Sicht denkbar sei, "biometrische Gesichtserkennungssysteme in Fahndungsszenarien einzusetzen". Praktisch aber sorgten Licht- und Umweltverhältnisse für eine zu geringe Erfolgsquote. Die Technik sei deshalb "im öffentlichen Raum nicht einsatzfähig", urteilte der damalige BKA-Präsident Jörg Ziercke. Auch Feldversuche in Großbritannien lieferten in den vergangenen Jahren teils ernüchternde Ergebnisse.

Und heute? Sicherlich liegen zwischen der Kameratechnik und Software von vor zehn Jahren und von heute Welten. Trotzdem scheint der flächendeckende Einsatz "intelligenter Kameratechnik", wie sie das Innenministerium nennt, noch weit entfernt. Zwar erneuert die Deutsche Bahn in Zusammenarbeit mit der Bundespolizei seit einigen Jahren die Kamerasysteme in großen Bahnhöfen. Bislang gibt es aber lediglich Pilotprojekte, was die automatische Mustererkennung angeht. Am Kottbusser Tor in Berlin etwa wurde zwischenzeitlich eine Software getestet, die auffälliges Verhalten, zum Beispiel das Abstellen von Gegenständen oder Herumlungern, automatisch analysieren sollte.

Dem Anspruch, dass "Lichtbild und Gesichtserkennungssysteme perspektivisch mit einer vergleichbaren Zuverlässigkeit wie der Fingerabdruck zur Identifizierung einer Person beitragen", wie es im Maßnahmenkatalog des BMI heißt, wird die Realität nicht gerecht. Eine Aufrüstung der Kameras, der Software und nicht zuletzt die Schulung des Personals dürfte den Staat Millionen kosten. Eine erste Projektgruppe gibt es bereits, wie aus einer Stellungnahme des BMI hervorgeht: "Wir stehen am Anfang des Diskussionsprozesses. Im Rahmen einer Projektgruppe zwischen BMI, DB AG, Bundespolizei und BKA haben erste Gespräche stattgefunden. Zum konkreten Einsatz von Technik und Software können derzeit noch keine Angaben gemacht werden."

Die Suche nach der "Superdatenbank"

Ähnlich unsicher wie die Umsetzung ist der gewünschte Erfolg. Zunächst einmal ist unklar, mit welchen Datenbanken die Aufnahmen abgeglichen werden sollten. Diese Frage wollte oder konnte das BMI auf Nachfrage von Zeit Online nicht beantworten. Wahrscheinlich ist, dass es zumindest die Datenbanken sind, die BKA, Bundespolizei (polizeiliches Informationssystem, Inpol) und das Europäische Polizeiamt Europol bereits jetzt zu Fahndungszwecken nutzen.

Allerdings ließen das BKA und das Innenministerium verlauten, dass sie die Datenbanken gerne erweitern möchten. Die Datenbank Eurodac etwa soll künftig auch Gesichtsfotos von Flüchtlingen speichern und den Zugriff darauf europaweit erleichtern. Das BKA begrüßt diese Entscheidung, geht aus einer Anfrage der Fraktion Die Linke hervor. Im vergangenen Jahr konsultierte Europol das BKA in der Frage, wie mit "ausländischen Kämpfern", den sogenannten Rückkehrern, umgegangen werden soll. Auch hier ging es unter anderem um Gesichtserkennung.

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Wann sollen Gesichter gescannt werden? 
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bombinho 27. Aug 2016

Wie ueberraschend, Du hast diesen Begriff hier eingefuehrt, wie kann ich ihn dann...

RipClaw 25. Aug 2016

Das FBI ist bekannt dafür das sie mit National Security Lettern um sich werfen und die...

werredetwirdged... 25. Aug 2016

die sich dehnen.

Kleba 25. Aug 2016

+1! Genau darum geht es. Und bei dem derzeitigen Rechtsruck der durch Gesamt-Europa...



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