Telekom-Konkurrenz VATM: US-Pläne für Netzneutralität sind "Notlösung"
Die Telekom-Konkurrenz sieht in Deutschland keinen Bedarf für eine strikte Netzneutralität. Anders als in den USA gebe es genug Wettbewerb, um die Anbieter zu kontrollieren.

Der Telekommunikations-Branchenverband VATM hat die Pläne der US-Regulierungsbehörde FCC für eine strikte Netzneutralität begrüßt. Allerdings handele es sich dabei um eine Notlösung, die der starken Konzentration auf dem US-amerikanischen Telekommunikationsmarkt geschuldet sei, sagte VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner in einem Gespräch mit Golem.de. US-Präsident Barack Obama habe erst jetzt gemerkt, wie fatal es gewesen sei, dass die Vorgängerregierung unter George W. Bush die Oligopole weniger Netzbetreiber zugelassen habe. "Der Zug für mehr Wettbewerb auf der letzten Meile ist abgefahren, diesen Fehler kann man nicht mehr korrigieren", sagte Grützner weiter, dessen Verband die Telekom-Konkurrenz wie 1&1, Vodafone, Mobilcom und Versatel vertritt. Aus diesem Grund müsse in den USA nun eine starke Netzneutralität dafür sorgen, dass die Kabelnetzbetreiber mit bezahlten Überholspuren im Internet ihre Marktmacht nicht zusätzlich ausnutzten.
Für Deutschland hält Grützner daher eine solch strikte Regulierung nicht für erforderlich. Sollten einzelne Anbieter mit verbraucherunfreundlichen Plänen die Netzneutralität zu ihren Gunsten einschränken, ließe sich das über kritische Medienberichte und den Wettbewerb regeln. Dabei verwies Grützner auf die Debatte um die Drosselung von Tarifen bei der Deutschen Telekom, die schließlich dazu geführt habe, dass das Unternehmen die Pläne zum Teil wieder aufgehoben habe. Anders als in den USA oder anderen europäischen Ländern sei der Wettbewerb in Deutschland stark genug ausgeprägt, um einen Missbrauch von Marktmacht zu verhindern. "Wir können es uns leisten, Qualitätsdienste auszuprobieren", sagte Grützner und fügte hinzu: "Solange die Kunden darauf reagieren können, brauche ich keinen Staat."
USA könnten bei Spezialdiensten nachziehen
Das Thema Netzneutralität gehört allerdings zu den wenigen, bei denen die im VATM organisierte Telekom-Konkurrenz mit dem Branchenführer Telekom und dem Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) einer Meinung ist. Um das Ausbauziel einer flächendeckenden Versorgung mit 50 MBit/s bis 2018 zu erreichen, hatte die Wirtschaft im vergangenen August geschlossen für die Zulassung sogenannter Qualitätsklassen plädiert. Grützner hatte solche neuen Geschäftsfelder als einen "wesentlichen und wichtigen" Investitionsanreiz bezeichnet, den man sich "auf keinen Fall kaputt reden lassen" dürfe.
An dieser Position hält der VATM weiterhin fest. Solche Qualitätsdienste gehörten ebenfalls zur Freiheit des Internets, sagte Grützner. Er glaube sogar, dass die Europäer nun bei den Spezialdiensten eine Vorreiterrolle einnehmen könnten und die USA später nachziehen würden. Aufgrund des schwach ausgeprägten Wettbewerbs müssten diese dort aber mit komplizierten Gesetzen geregelt werden.
EU ringt weiter um einheitliche Regelung
FCC-Präsident Tom Wheeler hatte in dieser Woche einem Zwei-Klassen-Internet eine klare Absage erteilt. Allerdings will er die Struktur des Breitbandmarktes, der derzeit von den vier Anbietern Comcast, AT&T, Verizon und Time Warner Cable dominiert wird, nicht antasten. Für Breitbandanbieter soll es generell keine Tarifregulierung für das Entgelt der Teilnehmeranschlussleitung (TAL) und keine Entbündelung der letzten Meile geben. Es ist lediglich vorgesehen, dass Firmen wie Google, die ein eigenes Glasfasernetz aufbauen wollen, Telefonmasten und Kabelschächte der bestehenden Anbieter mitnutzen dürfen.
Die EU will in ihrer geplanten Verordnung zum digitalen Binnenmarkt auch die Netzneutralität regeln. Allerdings haben sich die Mitgliedsstaaten im Gegensatz zum EU-Parlament noch nicht auf eine gemeinsame Position geeinigt. Grützner räumte ein, dass Deutschland innerhalb der EU über besonders viel Wettbewerb auf dem Telekommunikationsmarkt verfüge. Dies bedeutet im Umkehrschluss: Da die Verordnung in den einzelnen Staaten eins zu eins umgesetzt werden muss, könnte eine zu schwache Netzneutralität in einigen EU-Staaten genau zu den Verhältnissen führen, die die FCC in den USA offenbar zu verhindern versucht. Und da alle deutschen Netzbetreiber sich gerne ein Stück vom Spezialdienste-Kuchen abschneiden wollen, stellt sich auch hierzulande die Frage, ob den Kunden dann tatsächlich noch eine Wahl bleibt.
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Sieht so aus wie zwei verschiedene Ansätze. Vom technischen Standpunkt aus gesehen, ist...
Letztlich wüsste ich nichts, bei dem ausreichende Bandbreite keine Lösung wäre.
In der Realitaet ists dann aber so, entweder man ist bei Provider A und cared nicht...
...und wenn, dann hat er mit der verschwindenden Netzneutralität wohl nur etwas zu...