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Teilchenphysik: Blitz, Donner und Gammastrahlung

Dass bei Blitzen auch Gammastrahlung entstehen kann, ist bekannt. Forscher aus Japan haben das mit einem Multisensorsystem erstmals genau untersucht.
/ Dirk Eidemüller
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Blitze bergen immer noch viele Geheimnisse. (Bild: Oimheidi/Pixabay)
Blitze bergen immer noch viele Geheimnisse. Bild: Oimheidi/Pixabay

Wenn der Wettergott zürnt und seine Blitze schleudert, geraten Meteorologen und Teilchenphysiker in Verzückung. Denn es gibt noch vieles zu erforschen, was bei Gewittern alles so passiert. Zum Beispiel ist bereits seit vielen Jahren bekannt, dass bei Gewittern auch Gammastrahlung freigesetzt werden kann - und zwar in Form sogenannter terrestrischer Gammablitze.

Entdeckt wurde diese Strahlung ursprünglich von Satelliten, die eigentlich ins Weltall schauen sollten, um dort hochenergetischen kosmischen Phänomenen wie Supernovae oder Neutronensternen nachzuspähen. Doch überraschenderweise fanden sie auch Gammastrahlung von unten, nämlich von der Erde.

Der Ursprung war schnell gefunden: Solche Gammablitze stammen aus Gewitterwolken. Die Energie der Gammateilchen erreicht dabei bis deutlich über zehn Megaelektronenvolt - das ist die Energie eines Elektrons, das eine Spannungsdifferenz von zehn Millionen Volt im perfekten Vakuum durchläuft.

Solch hohe Energien, deutlich oberhalb der allermeisten radioaktiven Prozesse, waren seinerzeit eine große Überraschung. Man wusste, dass bei Gewittern hohe Spannungen und Stromstärken auftreten können. Aber niemand ahnte, dass Blitze auch hervorragende Teilchenbeschleuniger sein können.

Allerdings sind terrestrische Gammablitze nur schwer zu untersuchen, da sie eine extrem kurze Dauer von typischerweise unter einer Millisekunde haben. Es ist im Nachhinein keine Überraschung, dass die ersten terrestrischen Gammablitze von Satelliten entdeckt wurden. Die Beobachtung von oben ist wesentlich einfacher, da Gammastrahlung im luftleeren All nicht absorbiert wird, und ein Satellit eine große Fläche überblicken kann.

Auch heute noch werden die allermeisten Sichtungen von terrestrischen Gammablitzen durch Satelliten vermeldet. Nur eine begrenzte Zahl an Gammablitzen lässt sich von Flugzeugen oder Bodenstationen aufzeichnen.

Detaillierte Untersuchung vom Boden aus

Das liegt einerseits an der Seltenheit und der kurzen Dauer dieser Blitze und andererseits daran, dass sich der Ort eines Blitzeinschlags schlecht vorhersagen lässt. Und Gammastrahlung wird über eine Distanz von einigen Kilometern in der Atmosphäre absorbiert.

"Aus dem Weltall kann man solche Gammablitze leider nicht gut untersuchen, da die Entfernungen schlicht zu groß sind," sagt Yuuki Wada von der Universität Osaka. "Vom Boden aus lässt sich im Prinzip viel besser untersuchen, wie bei Blitzen auch Gammablitze entstehen, allerdings gelingen die Nachweise nur sehr selten."

Der Wissenschaftler baute deshalb mit einem Team an einem vielversprechenden Ort ein umfangreiches Instrumentarium zur Untersuchung solcher Blitze auf. Dabei ging ihnen ein interessantes Exemplar ins Netz, wie die Wissenschaftler im Fachblatt Science Advances berichteten(öffnet im neuen Fenster) .

Multisensorbeobachtung ist eine Weltneuheit

Den Multisensoraufbau errichteten die Wissenschaftler in der Stadt Kanazawa in der Präfektur Ishikawa bei zwei Fernsehtürmen, die vor allem im Winter häufig von Blitzen getroffen werden und quasi als Magnete für Blitze dienen. Mit ihren Instrumenten konnten die Forscher ein breites Spektrum an Strahlung abdecken, vom Radiobereich über optische Wellenlängen bis hin zur Gammastrahlung.

Bei der Suche passierte etwas Besonderes: Am 30. Januar 2023 schlug ein Blitz in einen der Türme ein, zur selben Zeit meldete auch der Gammadetektor einen terrestrischen Gammablitz. Wie die genaue Analyse nun ergab, trafen die ersten Gammateilchen rund 31 Mikrosekunden früher ein, als sich die beiden Blitzkanäle in der Luft trafen.

Denn bevor ein durchgehender Blitz entsteht, bildet sich unter einer Gewitterwolke zunächst ein negativ geladener Blitzkanal in Richtung Boden aus (auch Leitblitz genannt). Diesem strebt vom Boden aus ein positiv geladener Blitzkanal entgegen. Wenn beide Blitzkanäle sich berühren, kommt es - blitzartig - zur Entladung.

Bei diesem Blitz trafen die beiden Kanäle in etwas weniger als einem Kilometer Höhe aufeinander. Dabei wurde eine Stromstärke von rund 56.000 Ampere gemessen. Der Gammablitz dauerte rund 20 Mikrosekunden - also gerade einmal 20-millionstel Sekunden.

Diese Multisensorbeobachtungen sind eine Weltneuheit. "Wir haben festgestellt, dass der Gammablitz genau dann entsteht, wenn die beiden Blitzkanäle sich annäherten und dann aufeinander trafen," erklärte Wada.

Aus dieser Beobachtung lassen sich einige für das physikalische Verständnis wichtige Schlüsse ziehen. So wurde schon lange spekuliert, dass die extrem starken elektrischen Felder zwischen den Blitzkanälen Elektronen bis auf relativistische Geschwindigkeiten - also bis in die Nähe der Lichtgeschwindigkeit - beschleunigen können.

Kaskade an hochenergetischen Elektronen

Dass nun der Gammablitz Sekundenbruchteile vor dem Zusammentreffen der Blitzkanäle gemessen werden konnte, belegt diese Hypothese. Denn in der kompakten Region zwischen dem positiv und dem negativ geladenen Blitzkanal herrschen enorme Spannungen, die als Teilchenbeschleuniger wirken.

Die hochenergetischen Elektronen wandeln beim Zusammentreffen mit Atomen in der Luft ihre Energie teilweise in Gammastrahlung um. Teilweise schlagen sie auch weitere Elektronen aus Atomen heraus, wodurch eine ganze Kaskade an hochenergetischen Elektronen entsteht, die schließlich den Gammablitz auslösen. Interessanterweise treten ähnliche physikalische Prozesse auch in kosmischen Gammastrahlungsquellen auf - etwa bei Supernovae oder in Akkretionsscheiben schwarzer Löcher.

Obwohl einige Rätsel zu den Details dieses Prozesses bestehen bleiben, brachte diese Messung doch einiges Licht in das Verständnis terrestrischer Gammablitze. Daher will das Team das Netzwerk ausbauen und mehr Fälle sammeln. Man muss sich also nicht wundern, wenn man demnächst in der Nähe von Fernsehtürmen eifrig bastelnden Physikern begegnet.


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