Wie das agile Konzept die Produktivität tötet
Die Grundprinzipien der agilen Softwareentwicklung sind lobenswert und viel besser als die alten Ideen. Daher bemühen sich viele Unternehmen, agil zu sein. Sie übernehmen dafür agile Konzepte, also Schritt-für-Schritt-Leitlinien, die ein Team agil machen sollen. Das berühmteste ist Scrum. Viele Unternehmen glauben, sie würden agil, indem sie sich strikt an eine Reihe unflexibler Regeln halten. Das Gegenteil passiert.
Wir haben bereits über eine dieser starren Regeln gesprochen: dass die Arbeit in klar definierte Zyklen, die Sprints, unterteilt werden muss und dass wir versuchen müssen, die Schwierigkeit von Aufgaben vorherzusagen, um sicherzustellen, dass sie in einen Sprint passen. Diese Struktur fördert das Aufblähen von Aufgaben. Die Mitarbeiter wollen die Versprechen, die sie für den Sprint gegeben haben, einhalten und blähen daher die Aufgaben auf, um sicherzugehen, dass sie innerhalb des Sprints abgeschlossen werden können. Die Produktivität wird also im Namen der Vorhersehbarkeit geopfert.
Die Starrheit der Sprints führt auch zu anderen Ineffizienzen. Wenn beispielsweise ein neuer Mitarbeiter in der Mitte des Sprints ins Team kommt, wird ihm meist bis zum Beginn des nächsten Sprints keine Arbeit zugewiesen. Auch wenn jemand eine Aufgabe vor Ende des Sprints abgeschlossen hat, wird ihm vor Beginn des nächsten Sprints selten eine neue Aufgabe zugewiesen, höchstens ein Lückenfüller wie "Unterstütze James bei seiner Aufgabe".
Wir arbeiten nicht, wir reden über Arbeit
Das agile Konzept verwaltet auch die tägliche Arbeit, was zu noch mehr Ineffizienz führt. Es schreibt zum Beispiel genau vor, wie oft und wie lange sich das Team treffen soll. Das gesamte Team soll sich demnach jeden Tag zu einer kurzen Nachbesprechung, einem sogenannten Stand-up-Meeting, treffen. Darin gibt jedes Teammitglied ein Update zu den aktuellen Aufgaben und möglichen Blockaden.
Die Idee ist, eine Art Team-Synergie zu schaffen, aber das habe ich noch nie erlebt. Es wird schnell zum Checkbox-Abhaken. Meistens nutzen die Mitarbeiter es für einen Bericht an den Vorgesetzten und nicht zum Austausch.
Einige Versionen des agilen Konzepts verlangen auch, dass die Mitarbeiter nach Abschluss jeder Aufgabe allen anderen Teammitgliedern zeigen, was sie getan haben. Und am Ende des Sprints treffen sich alle Teammitglieder zu einer langen gemeinsamen Sitzung zur Selbstreflexion, in der jeder über alles spricht, was er getan hat.
Ein Großteil der Arbeit im technischen Bereich ist also mit Meta-Arbeit verbunden: Zuerst spricht man über die Arbeit, die man tun wird, dann spricht man zwei Wochen lang jeden Tag über die Arbeit, die man gerade erledigt (hier muss man viel vortäuschen), dann stellt man das Ergebnis seiner Arbeit vor und dann reflektiert man gemeinsam darüber.
Sehr oft dauert die Meta-Arbeit länger als die eigentliche Arbeit. Ich habe einmal an einer Planungssitzung teilgenommen, in der 20 Minuten lang darüber diskutiert wurde, ob eine Aufgabe in den nächsten Sprint aufgenommen werden sollte. Die Aufgabe konnte in fünf Minuten erledigt werden.
Facebook hat sich wohl in Meta umbenannt, weil seine Mitarbeiter nur noch Meta-Arbeit machen. Ich habe einmal einen befreundeten Anwalt gefragt, ob er tägliche Besprechungen mit seinen Mitarbeitern durchführe. Er sagte mir: "Nein. Dafür sind wir zu beschäftigt." Er war überrascht zu hören, dass wir das in der IT tun.
Real-existierende Agilität
Aber die ständige Meta-Arbeit tötet auch die Produktivität (g+), weil sie den Arbeitsfluss eines Mitarbeiters unterbricht. Wenn zum Beispiel ein Programmierer vor einer schwierigen Aufgabe steht, ist es manchmal die beste Lösung, ein paar Tage lang darüber nachzudenken oder konzentriert und unkonventionell zu recherchieren. Es ist nicht hilfreich, die Arbeit ständig zu unterbrechen, um über die Arbeit zu sprechen.
Leider ist die agile Methode zu einem Kult geworden; manche nennen sie sogar eine Religion. Wer darauf hinweist, dass die Methodik zu Unproduktivität führt, bekommt zur Antwort, das liege daran, dass er sich nicht streng genug an das Konzept gehalten oder es falsch verstanden habe. Einer meiner Freunde pflegte spöttisch zu sagen, dass Agile wie der Kommunismus sei: Es funktioniere nicht, weil es nie richtig angewendet wurde.
Das agile Konzept infrage zu stellen, wird als Ketzerei angesehen. Als ich einmal anmerkte, dass die Besprechungen vielleicht nicht die effektivste Nutzung unserer Zeit seien, war die Antwort? "Wir hier mögen Teamarbeit, Sie etwa nicht?"
Statt mit voller Kapazität zu arbeiten oder das Produkt und den Kunden als oberste Priorität zu betrachten, ist das Hauptziel der Mitarbeiter geworden, sich an die Methodik zu halten. Amen.
Oder nutzen Sie das Golem-pur-Angebot
und lesen Golem.de
- ohne Werbung
- mit ausgeschaltetem Javascript
- mit RSS-Volltext-Feed
Aufgeblähte Aufgaben | Wie der Hype die Motivation zerstört |
Ach. Ach was. Scrum ist wie Kommunismus. Jedes mal, wenn es (mal wieder) nicht...
Natürlich haben Storypoints eine Bedeutung und das beste an Scrum. Wenn du es nicht...
Danke für Deine Frage. Wenn man nur "Scrum tut", dann unterwirft man sich wieder nur...
3000+ MA und >5Milliarden Umsatz fand ich nicht klein. Aber die Mitarbeiter wurden...
Kommentieren