Team Wallraff: Amazon-Fahrer bekommen nicht mal den Mindestlohn
Durch ein Netz von Subfirmen profitiert Amazon offenbar von Lohndumping in Deutschland. Team-Wallraff-Reporter decken menschenunwürdige Arbeitsbedingungen auf.

Ein Paketfahrer bei Amazon in Deutschland verdient statt der versprochenen 11 Euro brutto die Stunde nur 7,78 Euro, da die Arbeit in der vorgegebenen Zeit nicht zu leisten ist. Das ergaben Recherchen von Team-Wallraff-Reportern.
Über ein Angebot bei Ebay Kleinanzeigen wurde Team-Wallraff-Reporter Alexander Römer zum Paketausfahrer für Amazon in Berlin. Angestellt war Römer bei der Sicherheitsfirma Pignus als Subunternehmen, welches wiederum ein weiteres Subunternehmen beschäftigt.
Mit Pause dauere die Tour eines Fahrers neun Stunden, mit der aber kaum ein Fahrer auskomme, heißt es in dem Bericht. Schaffe der Arbeiter die Vorgabe, bekomme er am Folgetag noch mehr Pakete zugeteilt oder müsse Kollegen helfen. Wurde die Arbeitszeit überschritten, konnte sich Römer per Scanner im Account eines Kollegen anmelden und das Arbeitszeitgesetz umgehen.
Amazon erklärte: "Wir lassen derzeit unsere Zusammenarbeit mit Pignus Berlin Sicherheitsservice ruhen und untersuchen Ihre Behauptungen. Wir haben den Partner außerdem angewiesen, nicht weiter mit anderen Unternehmen zusammenzuarbeiten, um Amazon Pakete zuzustellen."
Amazon-Versprechungen und Wirklichkeit der Arbeiter
Es handelt sich hier aber nicht um einen Einzelfall: LKW-Fahrer, die im Auftrag von Amazon unterwegs sind, kommen dem Bericht zufolge oft aus Osteuropa oder Weißrussland und sind bei einer Sub-Firma in Litauen beschäftigt. Auch sie erhalten nicht einmal den Mindestlohn von 9,60 Euro die Stunde, da sie für eine litauische Spedition arbeiten.
Laut Team Wallraff sparen die Spedition und Amazon damit hohe Summen ein: Ein Fahrer in Litauen kostet die Spedition nur 8,89 Euro in der Stunde, während ein deutscher Fahrer mit Spesen und Nebenkosten 25,13 Euro in der Stunde erfordern würde.
Warten die Fahrer vor den Toren Amazons auf die Beladung, stehen ihnen oft nur Dixi-Klos zur Verfügung. Laut Amazon werden den Fahrern Trucker-Lounges mit Kaffeemaschinen, Essensautomaten und Toiletten angeboten. Team Wallraff zeigt dagegen Fahrer, die vor ihren Wagen mit engen Schlafkabinen im Freien auf Klappstühlen hocken, um sich Essen zuzubereiten. Sie leben so für zwei Monate ohne Unterbrechung.
Team-Wallraff-Reporter Daniel wurde über eine Zeitarbeitsfirma Lagerarbeiter bei Amazon in Krefeld. Als Picker muss er 3.200 Pakete am Tag auf die Transportbänder heben. Oft mussten auch schwere Lasten gehoben werden. Amazon verweist drauf, dass die Picker geschult würden, sich bei großen Lasten immer Hilfe zu holen.
Ruhepausen während der Arbeitszeit werden laut dem Bericht durch die Vorarbeiter untersagt. Wer zur Toilette will, muss demnach oft lange auf einen Springer warten. Wer als Journalist Amazon-Standorte angemeldet besucht, bekommt diese Arbeitsplätze nicht zu sehen.
Reporter Römer bestellte zudem T-Shirts und einen Kopfhörer bei Amazon und versah die Retouren mit einem Tracker. Diesem folgte er bis nach Polen zu einem Amazon-Werk in der Nähe von Kattowitz. Er sprach mit einer Amazon-Arbeiterin, die in dem Werk als Zerstörerin angestellt ist. Ihre Tätigkeit bezieht sich den Recherchen zufolge sich nicht nur auf Retouren, sondern auch auf Neuware. Gewerkschafterin Magdalena Malinowska, die in einem Amazon-Werk arbeitet, vermutet, dass Amazon die Retouren ins Ausland bringt, da dort nicht kontrolliert wird, was zerstört wird.
Amazon nimmt Stellung
Das Bild, das in der RTL-Sendung Team Wallraff gezeichnet werde, spiegele nicht die Erfahrungen Tausender Mitarbeiter von Amazon oder den Partnerunternehmen in Deutschland wider, sagte ein Amazon-Sprecher Golem.de. "Wir wissen, dass wir nicht perfekt sind, und wir arbeiten kontinuierlich daran, uns zu verbessern. Tatsache ist, dass wir fast 20.000 festangestellte Mitarbeiter:innen in unserem Logistiknetzwerk in Deutschland beschäftigen und rund 90 Prozent von ihnen ihren Arbeitsplatz mit Bestnoten bewerten."
Man führe regelmäßig Audits bei den Partnern durch. Wo man auf ein Problem stoße, handele man schnell und behebe es. "Die uns vorliegenden Behauptungen werden wir überprüfen. Wir gehen jedem einzelnen dieser Vorwürfe nach - und wir werden handeln, wo das richtig und nötig ist."
Es gebe einen Grund, warum Produkte über die Grenze zu Retourenzentren geschickt würden."Um das Leben dieser Produkte zu verlängern. Das Gegenteil zu behaupten, ist schlicht falsch", betonte der Sprecher. Amazon halte für alle vertriebenen Waren die gesetzliche Obhutspflicht ein.
Jedes Retourenzentrum sei auf bestimmte Produktgruppen spezialisiert und verfüge über die Spezialisten, Prozesse und Hilfsmittel, um möglichst vielen Produkten ein zweites Leben zu geben. "Wir arbeiten deutschlandweit mit lokalen Tafeln zusammen und haben allein 2020 1,5 Millionen unverkaufte Produkte an Bedürftige gespendet", sagte der Sprecher.
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Genau dafür wurden damals die Gewerkschaften gegründet und du hilfst mit deinem Verhalten...
Danke für die Mühe, mache noch weiter und reiche es als Artikel ein :)
Walraff selbst scheint eine zwielichtige Gestalt zu sein. Es gab Verbindungen zur StaSi...
Bin ich der Einzige, dem dabei mulmig wird? Klärt mich auf, falls es da wirklich die...