Halbleiter-Lieferketten sind in Gefahr
Egal, wann die Situation eskaliert, durch einen Überfall auf Taiwan versänke Asien im Chaos. Die Sicherheit des Luftraums sowie der Schifffahrtsstraßen und damit der internationalen Transportwege wären gefährdet. "Zugleich würden die USA und die Europäische Union wohl Sanktionen gegen China verhängen, ähnlich wie es die EU nach der Annexion der Krim durch Russland getan hat", erwartet Jürgen Matthes, Leiter des Kompetenzfelds Internationale Wirtschaftsordnung und Konjunktur am Institut der Deutschen Wirtschaft. Beides würde die Lieferketten der Halbleiter-, IT-, und Elektronikindustrie schwer stören - wenn auch nicht sofort. "Denn viele Kunden der Halbleiter- und Elektronikhersteller in Asien haben deren Vorprodukte auf Lager."
"Außerdem würden Lieferungen, die sich bereits auf dem Weg nach Europa oder in die USA befänden, die Abnehmer dort wohl noch erreichen", erklärt Lukas Gabriel Wiese, Referent für Außenwirtschaft und Internationale Beziehungen beim Digitalverband Bitkom.
Wenn diese Puffer aufgebraucht sind, hat die Unterbrechung der Lieferketten jedoch drastische Auswirkungen. Einerseits unterlägen die größten Hersteller von Elektronik- und PC-Komponenten, Notebooks, Konsolen, Servern und Autoelektronik wie Hon Hai Precision (Foxconn), Pegatron, Compal oder Wistron als taiwanische Unternehmen nach einer Annexion ihres Landes den gegen China verhängten Sanktionen. Als Zulieferer fielen sie somit aus.
US-Halbleiterunternehmen sind auf die Fertigung in Taiwan und Südkorea angewiesen
Zum anderen haben China und Taiwan laut der Unternehmensberatung McKinsey zusammen einen Anteil von 82 Prozent am globalen Markt für die Auftragsfertigung von Halbleitern. "Vor allem die Bedeutung, die TSMC für das globale Ökosystem der Halbleiterbranche hat, kann man eigentlich nicht überschätzen", erklärt SNV-Experte Jan-Peter Kleinhans. "Die Kollateralschäden, die ein Ausfall des Unternehmens in anderen Branchen verursachen würde, ebenfalls nicht." Denn zumindest indirekt sind die Taiwaner Schlüssellieferant für Unternehmen aus einer Vielzahl von Bereichen.
Immerhin beherrscht neben TSMC nur Samsung Foundry in Südkorea die Fertigung von Chips mit Nodes im ultradünnen Bereich von fünf Nanometern. Deshalb lassen von Apple bis Xilinx fast alle US-amerikanischen Halbleiter-Unternehmen ohne eigene Produktionsstätten Chips bei den Taiwanern fertigen. Da sie selbst keinerlei Werke mehr betreiben, würden sie im Falle eines chinesischen Überfalls auf Taiwan von den dortigen Fertigungskapazitäten abgeschnitten.
Fatale Folgen für Industriebranchen
Dies hätte auch in Old-Economy-Branchen massive Auswirkungen auf die Kunden von Qualcomm, Nvidia und Co. So kündigte der niederländische Halbleiterkonzern und Automobilzulieferer NXP Semiconductor im Juni 2020 an, seine System-on-a-Chip-Plattform (SoC) für den Automobilbereich künftig von TSMC mit dessen fünf Nanometer-Technologie fertigen zu lassen. Wenige Wochen später gab Mercedes-Benz bekannt, dass ab 2024 jedes neue Fahrzeugmodell der Stuttgarter mit Drive AGX Orin, dem SoC für das autonome Fahren von Nvidia ausgestattet sein wird. "Nvidia ist jedoch einer der wichtigsten Kunden von TSMC. Bei einem Ausfall der Taiwaner würde also auch die Lieferkette von Mercedes reißen", erklärt Jan-Peter Kleinhans von der SNV.
In solch einem Fall könnten sich die Wertschöpfungsstrukturen der Automobilbranche weltweit verschieben, befürchtet Sven Baumann vom Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie. "Wenn die Automobilindustrie keine Halbleiter und elektronischen Komponenten mehr bekommen könnte, wären die Konsequenzen von gravierendem Ausmaß. Im schlimmsten Fall könnte die Folge sein, dass globale Elektronikplattformen nicht mehr möglich wären und Fahrzeuge sowie Komponenten nur noch für bestimmte Regionen entwickelt würden", so der Experte für Mikroelektronik, Sensorik und Aktorik.
Bei Hochleistungschips lassen sich alternative Lieferanten kaum aufbauen
Seine Sorge ist nicht unbegründet. Denn der Aufbau von Fertigungskapazitäten bei alternativen Lieferanten erfordert nicht nur gewaltige Investitionen und viel Zeit. Solch ein Wechsel bedeutet für Halbleiterunternehmen ohne eigene Produktion auch technologisch einen Kraftakt. "Denn schon beim Design eines Chips müssen sich Entwickler überlegen, auf welcher Produktionsstraße sie diesen fertigen lassen wollen. Ein anderes Unternehmen könnte den Chip also nur herstellen, wenn sein Design grundlegend überarbeitet wird", erklärt Kleinhans.
Daher bleibt aus Sicht vieler Unternehmen zu hoffen, dass die Taiwaner an den Fahnenmasten in ihrer Republik auch beim nächsten chinesischen Neujahrsfest noch die Fahne ihrer eigenen Republik setzen werden.
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''Wir werden Taiwan irgendwann um 2021 herum befreien'' |
EUV ist inzwischen der Bottleneck. siehe auch hier: https://forum.golem.de/kommentare...
Und selbst die suchen gerade Partnerschaften mit Synchrotronlichtquellen*, da sie mit...
So what? Dann fallen wir halt bei Mikroelektronik für ein paar Jahre um fünf Jahre...
Wo ist das Problem? Der Notstopfen-POTUS sagt zum Obergeneral "mach die PLA in Taiwan...