Streit um Stream On: Die Telekom spielt das Uber-Spiel
Die Deutsche Telekom macht im Streit um Stream On einen auf Uber. Was sollen den früheren Staatskonzern die Gesetze stören, wenn die Nutzer das so wollen?

Einen besseren Tag hätte sich die Bundesnetzagentur kaum aussuchen können. Wenige Stunden, nachdem die US-Regulierungsbehörde FCC die Netzneutralität in den USA abgeschafft hatte, zeigte ihr deutsches Pendant, dass man die gleichberechtigte Datenübertragung im Netz durchaus verteidigen kann. Umso peinlicher die Reaktion der Deutschen Telekom. Sie legt die Regelungen zum Schutz der Nutzer und Anbieter so aus, als würden durch deren Anwendung die Kunden geschädigt. Ein unverantwortlicher Konfrontationskurs für einen Konzern, an dem der Bund noch ein Drittel der Anteile hält.
Dabei geht die Deutsche Telekom so dreist wie der US-Fahrdienstanbieter Uber vor. Weil die Nutzer das Zero-Rating-Angebot so toll finden, soll die Bundesnetzagentur gefälligst beide Augen zudrücken und die damit verbundene Drosselung von Videodaten und die Einschränkung des EU-weiten Roamings durchgehen lassen. "Was der Regulierer verlangt, würde in letzter Konsequenz dazu führen, dass wir Stream On nicht mehr kostenlos anbieten können. Eine Entscheidung gegen unsere mehr als 700.000 Kunden und über 150 Partner", teilte das Unternehmen mit. Besser hätte es auch der geschasste Uber-Gründer Travis Kalanick nicht formulieren können.
Das typische Uber- und AirBnB-Spiel
Es ist vermutlich in allen Wirtschaftsbereichen so, dass Dienste billiger angeboten werden können, wenn regulatorische Vorgaben umgangen werden. Und es ist offenbar leider so, dass es viele Nutzer nicht interessiert, ob das Unternehmen alle Regeln einhält, solange der Dienst billig oder gar umsonst ist.
Die Telekom spielt in diesem Fall das typische Uber- oder AirBnB-Spiel, in dem es die zuständigen Behörden mit der großen Zahl der Nutzer unter Druck setzt. "Stream On ist in Deutschland ein absoluter Erfolg. (...) Doch der Bundesnetzagentur ist diese Erfolgsgeschichte anscheinend ein Dorn im Auge. Anders kann man die Anordnung nicht verstehen, die uns die Behörde jetzt zugestellt hat", schreibt die Telekom. Als wäre ausgerechnet die böse, böse Bundesnetzagentur bekannt dafür, der Telekom ständig Steine in den Weg zu legen.
Werbung unvermindert fortgesetzt
Es war vielmehr ein Kalkül der Telekom, nach dem Bescheid vom vergangenen Oktober ihre Werbekampagne für Stream On unvermindert fortzusetzen und mit dem Angebot weitere Kunden zu ködern. 20.000 sollen es jede Woche sein. Vor allem die Reduzierung der Bandbreiten ist ein offensichtlicher Verstoß gegen die EU-Verordnung zur Netzneutralität, wie die Bundesnetzagentur zuletzt in ihrem Jahresbericht Telekommunikation überzeugend belegt hat (PDF, Seite 94).
Aber die Telekom will die Regeln selbst festlegen. "Die Übertragung in DVD-Qualität ist für die Darstellung auf mobilen Endgeräten jedoch absolut ausreichend. Das zeigen gerade auch die hohen Buchungszahlen unserer Kunden und das große Interesse unserer Partner." Auch hier wieder dieselbe Logik: Weil so viele Kunden das Angebot nutzen, muss es doch gut und damit erlaubt sein. Allerdings hat die Telekom nun selbst eingeräumt, den Traffic aus kommerziellen Gründen zu diskriminieren, was eindeutig verboten ist.
Schwerer Image-Schaden droht
Die Bundesnetzagentur kann und darf dieses Spiel nicht mitspielen. Die EU hat in ihrer Verordnung Angebote zum Zero-Rating nicht verboten. Aber es kann nicht sein, dass sich die Provider die Angebote nach Gutdünken zurechtschneidern und dabei andere Vorgaben der Verordnung oder die Regelungen zum Roaming umgehen. Dann muss die Telekom eben einsehen, dass innerhalb des bestehenden Ordnungsrahmens in Europa kostenlose Zero-Rating-Angebote für Video nicht realisierbar sind.
Die Behauptung, mit einer gerichtlichen Klage einen Schaden von den Kunden abwenden zu wollen, ist dabei besonders unsinnig. Der Schaden droht vor allem der Telekom: Entweder beim Geld, wenn das kostenlose Angebot beibehalten wird, oder beim Image, wenn das Angebot aus finanziellen Gründen eingestellt werden muss. Die Kunden könnten sich allerdings dann geschädigt fühlen, wenn sie wegen des Stream-On-Angebots zur Telekom oder in einen höheren Tarif gewechselt sind. Vermutlich spekuliert die Telekom sogar darauf, möglichst viele der Nutzer später für ein kostenpflichtiges Angebot gewinnen zu können. Die Schuld an den höheren Kosten für die Kunden trifft aber nicht die Bundesnetzagentur, sondern nur das Unternehmen.
IMHO ist der Kommentar von Golem.de. IMHO = In My Humble Opinion (Meiner bescheidenen Meinung nach)
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Im EU Roaming Gesetz/Verordnung? Doch in der Verordnung gibt es die Möglichkeit für...
In bestehenden Tarifen ist es noch enthalten. Das wurde nur für Neuverträge gekippt.
Noch ist ja nix entgültig entschieden, da der Widerspruch noch läuft. Vorher kannst Du...
Wie denn auch "automatisch"? Es gibt quasi beliebig viele mögliche Streamingprotokolle...