Schachstreit: Carlsen-Gegner Niemann soll über 100 Mal betrogen haben

Der Konflikt zwischen den Schachgroßmeistern Magnus Carlsen und Hans Niemann bekommt eine neue Dimension. Wie das Wall Street Journal berichtet(öffnet im neuen Fenster) , hat die Online-Schachplattform Chess.com in einer internen Untersuchung festgestellt, dass Niemann über 100 Mal bei Onlinespielen auf der Webseite betrogen habe.
Vorausgegangen sind Beschuldigungen des aktuellen Weltmeisters Carlsen, wonach Niemann Betrug begangen hat. Carlsen hatte die Vorwürfe aber zunächst ohne Beweise vorgetragen, weshalb die Schachwelt gespalten war. Einige Experten stimmten Carlsen zu, dass Niemanns Aufstieg zu rasant gewesen sei, andere haben die Meinung vertreten, dass Niemann nicht betrogen habe und Carlsen dessen Karriere zerstören wolle.
Pikanterweise hatte Niemann bereits kurz nach den ersten Vorwürfen, die Carlsen nach dem Sinquefield Cup im September 2022 in St. Louis erhoben hatte, zwei frühere Betrügereien eingeräumt. Demnach hatte sich der 19 Jahre alte US-Amerikaner im Alter von zwölf und 16 Jahren bei Online-Partien auf Chess.com von einem Computerprogramm helfen lassen, was verboten ist. Entsprechend wurde Niemann auf der Plattform gesperrt. Niemann betonte allerdings, dass dies die einzigen Male gewesen seien und dass er nie bei einer Live-Partie betrogen habe.
Niemann soll auch bei Preisgeldpartien betrogen haben
Der neuen Untersuchung zufolge soll Niemann allerdings in zahlreichen weiteren Partien auf Chess.com geschummelt haben, auch bei Turnieren mit Preisgeld. Auf Chess.com spielen auch zahlreiche Profispieler, was dortigen Betrug so schwerwiegend macht. Ein Beweis dafür, dass Niemann auch bei Live-Partien am Brett betrogen hat, liefert die Untersuchung allerdings ebenfalls nicht.
Bei Live-Partien ist es wesentlich schwieriger, zu betrügen - wenngleich nicht unmöglich. Bei Onlinespielen versucht Chess.com unter anderem, die Verwendung anderer Browser-Fenster zu erkennen. Dies könnte darauf hinweisen, dass ein Schachprogramm die Züge analysiert und Vorschläge macht.
Magnus Carlsen hatte beim Sinquefield Cup gegen Niemann verloren und sich anschließend überraschend vom Turnier zurückgezogen. Er behauptete indirekt, dass Niemann betrogen habe. Später erklärte Carlsen unter anderem, dass die Art und Weise, wie Niemann mit den schwarzen Figuren gegen ihn gespielt habe, sehr untypisch gewesen sei. Zudem sei Niemann nicht angespannt gewesen.
Weitere Eskalation bei Onlinepartie zwischen Carlsen und Niemann
Der Streit eskalierte auf einem weiteren Turnier, das online stattfand. Nach den Eröffnungszügen loggte sich Carlsen aus Protest aus und schaltete seine Kamera ab. Erst danach hatte sich der Norweger detaillierter zu seinen Vorwürfen gegenüber Niemann geäußert - ohne allerdings weiterhin konkrete Beweise zu nennen. Diese hat die Untersuchung von Chess.com nun nachgeliefert.
Zwischen Chess.com und Carlsen gibt es eine Geschäftsbeziehung: Chess.com möchte Carlsens Plattform Play Magnus für um die 83 Millionen US-Dollar kaufen. Der Webseite zufolge hat dies aber die aktuelle Untersuchung nicht beeinflusst. Hans Niemann hat sich zu den neuen Vorwürfen noch nicht geäußert.



