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Streaminganbieter: Wieso sehen Netflix-Produktionen alle gleich aus?

(Hinweis der Redaktion: Dieser Text wird gerade nochmal von uns überprüft.) Eigenproduktionen von Netflix haben einen eigenen, immer gleichen Look. Ein Grund dafür ist die Vorgabe, welche Kameras Filme- und Serienmacher benutzen dürfen.
/ Peter Osteried
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An der Serie Sandman lassen sich einige Merkmale des Netflix-Looks gut zeigen. (Bild: Netflix)
An der Serie Sandman lassen sich einige Merkmale des Netflix-Looks gut zeigen. Bild: Netflix

Bei manchen Sendern kann man durchaus davon sprechen, dass ihre Produktionen einem gewissen Stil folgen. Beispielsweise sind Filme, die vom Syfy Channel produziert werden, immer an überschaubar guten Effekten und einer Vielzahl von Greenscreen-Szenen zu erkennen. Aber auch Netflix pflegt seinen eigenen Look.

Bei Netflix-Produktionen ist das Bild normalerweise eher dunkler, die Farben sind stärker gesättigt, auch bei Interieurs ergibt sich häufig ein gewisser Neon-Look. Diese Stilmittel ziehen sich durch die Netflix-Eigenproduktionen - seien es Teenieromanzen wie Kissing Booth(öffnet im neuen Fenster) , die gefeierte Comicadaption Sandman(öffnet im neuen Fenster) , die Thrillerserie Mindhunter(öffnet im neuen Fenster) oder der Film Red Notice(öffnet im neuen Fenster) .

Nur bestimmte Kameras

Der Grund ist vor allem ein technischer, wie J.D. Connor, Dozent für Kino- und Medienwissenschaften an der University of Southern California, dem Magazin Vice erklärte(öffnet im neuen Fenster) . Denn Netflix gibt den Filmemachern vor, mit welchen Kameras sie arbeiten müssen(öffnet im neuen Fenster) . Es ist zwar eine große Auswahl(öffnet im neuen Fenster) mit vielen Einstellungsmöglichkeiten vorhanden, die Filmemacher aber letztlich dennoch limitiert.

Netflix erlaubt ihnen nur bei zehn Prozent eines Films oder einer Episode, auf andere, nicht genehmigte Kameras zurückzugreifen - und auch das müssen sich Filmemachen vorher genehmigen lassen. Bei nichtfiktionalen Inhalten könne dieser Wert flexibler sein, schreibt Netflix auf seiner Website(öffnet im neuen Fenster) .

Netflix hat mit Krys Pyrgrocki(öffnet im neuen Fenster) einen eigenen Kameraspezialisten, der anhand der Wünsche des Streamers die Liste der erlaubten Kameras erstellt. Ein Grund für die Kameraliste ist auch, dass Netflix seine Produktionen "zukunftssicher" machen will. "Sie wollen alles in 4K HDR drehen," sagte Connor dazu.

Es wird darauf bestanden, dass Produktionen in 4K HDR aufgenommen werden. Denn Netflix geht davon aus, dass Nutzer über kurz oder lang alle 4K-Fernseher haben werden. Aber schon jetzt hat der Streaminganbieter großes Interesse daran, seine Produktionen in 4K umzusetzen, da das Monatsabo mit Ultra-HD-4K-Option deutlich teurer ist als das Basismodell. Entsprechend muss man Nutzern etwas bieten.

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Neben der Einschränkung für Filmemacher gibt es dadurch aber noch ein anderes Problem: 4K-Dateien sind extrem groß und werden beim Streaming komprimiert, um ein geschmeidigeres Streamingerlebnis zu garantieren. Wenn man bei einem Bild mit sehr hoher Auflösung die Informationsmenge reduziere, würden die Kanten schärfer, sagt Connor. Bei neuen 4K-Produktionen passiere im Grunde das Gleiche wie bei großen Effektfilmen der 1970er Jahre, wenn man sie auf dem relativ kleinen Fernseher sieht: Die Kanten werden scharf und die Bluescreen-Szenen stechen hervor.

Neben den Kameras gibt es eine weiteren wichtigen Faktor für den einheitlichen Look: das Budget.

Das liebe Geld

Filme und Serien bei Netflix können teuer sein, aber die Frage ist, wofür das Geld ausgegeben wird. 30 Prozent des Budgets würden durch die Gagen namhafter Stars und Macher belastet, rechnet Connor vor. Sie bekommen bei einem Streamingdienst vorab mehr Geld, weil es hintenraus keine Beteiligung gibt, anders als bei Fernsehsendern. Entsprechend versucht Netflix immer wieder, Kosten anderswo einzusparen - sei es bei der Designarbeit oder bei On-Location-Dreharbeiten.

Auch das verstärkt den Eindruck eines einheitlichen Looks, der sich bei Netflix durch alle Genres zieht. Allerdings ist es genreabhängig, wie sehr das auffällt. Die Komödien von Adam Sandler(öffnet im neuen Fenster) beispielsweise profitieren von den Kameravorgaben - hier kommt das höhere Budget auch nicht negativ zum Tragen. Ein übersaturiertes Bild lässt Komödien wärmer und heimeliger aussehen, während bei The Sandman im Kontrast ein düsterer Look der Vorlage mehr gerecht wird.

Das Kompressionsproblem haben übrigens alle Streaminganbieter, die Kameramaßgaben hat aber nur Netflix. Positiv betrachtet könnte man die Kameravorgabe so sehen, dass Netflix einen Stil prägen will, der eigene Produktionen unverwechselbar macht. Das kann dazu beitragen, einem Streamer mehr Identität zu verleihen, aber auch nur, wenn dies bei vielen Produktionen umgesetzt wird. Netflix hat aber natürlich auch Filme, die zugekauft werden, und Serien, die von anderen Anbietern lizenziert wurden.

Der Unterschied und damit der Netflix-Look sind erkennbar. Allerdings wohl nicht für jeden, da man dazu wissen muss, was Eigenproduktionen sind und was zugekauft wurde. Letztlich ist es aber auch so: Je mehr man davon sieht, desto eher gewöhnt man sich an einen In-House-Stil des Streamers - und wird ihn gar nicht mehr als eigenen ansehen.


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