Störerhaftung: Regierung versteht WLAN-Verschlüsselung nicht
Das Wirtschaftsministerium erklärt ausführlich das geplante Gesetz zur Abschaffung der Störerhaftung - wobei deutlich wird, dass einige Regelungen nur vorgeschoben sind und WLAN-Hotspots durch Freifunker und Private verhindert werden sollen.

Das Bundeswirtschaftsministerium hat mit einem ausführlichen Frage- und Antwortkatalog auf die Kritik am Gesetzentwurf zur Störerhaftung reagiert. Allerdings machen die Erläuterungen der Regierung klar: Die geplanten Regelungen sind teilweise in sich widersprüchlich und können die damit vorgesehenen Ziele nicht erfüllen. Das gilt für die Verschlüsselungspflicht von WLAN-Betreibern und die Frage, wer einen WLAN-Hotspot "geschäftsmäßig" betreibt. Die Freifunker sehen ihre Kritik daher bestätigt.
Das Wirtschaftsministerium begründet die Pflicht zur Verschlüsselung unter anderem damit, dass diese "vor allem dem Interesse des WLAN-Betreibers selbst" diene. "Sie verhindert, dass Unbefugte über seinen Internet-Zugang surfen und auf seine Dateien zugreifen können. Darüber hinaus dient die Verschlüsselung dem Schutz des Kommunikationsgeheimnisses", heißt es in Punkt 5 der FAQ. Eine Argumentation, die wenig schlüssig ist und bei der das Ministerium nach Ansicht der Freifunker zwei grundlegend verschiedene Dinge vermischt: IT-Sicherheit und die Frage der Haftung.
Verschlüsselung kein Schutz vor Ausspähung
Denn die Verschlüsselung verhindert zunächst, dass überhaupt jemand Fremdes das WLAN nutzen kann. Das dient derzeit zwar der Rechtssicherheit, denn der Bundesgerichtshof (BGH) hatte 2010 privaten Anschlussinhabern eine Pflicht zur Verschlüsselung auferlegt. Doch der Gesetzentwurf soll schließlich eine breiteres Angebot für "geschäftsmäßig" betriebene WLAN-Hotspots ermöglichen, die nun die Pflichten erfüllen sollen, die der BGH lediglich für private Anbieter aufgestellt hat. Freifunker können sich hingegen nach einem Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg bereits jetzt auf das Providerprivileg berufen - ohne Verschlüsselung. Das Ministerium bügelt dieses Urteil aber in Punkt 11 mit dem Verweis ab, es handele sich um eine von vielen "uneinheitlichen untergerichtlichen Entscheidungen".
Da solche "geschäftsmäßigen" Betreiber das WLAN-Passwort offensiv verbreiten werden, ist der Kreis der Befugten ohnehin kaum einzuschränken. Unsinnig ist zudem die Behauptung, dass diese Befugten mit Hilfe des Passwortes auf die Daten des Betreibers zugreifen können. Wer ein öffentliches WLAN anbietet, sollte auf andere Weise dafür sorgen, dass seine privaten Daten vor dem Zugriff über das Funknetz geschützt sind. Moderne Router wie die Fritzbox bieten dazu beispielsweise einen Gastzugang an, der ein zusätzliches Funknetz mit separaten Sicherheitseinstellungen zur Verfügung stellt. Zudem weist Netzpolitik.org zu Recht darauf hin, dass die Verschlüsselung dann keinen Schutz des Kommunikationsgeheimnisses biete, wenn der Schlüssel bekannt ist. Abhörsicherheit erreicht dann nur die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung der Kommunikation vom Rechner aus.
Freifunker sind "geschäftsmäßige Anbieter"
An mehreren Stellen geht das Ministerium in den FAQ auf die Situation der Freifunker ein. "Ob ein Freifunkverein privater oder geschäftsmäßiger WLAN-Anbieter ist, kommt auf den Einzelfall an", heißt es in Punkt 2. Über die Art der Betätigung könnte unter anderem die Satzung Aufschluss geben. Das Ministerium geht aber davon aus, "dass Freifunker ihr WLAN in der Regel wiederholt und auf Dauer zur Verfügung stellen, also geschäftsmäßig tätig sind". Folgt man der Argumentation der Regierung, könnten auch Privatpersonen sich darauf berufen, ihr WLAN geschäftsmäßig zu betreiben. Ausschlaggebendes Kriterium ist demnach eine "nachhaltige Tätigkeit", die "auf Wiederholung gerichtet und auf eine gewisse Dauer angelegt ist". Als nicht geschäftsmäßig gelte hingegen die "nur gelegentliche private Betätigung". Unklar dürfte dabei aber sein, wie diese "nachhaltige Tätigkeit" nachgewiesen wird.
Wer demnach als Privatperson sein WLAN dauerhaft zur Verfügung stellt, müsste nicht die zusätzliche Auflage erfüllen und die Namen der Nutzer kennen. Allerdings versichert das Ministerium mehrfach, dass die Namen weder protokolliert, registriert oder anderweitig erfasst werden müssten. "Private WLAN-Anbieter müssen im Zeitpunkt der WLAN-Überlassung nur den Namen des Nutzers kennen. Dies dürfte im privaten Umfeld regelmäßig der Fall sein", heißt es in Punkt 1. Wie eine solche Kenntnis in einem möglichen Gerichtsverfahren nachgewiesen werden kann, erwähnt das Ministerium jedoch nicht. Letztlich müsste sich der private Anbieter wohl doch die Namen der WLAN-Nutzer notieren, um deren Kenntnis "im Zeitpunkt der WLAN-Überlassung" nachweisen zu können.
Schutz des geistigen Eigentums als Grund
Das Ministerium begründet die Auflagen für WLAN-Betreiber damit, das Recht am geistigen Eigentum durchsetzen zu wollen. "Die vollständige Abschaffung der Störerhaftung hieße, dass jeder über das WLAN eines anderen ins Internet gehen, auf dessen Daten zugreifen und Urheberrechtsverletzungen oder Straftaten begehen könnte", heißt es in Punkt 10. Diese Argumentation lassen die Freifunker jedoch nicht gelten. "Es bleibt aber unklar, wie denn mit den von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen das Interesse der Inhaber von Urheberrechten und der Strafverfolgung geschützt wird. Wie sollen denn mit den Maßnahmen Rechtsverletzungen verhindert oder verfolgt werden?", fragt der Jurist und IT-Experte Reto Mantz. In der Tat gibt es genügend Möglichkeiten, als nicht registrierter Nutzer über ein verschlüsseltes WLAN urheberrechtlich geschützte Daten herunterzuladen.
Nach Ansicht von Mantz zielt der Entwurf "auf ein Weniger an WLAN-Nutzung ab, weil über WLANs Rechtsverletzungen begangen werden könnten". Das Gesetz werde zu einem WLAN-Sterben führen, wenn es nicht einfach ignoriert oder umgangen werde, schreibt Mantz. Es sei daher besser, dass es nicht komme.
Ob der Entwurf in dieser Form vom Kabinett beschlossen wird und anschließend den Bundestag passiert, ist aber noch nicht sicher. Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) twitterte am Dienstag: "Für freies WLAN braucht es ein Ende der Störerhaftung. Wir setzen uns in Berlin dafür ein." Der SPD-Netzpolitiker Lars Klingbeil antwortete darauf nur knapp: "Überzeugt das Innenministerium!" Bleibt die Bundesregierung bei ihrem Entwurf, sollte sie ihn aber zumindest mit überzeugenderen Argumenten begründen.
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