Störerhaftung: Auf Wiedersehen vor dem EuGH
Mit seinem zweischneidigen Urteil zur Störerhaftung hat der EuGH die Rechtsunsicherheit für WLAN-Betreiber nicht beseitigt. Da sich die Koalition mit der Entscheidung bestätigt sieht, kommt es nun auf die Gerichte oder die EU an, wie mit Unterlassungsforderungen umgegangen wird.

Nach dem EuGH ist vor dem EuGH. Die Entscheidung der Luxemburger Richter vom Donnerstag, wonach kommerzielle Betreiber offener WLANs zur namentlichen Registrierung ihrer Nutzer gezwungen werden könnten, ist allenthalben auf Kritik gestoßen. Sollten deutsche Gerichte dies tatsächlich anordnen, dürften viele Anbieter wie Cafés oder Läden ihre Hotspots dichtmachen oder an andere Betreiber auslagern. Die Kanzlei des betroffenen Münchner Ladeninhabers Tobias McFadden kündigte an, die Frage notfalls wieder vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu klären.
Von der großen Koalition ist wohl nicht zu erwarten, dass sie die im Sommer beschlossene Änderung des Telemediengesetzes (TMG) noch einmal überarbeitet. Kritiker hatten Union und SPD vorgeworfen, die Rechtsunsicherheit von WLAN-Betreibern nicht vollständig beseitigt zu haben, weil Unterlassungsansprüche nicht ausgeschlossen worden seien. Doch die SPD-Fraktion im Bundestag sieht sich durch den EuGH in ihrer Auffassung bestätigt, "dass eine nationale Gesetzesänderung, die jede gerichtliche Anordnung pauschal ausschließt, europarechtlich keinen Bestand gehabt hätte".
Neues Gesetz gefordert
Dem widerspricht der IT-Rechtsexperte Ulf Buermeyer. Seiner Ansicht nach hat der nationale Gesetzgeber durchaus die Möglichkeit, solche Unterlassungsverfahren auszuschließen oder deren Kosten dem Rechteinhaber aufzuerlegen. Der EuGH habe zudem darauf verwiesen, dass das Europarecht keine nationalen Regelungen zu gerichtlichen oder behördlichen Verfügungen gegen WLANs verlange. Ähnlich äußerte sich der Jurist Carl Christian Müller auf Legal Tribune Online.
Die entsprechende E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG sieht in Artikel 12 in der Tat nur die "Möglichkeit" vor, dass nationale Gerichte oder Behörden vom Provider verlangen können, Rechtsverletzungen abzustellen oder zu verhindern. Die SPD-Fraktion ist hingegen der Ansicht, dass ein Mitgliedsstaat diese Möglichkeit nicht prinzipiell verbieten darf.
Besonders glücklich dürfte man in der Koalition mit den EuGH-Urteil allerdings nicht sein. Denn bei der Verabschiedung des neuen Telemediengesetzes ist man noch davon ausgegangen, dass die Gerichte im Grunde keine geeigneten Auflagen erteilen können, um künftige Rechtsverletzungen zu verhindern. Denn nach dem Schlussantrag des EuGH-Generalanwalts Maciej Szpunar waren Union und SPD davon ausgegangen, dass eine Verschlüsselungspflicht nicht angeordnet werden könnte. Von einem Abschalten des WLANs oder einer Kontrolle des Traffics ganz abgesehen.
Unterlassungserklärungen statt Schadenersatzforderungen
Doch nun können Rechteinhaber mit Verweis auf das EuGH-Urteil munter Unterlassungserklärungen an WLAN-Betreiber verschicken und Unterlassungsanordnungen bei Gericht beantragen. Damit verbunden wären die entsprechenden Anwaltskosten. Diese müsste der WLAN-Betreiber tragen, wenn er die Unterlassungserklärung unterzeichnet oder möglicherweise, wenn eine gerichtliche Anordnung erteilt wird. Nach Ansicht Müllers drohen Abmahnkosten in Höhe von knapp 1.000 Euro, da diese im Falle eines kommerziellen Anbieters nicht gedeckelt seien. Allerdings stellt sich die Frage, ob deutsche Gerichte tatsächlich wie der EuGH der Ansicht sind, mit einer namentlichen Registrierung von Nutzern würden beispielsweise illegale Uploads verhindert.
Bezeichnenderweise hat das höchste europäische Gericht davon gesprochen, dass eine solche Registrierung verbunden mit einem Passwort die Nutzer letztlich nur "abschrecken" kann, ein Urheberrecht oder verwandtes Schutzrecht zu verletzen. Doch wenn gleichzeitig zehn Cafébesucher das WLAN nutzen, lässt sich im Nachhinein genauso wenig wie vorher feststellen, wer für einen möglichen Gesetzesverstoß verantwortlich war. Zudem behauptet der EuGH, eine solche Registrierung lege nur "in marginaler Weise eine technische Modalität für die Ausübung der Tätigkeit dieses Anbieters" fest. Ein deutsches Gericht könnte allerdings wie die meisten Experten der Auffassung sein, dass eine solche Anordnung völlig impraktikabel ist und zudem zahlreiche Fragen zum Datenschutz aufwirft.
SPD fordert europäische Regelung
Die Kanzlei Hufschmid, die den Piraten McFadden im Prozess vertritt, will eine komplette Verschlüsselung des WLANs nicht akzeptieren. In dem Verfahren ist nun das Landgericht München I am Zug, das den EuGH angefragt hatte und nun zu prüfen hat, welche Sicherungsmaßnahme verhältnismäßig ist und wie der Passwortschutz und eine Registrierung aussehen könnten. Die Kanzlei kündigte bereits an, eine entsprechende Entscheidung wohl nicht zu akzeptieren. "Da letztendlich durch die Entscheidung des EuGH noch viele Fragen offen sind und die Verhältnismäßigkeit einer Sicherungsmaßnahme absolut umstritten ist, wird sich das Verfahren mit Sicherheit nicht in erster Instanz klären lassen", hieß es in einer Stellungnahme. Und "vielleicht gibt es ja vor dem EuGH ein Wiedersehen".
Letzten Endes bedeutet das aber weitere Jahre rechtlicher Unsicherheiten in Deutschland. Nach Ansicht der SPD-Fraktion ist nur auf europäischer Ebene möglich, dies zu ändern. Der europäische Rechtsrahmen müsse auf das von der EU-Kommission am Mittwoch formulierte Ziel ausgerichtet sein, bis 2020 jede europäische Kommune mit einem freien drahtlosen Internetzugang auszustatten. "Wenn europäische Vorgaben diesem Ziel entgegenstehen, müssen diese auf europäischer Ebene geändert werden", forderten die SPD-Abgeordneten. Aber auch dies dürfte einige Zeit in Anspruch nehmen.
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