Start der Fallout-Serie: Wenn der Atompilz so groß wie dein Daumen ist, renn!

Cooper Howard ist Schauspieler, sein Job heute ist: Cowboy bei einem Kindergeburtstag. Es ist ein fröhlicher Nachmittag, aber dass Unheil dräut, wird schnell klar. Denn Cooper erzählt seiner kleinen Tochter etwas, das er in der Armee gelernt hat.
"Wenn man den Daumen hochstreckt und der Atompilz dahinter verschwindet, sollte man weglaufen. Verschwindet der Pilz nicht, ist es zum Laufen zu spät."
Gleich darauf explodieren mehrere Atombomben in Los Angeles.
219 Jahre später setzt die Haupthandlung der neuen Serie Fallout ein, die in Deutschland in der Nacht zu morgen (11. April, 3 Uhr) bei Amazon Prime Video startet. Die Serie wurde von Fans heiß erwartet - von manchen vielleicht auch ein bisschen mit Sorge.
Denn die Macher haben einen ganz anderen Ansatz gewählt als etwa bei der gelungenen Serien-Verfilmung von The Last of Us : Lisa Joy und Jonathan Nolan entschieden sich dagegen, direkt eines der Spiele zu adaptieren. Sie entwickelten eine eigene Geschichte mit eigenen Figuren.
Die Serie beginnt mit dem Ende - dem Ende der Zivilisation, die nach dem Zweiten Weltkrieg bei der Nukleartechnik weit größere Fortschritte als in der Realität gemacht hat. So lebte man in einer retrofuturistischen Gemeinschaft, aus der heraus sich ein Ressourcenkrieg ergab. Dieser Krieg wird zu Beginn der Serie heiß.
Nach der Geburtstagsszene und dem Atombombenangriff springt die Serie in die Jahrhunderte entfernte Zukunft und in Vault 33. Die Vaults sind Silos, die errichtet wurden, um der Menschheit das Überleben zu sichern. Als das Silo angegriffen und ihr Vater entführt wird, beschließt Lucy MacLean, es zu verlassen und im Ödland von Los Angeles nach ihm zu suchen.
Ein gefährliches Unterfangen, wenn man nichts über die Welt da draußen weiß: Nicht mal, dass man nachts kein Feuer macht, weil es riesige mutierte Kakerlaken anlockt.
Ganz eigener Look - und Sound!
Schon die ersten Minuten leben vom Retrofeeling - als befände man sich in den 1950er Jahren. Danach kommt der Sprung in die Zukunft, der dieses Gefühl nicht ablegt und doch herrlich konterkariert. Etwa, wenn im Vault die Probleme der Wiederbevölkerung der Erde so angesprochen werden, wie es die Apple-Serie Silo nie getan hat.
Denn die verschiedenen Vaults kooperieren und zwecks der genetischen Vielfalt benötigt man Männer und Frauen anderer Vaults, um nicht im Inzest zu landen. So kommt es zur Vermählung der Hauptfigur Lucy mit einem Mann von Vault 32 - und zu knackiger Action, denn nichts ist, wie es scheint. Die Kämpfe sind drastisch umgesetzt. Das Blut spritzt, aber dennoch wirkt das Ganze nie brutal um des Brutalen willen.
Dabei hilft sicherlich auch die musikalische Untermalung; es werden Songs der 1950er und 1960er Jahre eingesetzt, die man schon lange nicht mehr (oder noch nie) gehört hat. Sie wirken anachronistisch und unterstreichen die merkwürdige Welt der Zukunft des 23. Jahrhunderts.
Keine Endzeit à la Mad Max, aber genauso gut
Es gibt drei Hauptfiguren: die von Ella Purnell (bekannt aus Yellowjackets) gespielte Lucy, den für die Brotherhood of Steel als Knappen tätigen Maximus (Aaron Moten) und den Ghoul. Der war einst Cooper Howard, lebt nun seit mehr als 200 Jahren und wird von Walton Goggins (The Shield) gespielt.
Der Ghoul ist kein Schurke - er ist ein Kopfgeldjäger und ein harter Hund. Es ist eine Rolle, die Goggins in seiner Karriere häufiger spielte. Das Besondere am Ghoul ist allerdings, dass er in seinem früheren Leben ein anderer war.
Bei seiner Darstellung ließ sich Goggins nicht von den Games, sondern von klassischen Western inspirieren(öffnet im neuen Fenster) : "In der Zeit, die ich im Make-up-Stuhl verbrachte, habe ich mir immer einen Film angesehen. Das half mir zu ergründen, wer der Ghoul und wer Cooper Howard ist." Er habe eine Menge John-Wayne-Western gesehen, die Clint-Eastwood-Filme von Sergio Leone, Henry Fonda in Spiel mir das Lied vom Tod, The Wild Bunch und einiges mehr.
Außerdem mit dabei sind Kyle MacLachlan ( Dune , Twin Peaks) als Lucys Vater und Michael Emerson (Lost) als Wilzig, ein Wissenschaftler, der das Ödland durchstreift und Lucy hilft.
Das Flair der Absurdität
Fallout ist eine ernsthafte Serie. Das muss sie auch sein, denn sie beginnt mit dem Ende der Zivilisation. Sie hat aber auch Dialoge, die einen Hauch von Surrealismus transportieren, und Momente, die am Absurden kratzen. Dies ist nicht die Endzeit à la Mad Max, eher schon erinnert sie an den kleinen Kultfilm Radioactive Dreams.
Die Höhe des Budgets gab Prime Video nicht bekannt, Fallout sieht aber teuer aus - und dann auch wieder nicht. Was das heißt? Die Sets sind ausladend und die Außenaufnahmen in der Wüste von Utah, aber auch im afrikanischen Namibia, sehen toll aus.
Manche Kreatur hingegen nicht so sehr. So gibt es eine Szene, in der ein in voller Rüstung agierender T-60 gegen einen mutierten Bären kämpft. Erst könnte man denken, es handele sich bei dem Bären um einen praktischen Effekt, dann ist es CGI, aber völlig überzeugend sieht die Sequenz nie aus.
Unterhaltsam ist sie aber, schon allein, weil der T-60 panisch davonläuft und ständig " Fuck " ruft, was von der reinen Bewegung her etwas absurd Witziges hat. Unter Umständen wollte man mit dem Bäreneffekt genau diese Wirkung erzielen.
Alle Folgen sofort verfügbar
Die erste Staffel besteht aus acht Folgen. Nolan, der zusammen mit Joy Westworld entwickelt hat, hat auch die ersten drei Folgen inszeniert. Showrunner wurden jedoch Geneva Robertson-Dworet und Graham Wagner, die auch das Skript zur ersten, mit 70 Minuten Laufzeit fast schon filmlangen Episode geschrieben haben.
Prime Video zeigt die acht Folgen übrigens nicht - wie oft bei dem Streamer üblich - Woche für Woche, sondern gleich alle auf einmal(öffnet im neuen Fenster) . In dem Sinne: Happy Binging!



