Stage Manager im Test: Apples Multitasking-Mumpitz

Apple hat iPad OS 16.1 für alle iPads freigegeben - und damit auch den Stage Manager für iPads mit M1- oder M2-Chip sowie das 11-Zoll-iPad-Pro ab der ersten und das 12,9-Zoll-iPad-Pro ab der dritten Generation. Apples Vorstellung von einem Multitasking-Modus für Tablets ist eine Mischung aus freischwebenden Fenstern, verschiedenen Desktops und neuen Wischgesten. Wir haben uns den Stage Manager angeschaut - und sind nicht überzeugt.
Die Grundidee des Features ist folgende: Bis zu vier Apps können in vier gleichzeitig angezeigten Spaces abgelegt werden, in denen sie als freischwebende Fenster dargestellt werden. Die Fenster können in der Größe angepasst werden - wenn die jeweilige App dies unterstützt. Chrome-Fenster etwa lassen sich in mehreren Stufen in der Breite und Höhe variieren, andere Apps wie etwa die von Sky hingegen nur vom Vollbild zu einem schwebenden Fenster ändern.
Wir verwenden iOS 16.1 mit dem Stage Manager auf einem aktuellen iPad Air , also auf einem Tablet mit Apples M1-Chip. Der Stage Manager funktioniert nur auf ausgewählten iPads , auf dem neuen iPad der 10. Generation hingegen nicht.
Apple aktiviert den Stage Manager nicht automatisch
Um den Stage Manager zu nutzen, müssen wir ihn erst aktiveren, und zwar in den Einstellungen unter Home-Bildschirm & Multitasking. Danach können wir ihn über die Schnelleinstellungen ein- und ausschalten. Dass Apple seine neue Multitasking-Funktion nicht automatisch aktiviert, dürfte daran liegen, dass der Stage Manager das bisherige Nutzungsprinzip eines iPads in wesentlichen Punkten über den Haufen wirft und - ohne eine Eingewöhnung - zunächst verwirrend wirkt.
An dieser Stelle zeigt sich das erste Problem: Da nicht alle Entwickler die verfügbaren Größenanpassungen nutzen, ist die Verwendung nicht einheitlich. Mal können wir mehrere Fenster wie unter MacOS oder Windows in unterschiedlichen, für uns passenden Größen nutzen, manchmal geht das aber auch nicht. Dies ist weniger Apple anzukreiden als den Entwicklern, nervt uns im Alltag aber schon.
Unsere vier verschiedenen Multitasking-Spaces werden in einer Leiste am linken Bildschirmrand angezeigt, die wir durch einen Wisch von links in den Bildschirm aufrufen. Die Spaces zeigen eine verkleinerte Ansicht der darin geöffneten Apps an, benennen können wir sie nicht.
Wird ein fünfter Stage-Manager-Space eröffnet, rutscht der bisher vierte aus der Ansicht. Aufgelöst wird er aber nicht, sondern existiert weiterhin - wir können ihn nur nicht mehr in der Leiste finden. In der Ansicht der zuletzt verwendeten Apps sind sämtliche Multitasking-Spaces weiterhin vorhanden. Auf unserem iPad Air wäre noch Platz für die Anzeige von mindestens zwei weiteren Spaces - Apple lässt diesen Platz leider ungenutzt.
Viele kleine Unzulänglichkeiten, die uns nerven
Auch den Umstand, dass wir vom Startbildschirm aus nicht die Spaces-Leiste am linken Bildschirmrand aufrufen können, finden wir unverständlich. Das geht nur, wenn wir eine App oder einen Space aufgerufen haben. Ein Wisch von links in den Startbildschirm hingegen öffnet wie gewohnt die Widget-Leiste. Apps werden bei aktivierter Stage-Manager-Funktion automatisch als schwebendes Fenster geöffnet und nicht im Vollbild.
Im Vollbild können wir Apps anzeigen, indem wir entweder über die drei kleinen Punkte am oberen Rand des App-Fensters den Vollbildmodus auswählen oder die kleine markierte Ecke am unteren Rand des App-Fensters verschieben. Diese Ecke ist meist schwarz, bei einigen Apps passenderweise aber auch weiß, wenn etwa die Anwendung selbst einen dunklen Hintergrund hat.
Warum die Ecke meistens rechts ist, manchmal aber auch in die linke untere Ecke wandert, verstehen wir nicht. Es kommt häufiger vor, dass wir in die rechte untere Ecke tippen, um dann festzustellen, dass das Verschiebe-Eckchen auf einmal auf der anderen Seite ist. Manchmal braucht der Stage Manager auch ein paar Sekunden, bis die Ecken überhaupt erscheinen. Mit dem Apple Pencil lassen sich die Eckchen übrigens nicht erfassen, warum auch immer.
Apps wechseln die Spaces mitunter
Haben wir uns einen Space aus Apps gebaut, etwa einen Kommunikations-Hub mit drei Chat-Apps, bleibt dieser nicht in jedem Fall so bestehen. Fügen wir eine der Apps in einen anderen Space ein, verschwindet sie aus dem vorigen. Die Spaces sind also nicht als eigenständige Desktops zu verstehen. Es ist möglich, eine einzige App mehrfach in einem Space abzulegen, etwa den Chrome-Browser, was wir praktisch finden. Schließen können wir eine App über die drei Punkte am oberen Rand.
Bei den Chat-Apps ist uns ein nerviger Bug aufgefallen: Verwenden wir drei Apps nebeneinander und wollen eine Textnachricht über Apples Magic Keyboard eingeben, blockiert die Anzeige der ausgewählten Sprache das hintere Drittel des Textfeldes. Die App wird schmal angezeigt und Apple hat offenbar übersehen, dass die Anzeige dann im Weg ist. Eines der vielen kleinen Zeichen, dass der Stage Manager noch nicht so fertig ist, wie man den Nutzern weismachen will.
Apple hat die schwebenden Fenster übrigens nicht komplett freischwebend gemacht ¬ warum, wissen wir nicht: Wir können die Positionen relativ frei wählen, allerdings docken die Fenster immer an vorbestimmten Stellen an. Bei der Nutzung zeigt uns das aber, dass es sich beim Stage Manager eben nicht um einen wirklichen Desktop-Modus handelt.
Dass uns dieser lieber gewesen wäre, merken wir spätestens, wenn wir das iPad Air an einen externen Monitor anschließen. Dank des Stage Managers ist Multitasking auf dem iPad auch und gerade mit angeschlossenem externem Display zwar komfortabler als vorher, eine hundertprozentige Desktop-Erfahrung ist es aber nicht.
Wir empfinden dies als verpasste Chance und fragen uns, was Apple davon abgehalten haben mag, einen richtigen Desktop-Modus zu implementieren. Vielleicht will Apple seine Macbooks nicht torpedieren - obwohl das Unternehmen in den letzten Jahren immer wieder betont, dass es sich etwa beim iPad Pro um einen Laptopersatz handele.
Braucht man überhaupt einen Multitasking-Modus?
Die Kollegen von The Verge(öffnet im neuen Fenster) werfen allerdings die spannende Frage auf, wie viele Nutzer tatsächlich ein Multitasking-System wie den Stage Manager benötigen. Auch wir haben uns diese Frage gestellt: Apple zeigt in seinen Präsentationen gerne, wie umfassend mehrere Apps gleichzeitig auf einem iPad genutzt werden können. Da werden Zeichnungen in einem Malprogramm erstellt und diese in eine Textdatei kopiert, die anschließend direkt in eine E-Mail gezogen und versendet wird. Parallel kann man noch den 4K-Film rendern, den man eben auf dem Tablet geschnitten hat.
Im Alltag der meisten Nutzer dürften derartige Szenarien jedoch kaum eine Rolle spielen. Wer bequem einen Text von einer Webseite in eine Textdatei kopieren will, braucht den Stage Manager nicht. Dafür ist nicht einmal die bisherige Multitasking-Möglichkeit des Split Screens notwendig, man kann auf einem iPad durch Wischbewegungen schon recht bequem zwischen einzelnen Apps wechseln. Wir fragen uns, wie viele iPad-Besitzer den Stage Manager letztlich überhaupt aktivieren, geschweige denn aktiv nutzen werden.
Fazit
Apples Stage Manager für iPads unterscheidet sich deutlich von der bisherigen Nutzerführung von iPad OS. Die Funktion scheint uns aktuell eine halbgare Lösung zu sein - für ein Problem, das die meisten iPad-Nutzer gar nicht haben dürften. Multitasking ist bei Tabletherstellern ein Buzzword, unserer Erfahrung nach verwenden die meisten Nutzer aber tendenziell nur eine App gleichzeitig.
Für einen echten Desktop-Ersatz ist der Stage Manager zumindest aktuell noch nicht ausgereift genug. Dass Spaces zwar noch vorhanden sind, aber nicht mehr in der Leiste angezeigt werden; dass manche Fenster sich relativ frei in der Größe einstellen lassen, andere hingegen nicht; dass die Verschiebe-Eckchen mal links, mal rechts sind - all das sind Probleme, die uns auf Dauer nerven.
Am Ende unseres Tests haben wir für uns festgestellt, dass wir den Stage Manager nicht benötigen ¬ und haben ihn wieder ausgestellt. Die Funktion erscheint uns schlicht unfertig. Wer Apples neues Multitasking ausprobieren möchte, muss das jüngst veröffentlichte iPad OS 16.1 installieren und ein kompatibles iPad mit besitzen.



