Stromlieferanten sind "schockiert"
Auf Anfrage von Golem.de teilte der Ökostromanbieter Lichtblick mit: "Der zwischenzeitlich vorgelegte Gesetzentwurf hat uns geradezu schockiert, da die dort skizzierten Rahmenbedingungen dazu geführt hätten, dass gerade Kunden, die sich im Sinne der Energiewende verhalten und zum Beispiel auf E-Mobilität, Wärmepumpen oder Stromspeicher umsteigen, von den Netzbetreibern sanktioniert worden wären. Sie hätten entweder drastische Einschnitte beim Strombezug hinnehmen oder aber sehr hohe Mehrkosten bis hin zu Baukostenzuschüssen aufbringen müssen."
Nach Ansicht des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (BNE) sind Verbraucher überfordert, wenn sie einschätzen sollen, "in welcher Höhe für sie eine unbedingte Leistung notwendig ist oder ob die teilflexible oder die vollflexible Variante für sie geeigneter ist". Solche Entscheidungen könnten nur "mit intensiver und individueller Beratung getroffen werden", heißt es in der 20-seitigen Stellungnahme (PDF).
Aus zwei Stunden können viel mehr werden
Darin rechnet der Verband auch vor, dass aus den zwei Stunden Spitzenglättung in der Praxis deutlich mehr werden könnten. Denn laut Gesetzentwurf gilt diese Begrenzung nur, wenn tatsächlich die komplette "bedingte" Leistung abgeschaltet wird. Wird nur ein Teil dieser Leistung reduziert, verlängert sich die Zeit um die entsprechende Quote. Bei einer Begrenzung auf ein Fünftel der "bedingten" Leistung verfünffacht sich die Zeitdauer auf zehn Stunden. Generell sieht der BNE die Einführung begrenzter Schaltzeiten "als einen (der wenigen Vorteile) dieses Gesetzentwurfs gegenüber heute".
In der Tat erscheinen zwei Stunden Abschaltung pro Tag recht viel. So hatte der Bundesverband Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) die Pläne im Juli 2017 mit dem Argument begründet: "Die Verteilnetzbetreiber wollen mitnichten generell die Haushalte der Endverbraucher steuern, sie wollen auch keine Marktimpulse konterkarieren." Jedoch müsse bei neuen Verbrauchern "generell die Frage gestellt werden, ob wir unsere Systeme noch auf die letzte Leistungsspitze auslegen wollen, oder wir nicht in Zukunft in wenigen Stunden (!) im Jahr akzeptieren, dass zum Beispiel die Schnellladung eines E-Fahrzeugs von 0 auf 100 Prozent 75 statt 60 Minuten dauert, wenn dadurch kritischen Systemzuständen vorgebeugt und ein volkswirtschaftlicher Gewinn durch vermiedene Netzausbaukosten in Milliardenhöhe generiert werden könnte."
Technik noch nicht verfügbar
Aus diesen "wenigen Stunden im Jahr" werden nun zwei Stunden pro Tag. Wobei der technische Aufwand gleich ist, beispielsweise durch Kommunikation über ein Smart-Meter-Gateway die Verbraucher abzuschalten. Dieses könnte mit Hilfe eines elektronischen Stromzählers dann auch den aktuellen Verbrauch übermitteln. Vorläufig dürfen die Netzbetreiber daher die Abschaltung auf Basis "statischer Zeitfenster" umsetzen. Darüber hinaus verlangt das Gesetz, dass der Netzbetreiber über diese Gateways "den Verbrauch stufenweise oder, sobald die technische Möglichkeit besteht, stufenlos ferngesteuert auf die vereinbarte unbedingte Anschlussleistung reduzieren kann".
Dem BNE zufolge ist im vorgesehenen Standardisierungsprozess noch gar nicht geklärt, auf welche Art und Weise die Steuerung über das intelligente Messsystem umgesetzt werden soll. Zudem sei bislang kein Termin absehbar, wann diese Funktion in den Gateways, die das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifizieren muss, dem Markt zur Verfügung stehen wird. Daher können die auf dem Markt befindlichen Lastmanagementsysteme oder Wallboxen eine solche Steuerung noch nicht umsetzen. Per Rundsteuerempfänger ist es jedoch schon möglich, die Leistung komplett oder um 50 Prozent zu reduzieren.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) lehnt die Pläne ebenfalls ab. Dies wäre nicht nur schlecht für die Besitzer von E-Autos, sondern auch für die Marktchancen von Herstellern, die nun E-Eutos auf den Markt bringen wollten, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller der Welt am Sonntag. Das würde die die Akzeptanz von Elektroautos gefährden.
Es ist kein Wunder, dass sich der BDEW völlig überrascht von der Rücknahme des Referentenentwurfs gezeigt hat.
Oder nutzen Sie das Golem-pur-Angebot
und lesen Golem.de
- ohne Werbung
- mit ausgeschaltetem Javascript
- mit RSS-Volltext-Feed
Spitzenglättung: Die Pläne zur Zwangsabschaltung von Wallboxen gehen zu weit | Energiewirtschaft ist sauer |
+1
Man kann sich damit ja einfach ja richtig schön vom Netzausbau drücken. Wenn dann mal 10...
Ich finde das alle Bestrebungen der Netzbetreiber an der Realität der Menschen vorbei...
Wenn alle gleichzeitig laden wollen, wird halt das Netz überlastet. Und dagegen muss man...