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Spionage: Die taz klärt ihre Keylogger-Affäre auf

Vorbildlich selbstkritisch hat sich die taz mit einer Affäre im eigenen Haus beschäftigt: Vor einem Jahr wurde ein Mitarbeiter erwischt, der seine Kollegen mit einem Keylogger ausspioniert hat. Das verunsicherte die gesamte Redaktion.
/ Hauke Gierow
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Der bei der taz eingesetzte Keylogger (Bild: (c) taz - mit freundlicher Genehmigung)
Der bei der taz eingesetzte Keylogger Bild: (c) taz - mit freundlicher Genehmigung

Vor etwas mehr als einem Jahr herrschte große Aufregung in der Tageszeitung (taz) - ein Mitarbeiter der Redaktion wurde dabei erwischt, wie er seine Kollegen mit einem USB-Keylogger ausspionierte . Er verschwand daraufhin spurlos - bis jetzt. In einer sehr detaillierten und selbstkritischen Recherche(öffnet im neuen Fenster) haben die taz-Redakteure Martin Kaul und Sebastian Erb nun nachvollzogen, wie sich die interne Stimmung in der Zeitung entwickelt hat, welche Fehler bei der Aufklärung gemacht wurden und wo der ehemalige Kollege sich heute aufhält.

Vertrauen soll zurückgewonnen werden

Die Chefredaktion der taz hatte unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorfalls Strafanzeige gestellt. Doch damit war es natürlich nicht getan. Die damalige Chefredakteurin Ines Pohl schrieb seinerzeit: "Das Wichtigste ist für uns dabei, die Vorkommnisse, soweit dies irgend möglich ist, aufzuklären und so das Vertrauen in die taz zurückzugewinnen - bei LeserInnen, Interviewpartnern und Informanten ebenso wie unter den KollegInnen." Die Aufklärung der Affäre soll helfen, dieses Vertrauen zurückzugewinnen.

In dem Bericht wird der ehemalige Redakteur jetzt auch von der taz selbst erstmals mit vollem Namen genannt. Eine Zeitung hatte direkt nach Bekanntwerden der Vorwürfe den vollständigen Namen an die Öffentlichkeit gebracht, was viele empört hatte.

Die Recherche der beiden taz-Journalisten zeigt, dass der Verdächtige die Überwachung aller Wahrscheinlichkeit nach aus eigenem Antrieb durchgeführt hat und nicht im Auftrag Dritter handelte. Offenbar waren vor allem die Rechner betroffen, an denen häufig Praktikantinnen gesessen haben. Der Redakteur soll sich sehr intensiv um das Praktikantenprogramm der Zeitung gekümmert haben, er veranstaltete immer wieder auch Partys bei sich zu Hause, zu denen er die jeweils aktuellen Praktikanten einlud.

Es hätten ab und zu Praktikantinnen berichtet, der Betreuer habe zu viel Nähe gesucht, jedoch "nicht in einem Maße, das als grenzüberschreitend empfunden" worden sei.

Der Keylogger wanderte durch die Redaktion

Der Keylogger wurde reihum an verschiedenen Rechnern im Büro der taz eingesetzt. Insgesamt konnten die Techniker, die die auf dem Stick gespeicherten Protokolle auswerteten, 23 betroffene Personen ermitteln. Unter den Ausgespähten waren vier Männer und 19 Frauen. Einige Personen waren direkte Vorgesetzte des Redakteurs, die überwiegende Zahl jedoch waren junge Praktikantinnen.

Bei keinem der ausgespähten Accounts sei es wahrscheinlich, dass dort brisantes Material ausgespäht werden konnte, heißt es. Unwahrscheinlich also, dass der Spion die taz nach kompromittierendem Material durchsuchen wollte. Anders als bei mehreren Zeitungsredaktionen, denen er eine unzureichende Trennung zwischen der Redaktion und dem Anzeigengeschäft unterstellt hatte. Dazu hatte er auch heimlich gemachte Aufnahmen aus seiner Zeit bei der Süddeutschen Zeitung auf seinem privaten Blog veröffentlicht - eine sehr umstrittene Aktion.

"Es ging wohl nicht um die taz als Presseorgan"

Die Redakteure halten es auf dieser Grundlage für unwahrscheinlich, dass es sich um einen koordinierten Angriff durch einen Nachrichtendienst handelt. "Es ging wohl nicht um die taz als Presseorgan" , heißt es in dem Artikel. Was bei vielen der festangestellten Redakteure für Erleichterung gesorgt habe, habe betroffene Praktikantinnen jedoch verunsichert - auch, weil nicht alle möglichen Opfer sofort über den Vorfall informiert worden seien. Die Redaktionsleitung hat jetzt angeboten, dass alle Betroffenen die über sie erhobenen Daten einsehen dürfen, wenn sie das wollen.

Und der ehemalige Kollege? Ihn finden die beiden Reporter in einer südostasiatischen Großstadt. Bereits wenige Tage, nachdem der Keylogger entdeckt wurde, verschwand der Mitarbeiter spurlos. Er räumte sein WG-Zimmer, meldete sich unbekannt ins Ausland ab und reagierte der Darstellung zufolge auf keinerlei Kontaktversuche mehr.

Wo genau er nun lebt, wird nicht erwähnt. Denn es gehe um die Aufklärung der Vergangenheit und nicht darum, sein heutiges Leben zu beeinflussen. Nur so viel: Das Land, in dem er lebt, hat kein Auslieferungsabkommen mit Deutschland. Kaul und Erb haben ihn dort aufgesucht. Er arbeitet dort, aber nicht als Journalist. Vielmehr ist er als Freelancer für ein großes Unternehmen im Bereich der Suchmaschinenoptimierung tätig. Reden wollte er nicht. "Zur Sache gibt's bislang nichts zu sagen."


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