Spaceman bei Netflix: Absolut einsam

Am Anfang stand eine Kurzgeschichte des in Prag geborenen und in den USA aufgewachsenen Schriftstellers Jaroslav Kalfar. Es ging um einen Astronauten, dessen Frau ihm während einer Mission mitteilt, dass sie sich scheiden lässt.
Aus dieser Geschichte machte Kalfar seinen Debütroman Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt(öffnet im neuen Fenster) . Im Jahr 2017 wurde er veröffentlicht und schon wenig später für eine Verfilmung optioniert.
Das Skript machte einige Wandlungen durch, gedreht wurde in der ersten Jahreshälfte 2021(öffnet im neuen Fenster) . Danach hing der Film lange Zeit in der Postproduktion.
Uraufgeführt wurde Spaceman auf der Berlinale 2024(öffnet im neuen Fenster) , nun ist er bei Netflix zu sehen. Es ist ein Film, der auch jenen ans Herz zu legen ist, die Adam Sandler nicht mögen. Spaceman ist einer seiner wenigen ernsthaften Filme - und Sandler ist großartig darin.
Allein im All
Es beginnt damit, dass sich am Himmel eine violette Wolke zeigt. Nur die tschechische Nation ist bereit, einen Kosmonauten ins All zu schicken, um das Phänomen genauer zu untersuchen. Der Kosmonaut ist Jakub Prochaska (Adam Sandler), er befindet sich seit sechs Monaten auf einer Solomission.
Prochaska ist einsam, isoliert und den eigenen Gedanken überlassen. Er möchte mit seiner Frau Lenka sprechen, aber die will nicht. Seine Kollegen auf der Erde finden Entschuldigungen, Lenka hat sich jedoch entschlossen, Jakub zu verlassen.
Als plötzlich ein Wesen in Jakubs Raumschiff auftaucht, wird er aus der Einsamkeit gerissen. Es sieht aus wie eine riesige Spinne, ist aber nicht gefährlich.
Das Spinnenwesen spricht mit ruhiger Stimme, Jakub nennt es Hanus. Hanus sieht Jakubs Gedanken, seine Liebe zu Lenka, doch auch einen Widerspruch: Jakub verzehrt sich wirklich nur nach Lenka, wenn er von ihr getrennt ist.
Ob dieser Schmerz einen Wert für ihn habe, fragt Hanus. Jakub weiß darauf keine Antwort.
Der einsamste Mensch im All
Regisseur Johan Renck, der die brillante Miniserie Chernobyl inszeniert hat, sieht in Spaceman keinen Science-Fiction-Film. Auch für die Zuschauer ist der Film in erster Linie eine Liebesgeschichte - ein Drama über die Einsamkeit und den Wunsch nach Zweisamkeit, der statt auf der Erde nun mal im All spielt.
Ob Hanus wirklich existiert oder eine Manifestation von Jakubs Unbewusstsein ist, um der Einsamkeit zu entfliehen, darüber sind sich die am Film Beteiligten nicht einig. Beide Ansätze sind legitim.
Jakub ist zur Introspektion gezwungen und kommt zu der Erkenntnis, dass seine Einsamkeit selbstverschuldet ist - dass es an ihm liegt, dass er 500 Millionen Kilometer von der Frau entfernt ist, die er liebt, die sein Kind in sich trägt und die ihn jetzt mehr denn je bräuchte.
Ein existenzialistischer Film
In seinen Roman integrierte der Autor das Spinnenwesen Hanus, weil er Jakub einen Freund geben wollte; jemanden, mit dem er reden konnte, um sein Leben und Verhalten zu reflektieren.
Im Roman sieht Hanus deutlich absurder aus, hat rotglänzende menschliche Lippen. Im Film ist Hanus eine eher klassische Spinne: zunächst furchteinflößend, weil riesengroß, dann aber immer sympathischer. Das ist der hervorragenden Leistung von Paul Dano im Original und der wundervollen Eindeutschung durch Timmo Niesner zu verdanken.
Spaceman ist eine Geschichte über den Anfang und das Ende und über den Weg, der von einem Punkt zu einem anderen führt. Der Weg offeriert zahlreiche Gabelungen, Momente, in denen man sich entscheiden kann - und gegebenenfalls falsch abbiegt.
Bei Jakub ist es der Ehrgeiz, der ihn dazu bringt, sich einer Aufgabe so sehr zu verschreiben, dass er alles andere ausblendet - und damit auch die Menschen, die er liebt. Es ist der Weg in die Einsamkeit, in die Isolation und in das Gefühl, alles verloren zu haben oder gerade zu verlieren.
Sandler spielt das großartig und zeigt einmal mehr, dass er in ernsthaften Rollen brillieren kann. Er spielt selten in Dramen, doch wenn er es tut, vergisst man den Kerl in den albernen Komödien. Das ist großes Schauspiel.
Technisch perfekt
Der Film sieht zudem gut aus. Die Schwerelosigkeit im Weltraum ist überzeugend umgesetzt, die CGI-Spinne ist eindrucksvoll und die Chopra getaufte Wolke wunderschön.
Spaceman ist die seltene Art von Film, die zur Interpretation einlädt, die Fundamentales über die menschliche Existenz zu sagen hat, aber nicht langweilig oder belehrend daherkommt, sondern direkt ins Herz trifft. Ein melancholischer Film über die unerträgliche Leichtigkeit des Seins und die spürbare Schwere absoluter Einsamkeit.



