Open-Source-Nahrung schmeckt nicht so gut
Nach der Zeit der eigenen Pulver-Experimente kam für Lachmann die Erkenntnis, dass fertig gemischte Pulver Zeit sparen und besser schmecken. Ein Moment, in dem der Open-Source-Gedanke von der Logik der Nahrungsmittelindustrie verschluckt wurde. Die Industrie kann es sich leisten, in großem Maßstab und intensiv mit Inhaltsstoffen und ihren Gewichtungen zu experimentieren.
Die Pulver-Industrie hat Soylent inzwischen auch bequem gemacht und bietet es fertig zubereitet an. Es gibt vorproduzierte Soylent-Riegel, die das Anrühren des Pulvers durch einen simplen Biss ersetzen. Lachmann sieht darin Ironie: "Wir haben die Inhaltsstoffe erst auseinandergenommen, um genau zu messen und zu kontrollieren, wie wir uns ernähren und jetzt wollen wir wieder die praktischen, vorgefertigten Pakete."
Etwas zwischen den Zähnen
Neben der bequemen Handhabbarkeit könnte auch ein anderer Grund hinter dem neuen Soylent-Riegel stehen: der Wunsch, buchstäblich mal wieder etwas zwischen den Zähnen zu haben. So gibt es im Netz mittlerweile Rezepttipps für Soylent-Muffins, die mit Pulver zuzubereiten sind. Kauen und Sättigung haben miteinander zu tun, das sagt zumindest Noel Cameron, Professor für Humanbiologie an der Universität von Loughborough. Lachmann sagt: "Das Kauen vermisse ich schon ab und zu, ich nehme dann einen Kaugummi."So weit, so pragmatisch.
Ein Widerspruch fällt auf: Lachmann spricht von der Befreiung, die ihm Soylent bietet. Gleichzeitig sagt er, das Thema Essen habe ihn im Grunde nie belastet. Dennoch unterzog er sich schon einmal in seinem Leben einem Ernährungsregime. Damals verlor er mit einem Abnehmprogramm 20 Kilogramm. Soylent diene diesem Zweck allerdings nicht, sagt er.
Ein Blick auf die Kalorienangaben der im Netz verfügbaren Fertigmischungen bestätigt diese Annahme. Eine Portion Soylent der Marke Actibest enthält 12 Gramm Zucker. Bei drei Mahlzeiten am Tag nimmt man damit ein Drittel mehr Zucker zu sich, als die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt.
Keine Überraschungen
In der genauen Nachprüfbarkeit der Inhaltsstoffe sowie der blitzschnell anzurührenden Pulverform liegen die Parallelen zwischen der Ich-habe-keine-Zeit-für-Essen-Mischung Soylent und seinem uncoolen, alten Abnehm-Cousin Slim Fast: Es geht immer um Zeitgewinn und Kontrolle über das, was mit dem Körper und damit mit dem Leben vor sich geht. Er hasse Überraschungen, sagt Lachmann. Als eine große Pleite seines Lebens nennt er eine Überraschungsparty, mit der ihm seine Eltern eine Freude hatten machen wollen. Für Lachmann ging das nach hinten los.
Für Menschen wie Frank Lachmann ist Soylent die Antwort auf eine Welt, in der Essen nicht mehr nur Essen sein kann, sondern uns jeden Tag Entscheidungen abringt. Biofleisch oder gar kein Fleisch? Sojamilch oder keine Tierprodukte mehr? Auf dem Heimweg in den Supermarkt oder eine Biokiste bestellen, die halb vergammelt, weil Zeit und Lust aufs Kochen im Alltag fehlen? Soylent erzeugt das Gefühl, die Dinge im Griff und die Antwort auf eine Menge Fragen zu haben. Und wenn es nur die danach ist, was es heute zum Abendessen gibt.
Eine letzte Frage allerdings bleibt. Wenn Kontrolle und Effizienz zu Lebenszielen werden, wie wirkt sich das auf die Bastion der Unkontrollierbarkeit aus, die Liebe? Wie ist das bei Frank Lachmann, wenn er sich einmal verliebt? Lachmann grinst. Das Verlieben habe er sich abgewöhnt.
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