Sonnensystem: Ist Saturn doch kein echter Gasriese?

In der Fachwelt gilt der Saturn als Gasriese. Doch der Astrophysiker Ravit Helled vom Zentrum für Theoretische Astrophysik und Kosmologie der Universität Zürich (Schweiz) sagt, dass unser Sonnensystem nur einen echten Gasriesen habe(öffnet im neuen Fenster) , nämlich Jupiter. Saturn, der große Ringplanet , habe diesen Status nicht erreicht.
Der Saturn ist fast 100-mal größer als die Erde - im Hinblick darauf ist er also tatsächlich ein Riese. Vergleicht man ihn aber mit Jupiter, wirkt er klein. Denn Jupiter ist fast dreimal so groß wie Saturn.
Beide Planeten bestehen aus vielen verschiedenen Gase, wobei Wasserstoff Helium den Großteil ihrer Atmosphären ausmachen (Saturn: ca. 96 Prozent Wasserstoff, etwa drei Prozent Helium sowie Anteile von Methan und Ammoniak; Jupiter: fast 90 Prozent Wasserstoff, circa zehn Prozent Helium sowie Anteile von Methan und Ammoniak). Sie sind sich ähnlich, weisen jedoch auch erhebliche Unterschiede auf, wie die Untersuchungen der Raumsonden Cassini und Juno - beides Missionen der US-Raumfahrtbehörde Nasa - zeigen. Das betrifft unter anderem die Mengen an schwereren Elementen, die tief in ihnen verborgen sind.
Die komplexe Entstehungsgeschichte eines Gasriesen
Die Entstehung eines Riesenplaneten ist eine komplexe Angelegenheit. Zu Beginn wirbelte eine Menge Material um die noch wachsende Sonne im Zentrum unseres Sternen- und Planetensystems herum. Dieses Material bestand zum größten Teil aus Wasserstoff und Helium mit einer Prise schwererer Elemente.
Doch als die junge Sonne anfing, sich aufzuheizen, blies sie den gesamten Wasserstoff und das Helium aus dem System. Das bedeutet, dass die Planeten lediglich ein kleines Zeitfenster hatten, um groß zu werden. Das konnten sie nur, indem sie immer mehr Masse anhäuften, denn je massereicher etwas ist, desto größer ist seine Anziehungskraft - und desto mehr Material kann ein entstehender Planet anhäufen.
Als die Sonne die leichten Elemente aus dem System blies, konnten die Planeten ihre Masse nicht weiter erhöhen. Jupiter hatte es zu diesem Zeitpunkt geschafft, zu einem echten Gasriesen anzuwachsen. Bisher ging die Fachwelt davon aus, dass er und der Saturn eine ähnliche Phase durchliefen, um ein Stadium zu erreichen, in dem sie in relativ kurzer Zeit eine enorme Menge an Material aufsaugen konnten.
Saturn konnte die kritische Phase nie erreichen
Laut Helled hatte der Saturn jedoch nie die Chance dazu. Die kritische Schwelle, bei der ein Planet eine exponentielle Menge an Wasserstoff und Helium gewinnen kann, liegt etwa beim 100-Fachen der Masse der Erde .
Jupiter übertrifft diese Schwelle mit Leichtigkeit. Damit saugte er den größten Teil des Materials im äußeren Sonnensystem auf, bevor die Sonne den Rest wegblies.
Uranus und Neptun waren dafür viel zu klein, der Saturn befindet sich genau in der Übergangszone. Wäre er nur ein wenig größer gewesen, hätte er vielleicht mit Jupiter um den Titel des größten Planeten des Sonnensystems konkurriert. Aber Saturn stagnierte.
Er war groß genug, um durch seine schiere Gravitationskraft eine beträchtliche Menge an Wasserstoff und Helium an sich zu ziehen. Den Prozess, noch mehr Elemente an sich zu binden und damit an Masse in kurzer Zeit zu gewinnen, konnte er jedoch nicht aktivieren.
Für Helled ist Saturn damit ein gescheiterter Gasriese. Warum genau Jupiter und Saturn in ihrer Entwicklung so unterschiedliche Wege gegangen sind, muss erst noch herausgefunden werden. Auch, ob dem Saturn der Status als Gasriese aberkannt wird, muss die Fachwelt erst noch diskutieren.
Zur Studie
Die Studie wurde zur Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics Letters angenommen und erschien am 26. Juni 2023 als Vorabdruck auf dem Pre-Print-Server arXiv.com. Der Titel: On the mass of gas giant planets: Is Saturn a failed gas giant?(öffnet im neuen Fenster) (Zur Masse von Gasriesenplaneten: Ist Saturn ein gescheiterter Gasriese?).



