Social Bots: Furcht vor den neuen Wahlkampfmaschinen

Können Social Bots im Internet so viel Ärger und Verwirrung stiften, dass es wahlentscheidend wird? Politiker sind besorgt, obwohl das Phänomen kaum erforscht ist.

Artikel von Patrick Beuth/Zeit Online veröffentlicht am
Social Bots sind bisher vor allem auf Twitter aktiv.
Social Bots sind bisher vor allem auf Twitter aktiv. (Bild: Dado Ruvic/Reuters)

Im Jahr der Bundestagswahl machen nicht nur gezielte Falschmeldungen, sondern auch Bots auf Twitter und Facebook einige Politiker nervös. Wie der Spiegel berichtete, wollen die Justizminister der Länder den Einsatz von Social Bots als "digitalen Hausfriedensbruch" zur Straftat erklären. Die Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt forderte am Montag in der Rheinischen Post eine gesetzlich vorgeschriebene Kennzeichnung maschinell erstellter Meldungen in sozialen Medien, also eine Art Anti-Bio-Siegel für Tweets.

Inhalt:
  1. Social Bots: Furcht vor den neuen Wahlkampfmaschinen
  2. 'Besonderes Multiplikatorpotenzial' in Deutschland

Auch im Bundestag ist das Thema angekommen. Am kommenden Mittwoch will sich der Ausschuss Digitale Agenda unter anderem mit dem Thema Bots befassen, am Donnerstag wird das Büro für Technikfolgen-Abschätzung dazu ein öffentliches Fachgespräch mit 20 Experten durchführen.

Bisher plant die Bundesregierung nicht, gesetzgeberisch gegen Social Bots tätig zu werden. Sie will erst einmal prüfen, ob das wirklich nötig ist - angesichts der dünnen Faktenlage ist das durchaus nachvollziehbar.

"Potenzial, das Vertrauen in die Demokratie zu unterlaufen"

Wie dünn diese ist, geht aus einem Thesenpapier des Büros für Technikfolgen-Abschätzung hervor. Das 16-seitige Dokument stellt einen Zwischenbericht zu einer Studie über Social Bots dar, die das Büro derzeit durchführt.

Zwar heißt es darin einerseits, Social Bots würden zur Manipulation oder Desinformation eingesetzt und ihre Entwickler könnten "bis auf wenige Ausnahmen nicht identifiziert oder rückverfolgt werden". Sie würden "momentan im Wesentlichem eingesetzt, Diskussionen inhaltlich zu verzerren, die Wichtigkeit von Themen oder die Popularität von Personen und Produkten künstlich zu überhöhen".

Dadurch trügen sie "zur Veränderung der politischen Debattenkultur im Internet bei und können durch die massenweise Verbreitung von (Falsch-)Nachrichten zu einer Desinformation und 'Klimavergiftung' im öffentlichen Diskurs führen". Die wissenschaftlichen Mitarbeiter des Bundestages schließen daraus: "Social Bots bergen das Potenzial, das Vertrauen in die Demokratie zu unterlaufen."

Andererseits betonen sie, das alles sei graue Theorie: "Die tatsächlichen Effekte der Social Bots auf die politische Meinungsbildung und wirtschaftliche Prozesse beruhen jedoch überwiegend noch auf Annahmen, weil keine der bisherigen Studien einen gesicherten Nachweis der Wirkungen und Effekte von Social Bots liefern konnte."

Vor allem für einen unmittelbaren Effekt der automatisierten Propaganda gibt es derzeit keinerlei Beleg. Einer der Forscher, auf den sich die Bundestags-Mitarbeiter berufen, ist der Politikwissenschaftler Simon Hegelich. Er schreibt in einer eigenen Analyse für die Konrad-Adenauer-Stiftung, es sei "relativ sicher ausgeschlossen, dass Manipulation quasi auf Zuruf der Bots passiert: Alle Studien sprechen dagegen, dass jemand seine politische Überzeugung ändert, nur weil er eine Nachricht in den sozialen Netzwerken sieht".

Auch quantitative Aussagen sind für Deutschland bisher kaum möglich. Zitat aus dem Thesenpapier aus dem Bundestag: "In den Foren der deutschen Parteien scheinen Social Bots - im Vergleich zu den USA - noch keine gewichtige Rolle zu spielen."

Twitter hat in Deutschland nur wenige Nutzer

Das hat auch etwas mit der Technik zu tun. Um einen Bot auf ein soziales Netzwerk loslassen zu können, braucht ein Entwickler den Zugang zu diesem Netzwerk über dessen Programmierschnittstelle (API). Die sozialen Netzwerke haben alle so eine API, aber sie gewähren den Entwicklern unterschiedlich viele Rechte. Andree Thieltges, der im Projekt Social Media Forensics der Universität Siegen über Manipulationstechniken in sozialen Medien forscht, sagt im Gespräch mit Zeit Online: "Technisch ist es besonders einfach, Bots für Twitter zu entwickeln. Auf Facebook ist das schwieriger, aber ich könnte mir vorstellen, dass das Botaufkommen in Facebook bei einem so singulären Ereignis wie der Bundestagswahl zumindest ansteigt. Und ich gehe davon aus, dass in der heißen Phase des Wahlkampfs auch die Kommentarseiten mancher Medien ganz anders von Bots frequentiert werden als bisher."

Im Thesenpapier aus dem Bundestag heißt es dazu: "Der primäre Wirkungsraum für Social-Bot-Aktivitäten scheint - zumindest momentan - Twitter zu sein." Es gibt aber einen wichtigen Unterschied zu den USA, wo im Wahlkampf einer Untersuchung zufolge zeitweise 19 Prozent aller Pro-Trump- oder Pro-Clinton-Botschaften von Twitter-Bots verbreitet wurden: Dort hat Twitter nach eigenen Angaben 67 Millionen aktive Nutzer, geschätzt hat also jeder vierte Wahlberechtigte ein Twitter-Konto. Auf diesen Wert kommt auch das Pew Research Center. Genaue Zahlen für Deutschland gibt das Unternehmen nicht heraus, aber je nach Schätzung und Messmethode gibt es hier zwischen vier Millionen und weniger als einer Million aktive Nutzer, das wäre bestenfalls jeder 15., vielleicht aber auch nur jeder 62. Wahlberechtigte.

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'Besonderes Multiplikatorpotenzial' in Deutschland 
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User_x 24. Jan 2017

Zumindest beim terrorismus hätte man was machen können, dafür sind die westlichen staaten...

emuuu 24. Jan 2017

OT aber habe mir das gerade durchgelesen: Wäre das ganze Thema nicht mit einer negativen...

nonono 24. Jan 2017

Nette Daten. Belegt meine Aussage ja mit mehr oder weniger Fakten. In einem kann ich aber...

tonictrinker 24. Jan 2017

So sehe ich das auch. Vor allem kann es nicht sein, dass durch offensichtliche...



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