Snapdragon X Elite: Qualcomm setzt mit dem Snapdragon X Elite voll auf Risiko

Der diesjährige Snapdragon Summit von Qualcomm unterschied sich signifikant von der Vorjahresveranstaltung: Das ansonsten dominante Mobile-SoC Snapdragon 8 spielte in der 3. Generation eine untergeordnete Rolle - bis dato war das Chipset immer der Star der Veranstaltung.
Diese Ehre gebührte im Jahr 2023 dem Snapdragon X Elite , Qualcomms neuem Notebook-SoC, das die bisherige 8cx-Serie nicht nur vom Namen her ablöst. Qualcomm scheint beim Thema ARM-basierte Notebook-SoCs nach Jahren der stiefmütterlichen Behandlung endlich all-in gehen zu wollen und präsentiert einen Chip, der sehr leistungsfähig ist und sich in verschiedenen TDP-Varianten nutzen lässt.
Wie stark der Bruch mit den bisherigen ARM-Notebook-Chips von Qualcomm ist, zeigte sich auf der Keynote des Snapdragon Summit 2023: Bei der Vorstellung des Snapdragon X Elite behandelten die Manager das Thema beinahe so, als sei das Chipset Qualcomms erstes Notebook-SoC - die bisherigen (recht erfolglosen) Versuche auf dem Gebiet wurden verschwiegen.
Oryon-Chips haben bei Qualcomm alles verändert
Zugegebenermaßen ist der Snapdragon X Elite mit den bisherigen 8cx-Chips aber auch kaum vergleichbar: Der Zukauf von Nuvia, gegründet vom ehemaligen Apple-Ingenieur Gerard Williams, und die Weiterentwicklung und Verwendung von deren Oryon-Chips machen das neue SoC wesentlich leistungsfähiger und konkurrenzfähiger als Qualcomms bisherige Versuche.
Wie leistungsfähig der Snapdragon X Elite ist, zeigt sich in den Benchmark-Zahlen. Wie beim Snapdragon 8 Gen 3 konnte Golem.de zusammen mit den anderen Journalisten auf dem Snapdragon Summit keine eigenen Benchmark-Tests auf den beiden Referenzgeräten laufen lassen. Stattdessen starteten Qualcomm-Mitarbeiter die Tests - kein ideales Szenario, für einen ersten Überblick aber ausreichend.
Zum Einsatz kamen zwei Referenz-Designs von Laptops mit dem Snapdragon X Elite in verschiedenen Leistungsstufen. In der Konfiguration A hat das Notebook maximal 80 Watt, ein 15,6 Zoll großes TFT-Display mit 3.840 x 2.160 Pixeln, einen 87-Wh-Akku und eine Höhe von 16,8 mm. Die Konfiguration B ist lüfterlos mit 23 Watt und hat ein 14,5 Zoll großes OLED-Display mit 2.880 x 1.800 Pixeln und einen 58-Wh-Akku. Mit 15 mm ist das zweite Gerät dünner.
Snapdragon X Elite holt X86-Konkurrenz ein
In den von Qualcomm gezeigten Benchmarks holt der Snapdragon X Elite sogar die x86-Konkurrenz ein. Mit bis zu 2.940 Punkten im Geekbench 6.2 Single-Thread-Benchmark und 132 Punkten in Cinebench 2024 kann die CPU bei entsprechendem Leistungsbudget Intels mobile Raptor-Lake-Prozessoren sowie AMDs Zen4 einholen. Apple M2-SoCs werden hier klar geschlagen.
Bei den Multi-Thread-Benchmarks kommt es auf das Leistungsbudget an. Das Notebook mit 20 Watt Powerlimit kann mit 35-Watt-Prozessoren von AMD und Intel mithalten, während das Referenzsystem mit 80 Watt Leistungsbudget, was effektiv einem offenen Powerlimit gleicht, rund 20 Prozent schneller ist.
Der Apple M2 ist mit acht Kernen (4 Performance-Kerne + 4 Effizienzkerne) in Multi-Thread-Benchmarks chancenlos, auch der M2 Max tut sich mit nur acht P-Cores schwer. Alle drei Hersteller haben aber schnellere CPUs im Angebot, die auf Kosten von höherer Leistungsaufnahme schneller als der Snapdragon X Elite sind. Gegenüber x86-Prozessoren gibt Qualcomm entsprechend bis zu 70 Prozent höhere Energieeffizienz an.
Die Konkurrenz schläft nicht
Gerade im Notebook-Bereich dürfte Qualcomm zusammen mit Microsoft eine kleine Revolution einläuten. So hohe Effizienz, ohne dabei auf einen Großteil der Performance verzichten zu müssen, gab es in Windows-Laptops bisher nicht. Lediglich Apple schafft das bisher, und zwar ebenfalls mit ARM-basierten Prozessoren.
Im Vakuum passiert das aber keinesfalls. AMD und Nvidia sollen ihrerseits bereits an ARM-Designs arbeiten. Auch bei Intel ist das Thema Effizienz bei gleichzeitig hoher Spitzenleistung spätestens mit Meteor Lake ebenfalls in den Fokus gerückt. Der Hersteller wird in den nächsten Jahren genau beobachten müssen, ob x86 im Mobilbereich weiterhin die beste Wahl sein kann.
Nvidia setzt ARM-Kerne bereits in KI-Beschleunigern ein, wo hohe Leistung neben der Flexibilität durch anpassbare Designs eines der Hauptkriterien ist. Der Sprung zum SoC für den Einsatz in Notebooks, mutmaßlich mit integrierter Nvidia-GPU samt KI-Beschleuniger, ist da nicht mehr weit.
Qualcomm braucht Partner
Es wird deshalb für Qualcomm auch darauf ankommen, die Zusammenarbeit mit den Notebook-Herstellern und Microsoft zu stärken, um gemeinsam ein passendes Gesamtpaket liefern zu können. In diesem Punkt könnten etablierte CPU- und GPU-Hersteller die Nase vorn haben, denn sie arbeiten teilweise seit Jahrzehnten mit Notebook-Herstellern eng zusammen - ein Risiko für Qualcomm.
Auf dem Snapdragon Summit 2023 haben allerdings zahlreiche Hardware-Hersteller ihre Zusammenarbeit mit Qualcomm angekündigt, unter anderem Lenovo und Dell. Die Notwendigkeit von Partnern - sowohl bei der Software als auch bei der Hardware - dürfte für Qualcomm aber das größte Risiko für den Erfolg der neuen Notebook-Chip-Offensive sein.
Eine große Rolle bei der Vorstellung des Snapdragon X Elite (wie auch bei der des Snapdragon 8 Gen 3) spielte bei Qualcomm das Thema KI. Sowohl der Elite als auch der 8 Gen 3 verfügen über eine Hexagon-NPU, die verschiedene Modelle komplett auf dem Chip laufen lassen kann - mit diesem Punkt scheint man sich von der Konkurrenz abgrenzen zu wollen. Die NPUs der beiden SoCs sind dabei gleich aufgebaut, die des Snapdragon X Elite ist allerdings leistungsfähiger, unter anderem dank zusätzlicher Kerne.
Wird KI den Unterschied bringen?
Da die KI-Modelle direkt auf dem Snapdragon X Elite laufen, sollen sich unter anderem Sprachassistenten auf die persönlichen Bedürfnisse der Nutzer trainieren lassen. Als Anwender hat man eine KI auf den Rechner, die beispielsweise über das Alter oder die Hobbys Bescheid weiß - und all das ohne die Nutzung einer Cloud. In Gesprächen mit Qualcomm-Managern zeigte sich allerdings, dass sich das Unternehmen noch keine Gedanken gemacht zu haben scheint, was bei einem Umzug auf ein neues Gerät passieren soll.
Denkbar sei, dass das Modell gespeichert und auf das neue Notebook übertragen wird, erklärte ein Manager in einer Fragerunde. Grundsätzlich ist fraglich, wie stark persönliche Assistenten überhaupt von den Nutzern im Alltag verwendet werden. Die von Qualcomm gezeigten Demos arbeiteten stellenweise eher unzuverlässig, was sich durch verbesserte Modelle allerdings natürlich ändern lässt.
Qualcomms scheint es mit dem Snapdragon X Elite ernster zu nehmen als bei seinen vorigen Notebook-Chips. Dabei soll der Einsatz nicht nur auf PCs beschränkt bleiben - auf dem Snapdragon Summit betonte das Unternehmen mehrfach, dass der Chip auch in andere Geräteklassen kommen soll. Wenn mit den Partnern alles gut läuft und auch Microsoft Windows endlich für ARM-Chips optimiert, könnte Qualcomms Offensive erfolgreich sein. Allerdings wird die Konkurrenz dabei ein Wörtchen mitzureden haben.
Offenlegung: Golem.de hat auf Einladung von Qualcomm hin am Snapdragon Summit auf Maui teilgenommen, die Reise- und Hotelkosten wurden anteilig von Qualcomm übernommen. Unsere Berichterstattung ist davon nicht beeinflusst und bleibt gewohnt neutral und kritisch. Der Artikel ist, wie alle anderen auf unserem Portal, unabhängig verfasst und unterliegt keinerlei Vorgaben seitens Dritter.



