Snapdragon 888 im Detail: Der glückliche 5-nm-Prozessor

Wäre der Snapdragon 888 eine Person, könnte er sich glücklich schätzen, so zu heißen: In China wird die Acht ähnlich ausgesprochen wie Erfolg haben und zwei der Schriftzeichen erinnern an Freude - der Snapdragon 888 ist also gleich eine doppelte Andeutung. Einen erfolgreichen Start dürfte der Smartphone-Chip ebenfalls aufweisen, denn viele asiatische Hersteller werden das SoC in den kommenden Monaten in ihren Geräten einsetzen.
Intern wird der Snapdragon 888 als SM8350 geführt, der Codename lautet Lahaina - erneut eine Stadt auf Hawaii, was schon beim Snapdragon 865 alias Kona so umgesetzt wurde. Technisch unterscheiden sich die beiden Systems-on-a-Chip allerdings drastisch, denn Qualcomm integriert das 5G-Modem wieder und wechselt den Auftragsfertiger.
Entstand der Snapdragon 865 noch bei TSMC im N7P-Verfahren mit Immersionslithografie (DUV), wird der Snapdragon 888 im 5LPE-Node bei Samsung Foundry mit extrem ultravioletter Belichtung ( EUV ) produziert. Zur Chip-Fläche und der Transistormenge äußerte sich Qualcomm wie üblich nicht, hier werden Teardowns zeigen, ob das Die kompakter ausfällt - denn der Snapdragon 865 war ziemlich groß.

















Als 5G-Baseband verwendet Qualcomm das bekannte Snapdragon X60 inklusive statt in dedizierter Form: Das Modem liefert bis zu 7,5 GBit/s im Downstream und bis zu 3 GBit/s im Upstream - das ältere Snapdragon X55 liefert kaum weniger. Hierzu sind acht zusammengeschaltete Frequenzblöcke für 800 MHz via 2x2-MIMO-Antennen-Layout im mmWave-Spektrum notwendig, für Sub-6-GHz sind es 200 MHz per 4x4-MIMO.
Wichtiger ist die Bündelung von Sub-6-GHz- und mmWave-Kanälen, denn die Aggregation der Bänder sorgt für eine bessere Abdeckung und somit in der Praxis für eine höhere Leistung. Passend dazu hat Qualcomm mit dem QTM535 ein kompakteres mmWave-Antennenmodul konstruiert, damit es weniger Platzprobleme beim Einsatz mehrerer davon gibt. In einem Smartphone ist das notwendig, da mmWave empfindlich reagiert, wenn Finger oder Handteller die Frequenzen stören. Eine der neuen Funktionen des Snapdragon X60 ist Telefonieren über 5G, also Voice over New Radio (VoNR).

















Auch das WLAN-Modul ist ein externer 14-nm-Chip, so wie schon beim Snapdragon 865/855. Das sogenannte Fast Connect 6900 unterstützt WiFi6E (802.11ax) mit 8x8 MIMO und 4096-QAM für gleich 3,6 GBit/s anstelle von 1,733 GBit/s an Bruttodatenrate, außerdem integriert es Bluetooth 5.2 statt zuvor Bluetooth 5.1. Dank Bluetooth LE Audio sind parallele Audioströme auf mehreren Bluetooth-Geräten möglich, auch gibt es eine Broadcast-Funktion. Für 802.11ad und 802.11ay im 60-GHz-Band braucht es ebenfalls weiterhin einen optionalen Chip auf der Smartphone-Platine.
Schneller, breiter, dreifach
Bei den CPU-Kernen hält Qualcomm an einer 1+3+4-Konfiguration fest, jedoch mit zwei Änderungen: Die vier effizienten Cortex-A55 mit 1,84 GHz bleiben erhalten, die drei Cortex-A77 wurden durch flottere Cortex-A78 mit weiterhin 2,42 GHz ersetzt. ARM nennt eine um 7 Prozent höhere Performance bei 5 Prozent weniger Energie, was der Effizienz zugute kommt. Der Prime-Core wird erstmals von einem Cortex-X1 mit erneut 2,84 GHz gestellt, dessen IPC laut ARM satte 22 Prozent über der eines Cortex-A78 liegt. Der als Kryo 680 bezeichnete CPU-Block des Snapdragon 888 soll unter dem Strich somit 25 Prozent schneller und dabei 25 Prozent effizienter sein.
Als Grafikeinheit integriert Qualcomm eine Adreno 660, diese soll bei 3D-Rendering gleich bis zu 35 Prozent schneller sein als die bisherige Adreno 650, was primär den 840 MHz statt zuvor knapp 600 MHz geschuldet ist. Dazu gibt es eine Hardware-Unterstützung für Variable Rate Shading (VRS), wodurch die Bildrate in Smarthpone-Games je nach Implementierung um bis zu 30 Prozent steigen soll. VRS reduziert die Auflösung bestimmter Bereiche, wodurch Spiele mit mehr Frames teils ohne sichtbaren Qualitätsverlust laufen. Die Adreno 660 nutzt bis zu 4x4 Pixel als einzelne Blöcke, was den Rendering-Aufwand entsprechend reduziert.
Eine neue Technik ist Game Quick Touch, damit soll die Eingabelatenz in Spielen um 10 Prozent (120 fps) bis 20 Prozent (60 fps) reduziert werden. Apropos Display: Der Snapdagon 888 unterstützt interne Panels mit 4K bei 60 Hz oder mit 3.200 x 1.800 Pixeln bei 144 Hz, wobei Dolby Vision sowie HDR10(+) und Rec2020 geboten werden. Das SoC kann H.265 und VP9 decodieren, aber nicht mit AV1 umgehen. Der System Level Cache (SLC) für die CPU-Kerne, die Grafikeinheit und weitere IP-Blöcke fasst wieder 3 MByte. Das 64-Bit-Speicherinterface für 16 GByte Kapazität unterstützt neben LPDDR4X-4266 auch LPDDR5-6400.

















Kräftig überarbeitet hat Qualcomm den DSP (Digital Signal Processor), der nun Hexagon 780 heißt: Die Tensor-Einheit soll doppelt so schnell sein, die Scalar-Einheit wurde immerhin 50 Prozent flotter und es gibt neue Vector-Erweiterungen (HVX). Vor allem aber wurden die Funktionsblöcke zu einem großen kombiniert und mit einem kohärenten SRAM versehen, der die 16-fache Menge an Daten lokal vorhält. Insgesamt spricht Qualcomm von 26 Teraops (INT8) statt 15 Teraops wie bisher, wobei der Sensing-Hub Gen2 als Always-on-Block per Tensorflow Micro den Hexagon entlastet.
Das hilft, die Foto- und Video-Verarbeitung zu beschleunigen, denn auch der ISP (Image Signal Processor) wurde aufgewertet. Der Spectra 680 schafft einen Durchsatz von 2,7 GPix/s anstelle von 2 GPix/s und kann bis zu 200 Megapixel nutzen, allerdings stellen Sensoren wie Sonys Isocell Bright HMX mit 108 Megapixeln derzeit das Limit dar. Ohne Auslöseverzögerung sind beim Snapdragon 888 erstmals 84 statt 64 Megapixel möglich, per Burst zudem 120 Fotos mit je 12 Megapixeln. HEIF (High Efficiency Image File Format) für Bilder wird wie gehabt unterstützt, jedoch mit HDR10 und Rec2020.

















Neu ist, dass der ISP drei- statt zweigeteilt wurde, womit Triple-Capturing mit jeweils 28 MPix pro Foto und Linse umgesetzt werden können. Spannend wird es bei HDR-Videos, da hier ebenfalls drei parallele Streams die Image Signal Processors durchlaufen, was die Bildqualität dank drei unterschiedlichen Belichtungen (Computational Staggered HDR) deutlich verbessern soll. Bei der generellen Aufnahme bleibt es bei 8K30-SDR oder 4K120-SDR und 720p960 für Zeitlupe, hier wird der H.265-Codec (HEVC) verwendet.
Als OEM-Partner für den Snapdragon 888 nennt Qualcomm neben Asus auch Black Shark, LG, Meizu, Motorola, Nubia, Realme, One Plus, Oppo, Sharp, Bivo, Xiaomi und ZTE. Wie üblich erwarten wir erste Geräte im nächsten Frühjahr, wobei wir vor allem auf den Cortex-X1-Kern und die Akkulaufzeiten mit integriertem 5G-Modem gespannt sind.
Offenlegung : Golem.de hat auf Einladung von Qualcomm hin am Snapdragon Summit in Wailea teilgenommen, die Reise- und Hotelkosten wurden von Qualcomm übernommen. Unsere Berichterstattung ist davon nicht beeinflusst und bleibt gewohnt neutral und kritisch. Der Artikel ist, wie alle anderen auf unserem Portal, unabhängig verfasst und unterliegt keinerlei Vorgaben seitens Dritter.



