Smart-Meter-Rollout: Wenn der Installateur keine Hochsicherheitsbox mehr braucht

Gas und Öl sind knapp, die Preise schießen durch die Decke. Solar und Wind versprechen einen Ausweg, doch ohne einen umfassenden Ausbau und ohne Digitalisierung ist die vielfach beschworene Energiewende nicht möglich. Ein wichtiger Baustein ist der intelligente Stromzähler, dessen Rollout das Bundeswirtschaftsministerium bereits 2008 verkündete. Nun soll die Auslieferung der Smart Meter nach dem Willen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) endlich Fahrt aufnehmen.
Denn die meisten Verbraucher wollen durchaus mehr über ihren Stromverbrauch wissen, wie eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom im März 2022 zeigte(öffnet im neuen Fenster) : 40 Prozent der Befragten wissen nicht einmal, wie viel Strom sie pro Jahr verbrauchen. 69 Prozent wünschen sich aber "präzisere und leichter zugängliche Informationen über ihren Stromverbrauch" - und 57 Prozent würden dazu ein Smart Meter nutzen oder können sich das zumindest vorstellen.
"Gesetzlicher Fahrplan mit Rollout-Zielen"
Das soll nun vorankommen: Vergangene Woche kündigte Habeck auf einer Veranstaltung der Deutschen-Energie Agentur Dena einen Neustart an. Viele der rechtlichen Barrieren sollen mit der Novelle des Messstellenbetriebsgesetzes (MsbG)(öffnet im neuen Fenster) fallen, der Betrieb der Geräte soll jedoch sicher bleiben. Von Mitte November an soll der Entwurf, der einen "verbindlichen gesetzlichen Fahrplan mit Rollout-Zielen" enthalten soll, mit anderen Bundesministerien abgestimmt werden. Zu den Details des Fahrplans äußerte sich der Minister nicht.
Zuletzt geriet der ohnehin schon verzögerte Ausbau ins Stocken , als das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) im Mai 2022 eine Allgemeinverfügung zum verpflichtenden Einbau des Smart Meters zurückzog. Vorangegangen war eine Entscheidung des Oberveraltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom März 2021 , das die Verfügung teilweise im Eilbeschluss aussetzte.
Nun gelte es aber, sagte Robert Habeck, das "große Versprechen" der Smart-Meter-Technik möglichst unkompliziert einzulösen. Verbraucher sollen nach der Installation der intelligenten Systeme ihren Energieverbrauch selbst steuern können: Die Waschmaschine soll dann laufen, wenn besonders viel Energie über Wind oder Sonne zur Verfügung steht. Der Waschvorgang soll dann nicht mehr als Wasser und Seife kosten. Das setzt allerdings entsprechend ausgerüstete Geräte voraus .
"Wer loslegen will, soll loslegen können" , versprach Robert Habeck. Wer noch eine Anlaufphase brauche, solle diese erhalten. Es sei jederzeit möglich, mit Updates und Aktualisierungen nachzubessern, versicherte Habeck mit Blick darauf, dass die Komplexität des Rollouts mit jeder Menge Kinderkrankheiten und hohen Fehlerquoten(öffnet im neuen Fenster) verbunden sein wird.
Intelligente Steuerung für stabile Netze
Es gibt noch einen weiteren Grund, warum Habeck auf ein erhöhtes Tempo drängt: Ohne Digitalisierung ist die Energiewende weg von fossilen Energieträgern hin zu regenerativen Energien technisch nicht machbar. Wenn es mit Auf-Dach-Solaranlagen, Wärmepumpen und Elektromobilen jede Menge neue dezentrale Erzeuger und Verbraucher gibt, ist ein Netz ohne eine intelligente Steuerung nur schwer stabil zu halten. Die Stromnetzbetreiber fordern daher seit Jahren , Verbrauch, Erzeugung und Speicherung von elektrischer Energie digital erfassen und flexibel steuern zu können.
Rainer Stock, Abteilungsleiter für Energiewirtschaft beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU) sagte: "Wenn jetzt sich die halbe Republik im Baumarkt im Heizlüftern eindeckt , die 1 bis 2 kW ziehen, möglicherweise sogar mit Wärmepumpen, die das Drei- bis Fünffache an Strom brauchen, wäre es besser, wenn wir diese Geräte steuern könnten. Denn sonst schalten wir damit ganz schnell einen Verteilnetzstrang aus."
Mit der sogenannten Spitzenglättung , etwa abends zwischen 18 und 20 Uhr, ließen sich Lastspitzen reduzieren. Eine aktuelle Studie von Fraunhofer IEE(öffnet im neuen Fenster) (PDF) zeigt, dass dies auch abhängig vom Netzzustand und dem jeweiligen Tarifmodell intelligent gesteuert werden könnte.
Militärisches Sicherheitsniveau
Dass der Rollout jahrelang nicht von der Stelle gekommen sei, "liegt ein bisschen daran, dass wir in Deutschland nicht Agilitätsweltmeister sind, sondern Komplexitätsweltmeister" , sagte Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (bne). Entstanden sei so ein System, das ein militärisches Sicherheitsniveau erfülle - angefangen bei der Zertifizierung bis hin zur Kontrolle der Lieferkette. Für ihn ist klar: "Das Zauberwort ist Komplexitätsreduktion und Wettbewerb."
Habeck hält es nicht mehr für notwendig, die Lieferkette von Lagerung bis Transport wie bisher abzusichern: "Wenn wir Hochsicherheitsgeräte haben, sollten wir nicht zu ängstlich sein, dass diese Geräte noch auf dem Weg vom Hersteller zum Einbau manipuliert werden." Die Gateway-Hersteller bieten für die sichere Lieferkette (Abkürzung: Silke) sogar eigene Schulungen für die Installateure(öffnet im neuen Fenster) an.
Die Zertifizierung seitens des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) bleibt laut Habeck bestehen, da die gesellschaftliche Akzeptanz gewahrt werden müsse.
Inwieweit des Ministerium Einschnitte im Datenschutz machen wird, ist im Moment unklar. Unter Fachexperten wie Stock gilt es als ausgemacht, dass es ein "Konstruktionsfehler" der bisherigen Verordnung gewesen sei, alle Datenflüsse über das Smart Meter Gateway regeln zu wollen. Jede Marktrolle sollte nur das Datenpaket entsprechend ihrer Berechtigung erhalten. "Man wollte alles ins Gateway packen" , sagte Stock auf der Veranstaltung Future Energy Day 2022 der Dena(öffnet im neuen Fenster) im September 2022.
Die Berechtigungen und Zertifikate hätten im Gateway administriert und überprüft werden müssen, aber das habe nicht funktioniert. Deshalb sei es "der Realität geschuldet, das Zusammenspiel zwischen dem Smart Meter Gateway und den Backend-Systembetreibern zu legalisieren" , erklärte Stock.
Das Thema IT-Sicherheit und Datenschutz schnitt Robert Habeck auf der Dena-Veranstaltung vergangene Woche eher flapsig an: Er wolle zwar die Sorgen mancher nicht veralbern, dass der Staat über den Energieverbrauch ermitteln könne, welches Fernsehprogramm geguckt werde , doch es sei irgendwie nicht ganz konsistent, "auf der anderen Seite bei Facebook herumzuhängen und alle privaten Urlaubsbilder reinzubringen" . Entsprechend würden "unberechtigte Sicherheitssorgen uns nicht länger aufhalten" .
Ein weiterer Problemfall, den Stock auf der Dena-Veranstaltung im September thematisierte, wurde von Habeck ebenfalls nicht angesprochen: So ist die Steuerung von unterbrechbaren Verbrauchseinrichtungen bisher nicht zertifiziert. Stock brachte dies jedoch damit in Verbindung, dass ein Smart Meter Gateway nicht alle Funktionen abbilden müsse - vieles könne auch über das Backend geregelt werden. Eines aber ist bereits jetzt klar: Nicht jeder Netzanschluss benötigt einen Smartmeter-Gateway, mehrere Zähler dürfen auch gebündelt werden. Damit sollen einfachere und effizientere Nutzungsmodelle entstehen.
| Stromverbrauch (kWh) | jährliche Maximalkosten (brutto) | Einbauzeitraum |
|---|---|---|
| 100.000 | angemessenes Entgelt | 2017 - 2032 |
| 50.000 - 100.000 | 200 Euro | 2017 - 2025 |
| 20.000 - 50.000 | 170 Euro | 2017 - 2025 |
| 10.000 - 20.000 | 130 Euro | 2017 - 2025 |
| 6.000 - 10.000 | 100 Euro | 2020 - 2028 |
| 4.000 - 6.000 | 60 Euro | ab 2020 (optional) |
| 3.000 - 4.000 | 40 Euro | ab 2020 (optional) |
| 2.000 - 3.000 | 30 Euro | ab 2020 (optional) |
| 2.000 | 23 Euro | ab 2020 (optional) |
Der Bundestag verabschiedete im Juni 2016 das umstrittene Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende . Demnach müssen bis zum Jahr 2032 sämtliche mechanischen Ferraris-Zähler bei den Stromkunden durch elektronische Zähler ersetzt werden. Zudem werden Millionen Verbraucherhaushalte und Stromerzeuger mit vernetzten Stromzählern, sogenannten intelligenten Messsystemen, ausgestattet. Als Kommunikationsmodul dient dabei das Smart Meter Gateway (SMGW).



