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Silicon Saxony Day: Der Halbleiterbranche fehlen Geld, Gas und Leute

Gasknappheit und die schleppende Umsetzung des EU Chips Act bereiten Sachsens Halbleiterbranche Sorgen - trotz ansonsten solider Entwicklung.
/ Johannes Hiltscher
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Die Gasknappheit trifft auch die Halbleiterindustrie - das könnte den Traum von europäischer Unabhängigkeit gefährden. (Bild: Pixabay, Publicdomainpictures / Montage: Golem.de)
Die Gasknappheit trifft auch die Halbleiterindustrie - das könnte den Traum von europäischer Unabhängigkeit gefährden. Bild: Pixabay, Publicdomainpictures / Montage: Golem.de

Wird die Gasversorgung eingestellt , muss Globalfoundries seine Produktion in Dresden stoppen: Das hat Yvonne Keil, Direktorin des Unternehmens für internationale Beschaffung, beim Silicon Saxony Day(öffnet im neuen Fenster) verkündet. Und ein Produktionsstop würde bedeuten, dass drei Jahre keine Chips in Dresden gefertigt werden. So lange dauere es, die Reinräume wieder in Betrieb zu nehmen, die vom eigenen Gaskraftwerk mit Strom versorgt werden(öffnet im neuen Fenster) .

Beim Silicon Saxony Day treffen sich jährlich Unternehmen der IT- und Halbleiterbranche zum Netzwerken und Erfahrungsaustausch. Ausgerichtet wird es vom Silicon Saxony e.V., einem Netzwerkverein für Firmen der IT- und Mikroelektronikbranche. Neben der Abhängigkeit vom Gas ging es beim Gespräch mit Vorstand und Geschäftsführung des Vereins auch ums Geld, denn, das wurde einmal mehr deutlich: Ohne öffentliche Förderungen baut niemand eine Chip-Fabrik.

In den USA hat Intel kürzlich angekündigt, den Bau seines neuen Werks in Ohio zu verschieben(öffnet im neuen Fenster) , da der Chips for America Act noch nicht beschlossen ist. Das gleiche gilt auch für den European Chips Act : Für das geplante Milliardenpaket zur Förderung der Chip-Fertigung in Europa gibt es noch immer keinen finalen Entwurf. Der Vorstand von Silicon Saxony hofft auf eine Verabschiedung noch in diesem Jahr.

Woanders geht das schneller

Nach Beschluss des Chips Act auf EU-Ebene muss dieser noch von Bundestag und -rat in nationales Recht umgesetzt werden. Und auch dabei geht es um Geld. Wirtschaftsminister Habeck will weitere 14 Milliarden Euro bereitstellen(öffnet im neuen Fenster) . Wie die auf Chips Act und das Important Project of Common European Interest (IPCEI) Mikroelektronik II verteilt werden, sei allerdings unklar, so Frank Bösenberg von Silicon Saxony.

Andere Länder - explizit genannt wurde Singapur - seien bei der Bereitstellung von Fördermitteln deutlich schneller. Die Priorität von Halbleitern ist nach Ansicht des Vorstands von Silicon Saxony noch nicht hoch genug. Daher wirbt man für Tempo bei der Umsetzung der Fördervorhaben, um bei Investitionsentscheidungen von Unternehmen nicht das Nachsehen zu haben. Denn hierbei sind Subventionen, das betonten Vorstand und Geschäftsführung von Silicon Saxony mehrfach, einer der wichtigsten Anreize. Globalfoundries beispielsweise baut seine Dresdner Fab mit IPCEI-Förderung aus .

Fachkräfte international gesucht

Dennoch erwartet Silicon Saxony ein weiteres Wachstum der Branche, weshalb sich die Mitglieder wie üblich um ausreichenden Nachwuchs sorgen. Daher rekrutieren zumindest die großen Unternehmen auch international. Der Silicon Saxony Day wurde aus diesem Grund auf Englisch abgehalten. In Sachsen versucht der Verein, im Rahmen von MINT-Initiativen Jugendliche für Ausbildungen und Studiengänge im Bereich IT und Mikroelektronik zu begeistern. Bei Software gelinge das gut, hier sorgt sich der Vereinsvorstand sich eher um Kapazitätsengpässe bei der Ausbildung.

Elektrotechnik und verwandte, für die Halbleiterbranche wichtige Bereiche hingegen erregen weniger Interesse. Hier gelingt es gerade einmal, die Ausbildungszahlen konstant zu halten . Yvonne Keil von Globalfoundries führt dies unter anderem auf geringe Sichtbarkeit zurück - die interessanten Möglichkeiten in der Mikroelektronik und Halbleiterfertigung seien zu oft hinter verschlossenen Türen verborgen. Daher wolle man diese Türen bei Globalfoundries stärker öffnen.

Für die Zukunft sieht man bei Silicon Saxony dennoch nicht schwarz - und das hat auch mit Intels geplantem Werk in Magdeburg zu tun.

Die Zukunft wird gut - auch dank Intel

Einige Details gab es auch zur Frage, weshalb Intel sich für Magdeburg und gegen Dresden als Standort für seine europäische Fab entschieden habe. So sei die Hauptstadt Sachsen-Anhalts in einer einmaligen Situation gewesen: Kurz zuvor habe man ein neues Gewerbegebiet erschlossen, auf dem sich eigentlich Dutzende Firmen ansiedeln sollten - jetzt ist es lediglich eine. Andere Städte hätten einfach keine vergleichbare, ausreichend große Fläche anbieten können.

Traurig ist man darüber bei Silicon Saxony aber keinesfalls. So geht der Fokus mittlerweile über Sachsen hinaus, auch angrenzende Regionen in Thüringen und Sachsen-Anhalt sieht man als Teil einer großen Interessengemeinschaft. Das könne laut Keil von Globalfoundries auch für Zulieferer, beispielsweise aus der Chemieindustrie, ein Anreiz zum Aufbau neuer Standorte sein. Die Aussicht auf langfristige Lieferverträge mache Investitionen interessant - in den USA zeigt das der Neubau eines Werks von Globalwafers .

Endfertigung bleibt wohl in Asien

Skeptisch zeigte sich Keil jedoch bei der Frage, ob auch die Weiterverarbeitung der Wafer absehbar lokaler erfolgen werde. Die sogenannten Back-End-Prozesse - Test und Zerteilung der Wafer sowie Packaging - erfolgen aktuell hauptsächlich in Asien. Das bedeutet fast ein halbes Jahr Transportzeit. Zwar können Gelder des European Chips Act auch für den Aufbau von Back-End-Werken verwendet werden. Man müsse jedoch, da waren sich Keil und der Vorstandsvorsitzende Dirk Röhrborn einig, Prioritäten setzen, da das Geld nur einmal ausgegeben werden kann.

In Europa sei die Endfertigung der Chips allerdings - wie der gesamte Halbleiterbereich - zu lange vernachlässigt worden. Man habe sich darauf verlassen, dass Chips etwas seien, was man für wenige Cent in Asien kaufen könne. Daher seien auch ehemals vorhandene Kapazitäten, beispielsweise in Osteuropa, verschwunden und nur mit hohen Kosten wieder aufzubauen.

Zudem sei besonders das Packaging personalintensiv, weshalb es in Europa schwer konkurrenzfähig betreibbar sei. Ganz ohne Back-End-Verarbeitung sei das Ziel der EU-Kommission, Europas Anteil an der Chipfertigung auf 20 Prozent auszubauen, allerdings unrealistisch. Einzig Intel plant ein Packaging-Werk in Italien , allerdings nur für eigene Chips. Hochautomatische Werke - TSMC stellt aktuell eines in Taiwan fertig - sind ein möglicher Ausweg. Vorausgesetzt, die Fabs bekommen Strom und Wärme. Denn wenn sie stillstehen, ist das Ziel ohnehin unerreichbar.

Optimistisch in die Zukunft

Trotz der angesprochenen Probleme ist Silicon Saxony zufrieden mit der Entwicklung der IT- und Halbleiterindustrie in Sachsen. In den letzten Jahren sei die Branche stetig gewachsen. Nicht nur die Beschäftigtenzahl stieg kontinuierlich, auch die Auswahl Sachsens als eines der European Digital Innovation Hubs(öffnet im neuen Fenster) wird als Erfolg verbucht.

Zudem sei viel in den Ausbau der Fertigung sowie neue Forschungskapazitäten investiert worden. Damit wachse die Attraktivität der Region, auch beispielsweise für Zulieferbetriebe. Zwar befindet sich der Schwerpunkt, zumindest mit Blick auf die Halbleiterfertigung, in Dresden. Doch auch in anderen Städten entstehen erfolgreiche Unternehmen oder neue Niederlassungen.

So blickt Silicon Saxony trotz der aktuellen Probleme optimistisch in die Zukunft: Bis 2030 erwartet man 100.000 Beschäftigte, zur Hälfte verteilt auf Software und Mikroelektronik. Das würde die Entwicklung der vergangenen Jahre mit vier Prozent jährlichem Wachstum der Beschäftigtenzahl fortschreiben. Die Softwarebranche, in der aktuell knapp 45 Prozent der 73.000 Angestellten arbeiten, verzeichnete in den vergangenen zehn Jahren mit sechs Prozent ein stärkeres Wachstum. Daher wird erwartet, dass sie zur Mikroelektronik aufschließt.


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