Sicherheit: Japans Polizei will soziale Medien mit KI durchsuchen

Die japanische Polizei plant ab 2026 den Einsatz künstlicher Intelligenz, um Beiträge in sozialen Netzwerken zu analysieren. Nach Angaben der National Police Agency soll ein System entwickelt werden, das potenziell bedrohliche Inhalte erkennt. Laut South China Morning Post ist dafür ein Budget von rund 49,5 Millionen Yen (umgerechnet rund 284.000 Euro) vorgesehen.
Die Software soll Schlüsselwörter und Codes identifizieren, die in Japan in Zusammenhang mit Drohungen genutzt werden. Dazu gehören Begriffe wie "bakudan" (Bombe) oder Abkürzungen wie "56su" (töten) und "4ne" (sterben). Außerdem werden ältere Beiträge eines Accounts einbezogen, um mögliche Muster zu erkennen. Japan Today(öffnet im neuen Fenster) berichtet, dass das System jedem Nutzer einen Risikowert zuweist, damit die Polizei Prioritäten setzen kann.
Die Maßnahme richtet sich insbesondere gegen sogenannte "Lone Wolves" , also Personen, die unabhängig von Organisationen handeln. Anlass für die Entwicklung waren zahlreiche Drohungen im Umfeld der Oberhauswahlen im Juli 2025. Nach Angaben der South China Morning Post(öffnet im neuen Fenster) stufte die Polizei 889 Beiträge als potenziell gefährlich ein.
Drohungen gegen Politiker als Auslöser
Zu den dokumentierten Fällen gehört eine Nachricht an den ehemaligen Premierminister Fumio Kishida, in der es hieß: "Es würde mich nicht überraschen, wenn jemand versuchen würde, dich zu töten, also solltest du einen Helm und eine kugelsichere Weste tragen."
In einem weiteren Beitrag auf Kishidas X-Seite lautete der Wortlaut: "Ich werde dich töten, wenn du kommst." Laut South China Morning Post stellte die Polizei bei der Nachverfolgung fest, dass der Absender dieser Drohung betrunken gewesen war. Die Behörden nahmen die Meldungen offenbar dennoch zum Anlass, die Erfassung solcher Hinweise zu intensivieren.
Experten kritisieren Vorhaben
Bürgerinnen und Bürger sowie Fachleute reagieren unterschiedlich auf die Pläne. Laut South China Morning Post gibt es Stimmen, die den Einsatz neuer Technik als Möglichkeit sehen, Gefahren schneller zu erkennen. Gleichzeitig äußern andere die Sorge, dass auch unbedenkliche Beiträge ins Visier geraten könnten.
Der Strafrechtsexperte Shinichi Ishizuka, Gründer des in Tokio ansässigen Thinktanks Criminal Justice Future, sagte: "Die Polizei behauptet, dieses System sei notwendig, um Terroranschläge zu verhindern, aber in Japan gibt es sehr wenige Terroristen, auch wenn Unterweltgruppen und radikale Studentengruppen noch existieren." Zudem äußerte er Zweifel, ob sich mit der Technik überhaupt Einzeltäter identifizieren lassen, da diese ihre Pläne in der Regel nicht teilen.
Auch Stephen Nagy, Professor für internationale Beziehungen an der International Christian University in Tokio, stellte den Bezug der Polizei zum Terrorismus in Frage. Er sagte, er habe nicht den Eindruck, dass es derzeit inländische Terrorgruppen gebe. Zudem wies er darauf hin, dass die Polizei KI nicht gegen Delikte wie die Aktivitäten der Yakuza einsetze, die seiner Einschätzung nach eine größere Gefahr darstellten.
Die Diskussion um den Einsatz der Technologie steht auch im Zusammenhang mit Gewalttaten gegen Politiker in den vergangenen Jahren. Im Juli 2022 wurde der frühere Premier Shinzo Abe während einer Wahlkampfrede in Nara erschossen. Im April 2023 überlebte Premier Fumio Kishida nur knapp einen Anschlag in Wakayama, als ein Mann eine Rohrbombe in Richtung der Bühne warf, kurz bevor Kishida eine Rede halten wollte. Beide Vorfälle hatten in Japan große Aufmerksamkeit erregt und die Debatte über die Sicherheit politischer Veranstaltungen neu entfacht.



