Kann der Mensch außerirdisch denken?
Dass dem keineswegs so ist, liegt in dem Umstand begründet, dass dieser Text nie bedenkt, ob die Möglichkeit einer planetarischen Verpflanzung der biologischen Spezies Mensch die Möglichkeit ihrer ideellen Verpflanzung miteinschließt. Die Erde als gedankliches Zentrum hat der vorgebliche Marsianer nie hinter sich gelassen, dementsprechend wird er am Ende auch wieder glücklich dorthin zurückkehren.
Damit aber gleitet Andy Weir auch leichtfertig an der durchaus entscheidenden Frage vorbei, ob wir überhaupt in der Lage sind, uns als Außerirdische zu denken. Wie lebt man eigentlich in einem Kosmos, in dem man sich nicht allein weiß? Lässt sich ein Planet tatsächlich als provisorischer, austauschbarer, wählbarer Aufenthaltsort vorstellen - und welche Folgen hätte diese Vorstellung für unser Selbstverständnis?
Außerirdisch werden heißt, sich von außen betrachten
Außerirdisch zu werden, das bedeutet nicht zuletzt, die Beschränktheit unserer Weltwahrnehmung aufzuheben, uns endlich auch in dem Raum zu erkennen, in dem wir tatsächlich leben. Außerirdisch zu werden heißt, sich auch von außen betrachten zu können. In diesem Sinne läge die Errettung des Menschen weniger in der Erkundung und Formung neuer Habitate, sondern in einer überfälligen Korrektur: in der Neuerfindung des Homo sapiens als galaktisches, nicht als terrestrisches Wesen.
Es kommt nun noch etwas anderes hinzu: Mit der unbezwingbaren terrestrischen Mentalität des Astronauten Mark Watney korrespondiert seltsamerweise das restlose Aufgehen des Romans im sozialen Netzwerk. Abgesehen davon, dass sich die Diktion des Protagonisten bisweilen liest wie die eines versetzungsgefährdeten Teenagers auf Facebook, der sich sein Ableben über einen Wikipedia-Eintrag visualisiert und dem Kontakt vor allem ein virtuelles Phänomen zu sein scheint, entspricht dieser Verhaftung in der Digitalität auch die Entstehungsgeschichte des Textes selbst.
Seinen immensen Erfolg verdankt The Martian der Möglichkeit der digitalen Eigenpublikation, sowie der Verbreitung von E-Readern. Das Gedrucktwerden ist dieser Erzählung etwas Nachträgliches, es widerspricht auch ihrem Selbstverständnis und ihren Vorstellungen der Kommunikation. Verwerflich ist daran nichts, interessant jedoch vieles.
Außerirdische Räume im Digitalen
Hatte Frank Schirrmacher in einem seiner letzten Beiträge noch die These aufgestellt, dass zwischen unseren Weltallfantasien und dem digitalen Zeitalter eine enge Verbindung besteht, so ließe sich diese These mit Blick auf The Martian womöglich präzisieren. Wenn es diesen Zusammenhang gibt, dann haben wir es mit einem reziproken Verhältnis zu tun: Je unirdischer unsere Kommunikation wird, umso schwerer fällt es uns, das Außerirdische als solches zu erfahren.
Die Stärke der Digitalität liegt in ihrer Fähigkeit, das Entrückte zu verschalten und zugleich bei sich bleiben zu lassen. Nicht mehr bei sich zu sein, unterwegs zu sein, fremd zu sein - das sieht sie nicht vor. Wie sich in diesem Medium außerirdische Räume erzählen lassen, wird zu beobachten sein.
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Science-Fiction: Per Anhalter durch die Bibliothek | Im Widerspruch zur Mediengeschichte |
aha, muss wohl mal schnell zu OSX & Windows Konvertieren, Stereotypen sind dazu da...
Der sympathische Sheldon ist aber Physiker und kein Philosoph. Ich halte es für...
http://xkcd.com/1536/ Trifft es ganz gut ;)
Ja, der Einzige bin da.
+1 Volle Zustimmung. Leider muss man nach der letzteren (eigentlichen) Art von Science...