Science-Fiction-Film: Assessment-Center fürs Kinderkriegen

Die Zukunft wird im Film selten optimistisch dargestellt. Auch in The Assessment nicht, einer deutschen Produktion, deren Innenaufnahmen in Köln gedreht wurden, die Außenaufnahmen auf Teneriffa. Gerade die Vulkaninsel wird sehr effektiv eingesetzt, als abgeschiedene, unwirtliche Welt.
Der Film greift ein Thema auf, das momentan in der sozialkritischen Sci-Fi häufiger vorkommt: die Zukunft des Kinderkriegens. Wie die aussehen könnte, war vor nicht allzu langer Zeit in Baby to Go zu sehen.
The Assessment spielt in einer nahen Zukunft, in der nur noch wenige Menschen unter einer Sphäre leben, die ihr Dasein überhaupt lebenswert macht. Was zur Katastrophe führte, ist unklar. Der Klimawandel vielleicht, der Raubbau des Menschen an der Natur ganz bestimmt.
Das Gutachten
Die Menschen leben dort in einem fein austarierten System. Nicht jeder kann in dieser Gesellschaft ein Kind kriegen, man braucht eine Erlaubnis. Auf die hoffen auch Mia und Aaryan, die sich darum der Prozedur eines Gutachtens unterziehen.
Sieben Tage lang wird Virginia bei ihnen leben und sie bewerten. Womit keiner der beiden gerechnet hat: Sie benimmt sich wie ein Kind, um Mia und Aaryan auf die Probe zu stellen. Die Situation eskaliert, Virginia wird ein psychologischer Albtraum für das Ehepaar, aus dem es erst nach einer Woche ein Erwachen gibt.
Sieben Tage
Diese sieben Tage bilden den Kern des Films. Sie zeigen, was Mia und Aaryan tun, um sich mit der Gutachterin gutzustellen. Dabei können sie nur vermuten, was sie tun sollen. Erfahrungen haben sie nicht, weil Kinder in dieser Gesellschaft zu einer Seltenheit geworden sind.
Die Situation eskaliert
Warum das so ist, ergibt sich im Verlauf der Geschichte. Zur Mitte des Evaluierungsprozesses gibt es ein denkwürdiges Abendessen, bei dem Mia und Aaryan provoziert werden sollen, das dem Zuschauer aber auch tiefergehende Einblicke in diese Welt gewährt.
Im Kern geht es um die Beziehung zweier Menschen, aber auch um den Druck von außen, wenn individuelle Freiheiten eingeschränkt und nur willkürlich gewährt werden. Das ist schauspielerisch toll umgesetzt. Elisabeth Olsen, Alicia Vikander und Himesh Patel spielen erstklassig, wobei Vikander die schwierige Aufgabe hat, sich wie ein Kleinkind zu geben, was sie sehr gut schafft.
Sie greift dabei auf Erfahrungen zurück, die sie mit dem Kurzfilm I am Easy to Find(öffnet im neuen Fenster) gesammelt hat. Darin zeigt sie die Stationen einer Frau vom Kleinkind bis zur Erwachsenen.
In Nebenrollen agieren Minnie Driver (The Witcher: Herkunft des Blutes) und Indira Varma. Letztere war schon in praktisch allen großen Franchises dabei, von Doctor Who über Game of Thrones bis zu Star Wars und Dune .
The Assessment ist interessantes Kino zum Nachdenken, aber der Film leidet unter seiner Länge. Zwei Stunden sind zu viel für das, was effektiv eine längere Black-Mirror -Folge ist.
Es hätte geholfen, den Teil mit dem Gutachten zu kürzen. Interessant ist der Evaluierungsprozess aber dahingehend, dass er endet - und der Film noch eine halbe Stunde Laufzeit hat.
Am Ende gut
Es ist diese letzte halbe Stunde, die für die etwas zähe Erzählweise im Mittelteil entschädigt, denn nicht nur wird hier das System näher beleuchtet, in dem der Kinderwunsch von staatlicher Willkür abhängt. Man erfährt auch etwas über die Welt, die diese "moderne" Gesellschaft hinter sich gelassen hat. Am Ende stehen ganz harte Entscheidungen für die Figuren des Films.
The Assessment ist sozialkritische Science-Fiction, wie sie in den siebziger Jahren populär war und in jüngerer Zeit wieder häufiger produziert wird. Ein Sci-Fi-Film, der reichlich Stoff zum Nachdenken, aber auch zur Diskussion bietet.



