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Schutzräume und Bunker: Die Zeitenwende im Zivilschutz bleibt aus!

Dass die Bevölkerung im Kriegsfall geschützt werden muss, ist Konsens. Politik und Verwaltung scheitern auch hier wieder an der Umsetzung.
/ Manuel Atug , Andreas Kling
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Berühmter Luftschutzbunker in Berlin-Mitte: 1942 erbaut, ist er heute eine Kunstgalerie. (Bild: John Macdougall / AFP via Getty Images)
Berühmter Luftschutzbunker in Berlin-Mitte: 1942 erbaut, ist er heute eine Kunstgalerie. Bild: John Macdougall / AFP via Getty Images
Inhalt
  1. Schutzräume und Bunker: Die Zeitenwende im Zivilschutz bleibt aus!
  2. Narrativ der fehlenden Vorwarnzeiten
  3. Wenn du nicht mehr weiterweißt, gründe einen Arbeitskreis

Spätestens mit dem Angriffskrieg Putins auf die Ukraine Anfang des Jahres 2022 musste den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung klar sein, dass die goldenen Jahre im Zivilschutz nach Ende des Kalten Krieges vorbei sind. Zivilschutz, also der Schutz der Bevölkerung vor kriegerischen Auswirkungen, hat viele Facetten und ist eng mit dem Katastrophenschutz verwandt.

Dieser Artikel befasst sich ausschließlich mit der Instandsetzung und dem Neubau von öffentlichen Schutzbauwerken und zeigt auf, weshalb narrative und fehlende beziehungsweise geheim gehaltene Daten es schwer machen, eine sinnvolle Schutzraumstrategie zu entwickeln. Die Notwendigkeit des Schutzes der Bevölkerung vor Kriegseinwirkungen ist dabei Konsens, aber Politik und Verwaltung scheitern wie so oft auch hier wieder an der Umsetzung.

Zu Schutzbauwerken zählen öffentliche Schutzräume wie Hoch- und Tiefbunker oder Stollen, aber auch sogenannte Mehrzweckanlagen (Tiefgaragen oder U-Bahn-Stationen), die der Bevölkerung Schutz vor Explosionen und Einschlägen von Raketen, Granaten, Drohnen und Bomben bieten sollen. Daneben bieten diese Räume teilweise – wenn auch nur eingeschränkt – Schutz vor Angriffen mit den sogenannten ABC-Waffen, also Atomwaffen, biologischen oder chemischen Kampfstoffen.

Wogegen wollen wir uns schützen?

Generell muss man sich bei Schutzräumen zuallererst die Frage stellen, gegen welche Bedrohungen geschützt werden soll, aber auch, was das genaue Schutzziel sein und welches Schutzniveau erreicht werden soll. Das kann natürlich auch im Zusammenwirken mit anderen Maßnahmen wie guten Defensivkapazitäten, Flugabwehrsystemen und Evakuierungsfähigkeiten besser wirken und erreicht werden. Hilfreich sind auch grundsätzlicher baulicher Schutz, der Schutz von kritischen Infrastrukturen und die Vorbereitung und private Notfallvorsorge.

Es gibt sehr viele Gefahren und Bedrohungen, die in die Überlegungen bei Schutzräumen grundsätzlicher Natur einfließen können, wie beispielsweise der Fachingenieur Jan Dirk van der Woerd bei einem Vortrag auf dem Fachkongress Forschung für den Bevölkerungsschutz des BBK Anfang 2025 aufzeigte:

  • kriegerische Einwirkungen mittels konventioneller Waffen (nach Stanag, also nach Standardization Agreement, einem Standardisierungsübereinkommen der Nato-Vertragsstaaten über die Anwendung standardisierter Verfahren oder ähnlicher Ausrüstung), zum Beispiel Geschosse/Projektile, Granaten/Gefechtsköpfe mit direkter Flugbahn, Granaten/Gefechtsköpfe mit indirekter Flugbahn (Mörsergranaten, Artillerie), Sprengladungen (Anprall mit Fahrzeugen)
  • kriegerische Einwirkungen mittels unkonventioneller Waffen (CBNR), zum Beispiel chemische Kampfstoffe, biologische Kampfstoffe, Atomwaffen (radiologisch und nuklear)
  • konventionelle Kriegsführung und Gefährdung durch Explosionsereignisse, zum Beispiel Explosionswirkung wie Luftstoß, Splitter, Feuerball, Trümmer/Bruchstücke,
  • Terrorismus, zum Beispiel Beschuss, Brandanschläge, Sprengstoffanschläge, chemische und biologische Gefahrstoffe, radiologische und nukleare Gefahren, Überfahrattentate, Unfälle und Havarien, etwa Explosionen oder Giftwolken
  • Kriminalität, zum Beispiel Einbruch, Raubüberfall, Entführung
  • Naturgefahren, zum Beispiel Starkregen, Hochwasser, extreme Hitze/Kälte, Gewitter, Hagel, Sturm, Schneelast, Eisregen, Lawinen und Erdbeben

Bei der konventionellen Kriegsführung ist noch zwischen Voll- und Nahtreffer zu unterscheiden. Gegen Volltreffer gibt es in der Regel keine oder kaum Schutzmöglichkeiten. Gegen Nahtreffer bieten Luftschutzkeller und überdeckte Splitterschutzgräben guten Schutz. Wer sich im Freien aufhält, ist in der Regel allen Wirkungsfaktoren voll ausgesetzt.

Auf Schutzräume für oder Ausweichstandorte von Behörden, militärische Anlagen oder einen Regierungsbunker wie die frühere Anlage im Ahrtal (im Geheimjargon auch Dienststelle Marienthal genannt) gehen wir in diesem Artikel nicht weiter ein.


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