Schummelsoftware analysiert: Wie Bosch und VW die Dieselautos manipulierten
Die Abgasreduzierung bei Dieselautos ist ein sehr komplexer Prozess. Per Reverse Engineering demonstriert ein Hacker, wie VW und Bosch gemeinsam die Abgastests austricksten. Und zeigt eine ominöse "Akustikfunktion".

Wie genau haben die Software-Ingenieure von Bosch und VW die Abgastests für elf Millionen Dieselfahrzeuge ausgetrickst? Der Hacker und VW-Fahrer Felix Domke zeigte auf dem diesjährigen Hackerkongress 32C3 in Hamburg (Video ab 40:00), auf welche Weise die Software der Dieselfahrzeuge programmiert ist, um die Reduzierung von Stickoxiden mit Hilfe von AdBlue zu kontrollieren. Per Reverse Engineering nahm Domke dazu ein Motorsteuergerät (ECU) auseinander und analysierte dessen Code. Sein Fazit: Der Autozulieferer Bosch sah darin verschiedene Modi für die Reduzierung von Stickoxiden vor. VW bestimmte demnach die Parameter, um diese zu aktivieren.
Um die Software zu untersuchen, kaufte sich Domke über Ebay eine Bosch-ECU vom Typ EDC17C46, die bei VW-Dieselautos eingesetzt wird. Mit Hilfe eines Hardware-Bugs gelang es ihm, den Flashspeicher für den Infineon TriCore-Chip auszulesen. Dieser enthält 2 MByte Binärcode, den Domke anschließend mit einem Disassembler lesbar machte. Entscheidend in dem Code ist dabei die Steuerung für den sogenannten SCR-Katalysator. Dieser Katalysator wandelt mit Hilfe von einer Harnstofflösung (Adblue) Stickoxide in Wasser und Stickstoff um.
Abgassteuerung als komplexer Prozess
Ein sehr komplexer Vorgang. "Ein Sechstel der ganzen Firmware ist nur für dieses SCR", sagte Domke. "Es ist verdammt krass, was da berechnet wird." Wobei es einen gewissen Aufwand bedeutet habe, diese Stelle in der Firmware zu finden. Domke nahm dazu sogenannte A2L-Dateien zu Hilfe, die die Beschreibungen von steuergeräteinternen Größen enthalten. Solche Dateien finden sich auch im Netz und werden von Chiptunern genutzt. Zudem konnte Domke einzelne Sensordaten über das Fahrzeugdiagnosesystem On-Board-Diagnose (OBD 2) analysieren.
Wie bereits bekannt, entwickelten die Programmierer von Bosch für die Steuerung verschiedene Nutzungsszenarien. Im normalen Modus misst das System mehrere Temperaturen und Abgaskonzentrationen, um die jeweils erforderliche Menge an Harnstoff genau dosieren zu können. Auch wird erkannt, ob sich überhaupt Harnstoff im Behälter befindet oder einfach nur Wasser eingefüllt wurde. Nun sieht die Software aber auch einen Alternativmodus vor. Dieser wird nach Angaben Domkes bei einer Motortemperatur aktiviert, die größer als minus 3.276,8 Kelvin liegt. Also standardmäßig immer.
Abgasmodi genau protokolliert
Lediglich für den Fall, dass das Fahrzeug einen typischen Abgastest erkennt, wird auf den optimierten Modus umgestellt. In der Kommentierung der A2L-Dateien fand Domke dazu die Erläuterung: "Untere Kilometerschwelle für Deaktivierung der Akustikfunktion". Dass es dabei um die akustischen Eigenschaften des Motors ging, ist wohl sehr unwahrscheinlich. Domke sagte, er habe nichts dergleichen entdecken können. Die ECU protokolliere sogar, wie häufig ein bestimmter Abgasmodus genutzt werde und speichere dies auf einem EEPROM.
Domkes blauer VW-Sharan fuhr demnach zu 75 Prozent im "alternativen" Modus mit einem stark reduzierten Verbrauch von Adblue-Flüssigkeit. Was einen erhöhten Stickoxidausstoß zur Folge hat. Nur in zwei bis drei Prozent der Fälle war der Standardmodus aktiviert. Bei den übrigen Fahrten, also fast einem Viertel, sei gar kein Harnstoff dosiert worden. Dies sei in der Warmlaufphase des Motors der Fall.
Kein Wunder, dass Domkes VW nur 0,6 Liter AdBlue-Flüssigkeit pro 1.000 Kilometer verbrauchte. Normalerweise würden 2,5 Liter auf 1.000 Kilometern benötigt.
Nicht nur VW hat schlechte Abgaswerte
Über die Motivation für den Abgasschwindel hatte zuvor Domkes Koreferent Daniel Lange spekuliert. Seiner Meinung nach stehen die Automobilhersteller unter dem Zwang, eine möglichst hohe Eigenkapitalrentabilität zu erzielen und die Wettbewerber auszustechen. VW habe das in den USA mit der angeblich sauberen Dieseltechnik versucht. Lange hält es für ausgeschlossen, dass nur wenige Mitarbeiter bei VW eingeweiht gewesen seien. Schließlich sei die Komponentenentwicklung ein extrem strukturierter Prozess, in den viele Teams involviert seien. Zudem hätten auch Fahrzeuge anderer Hersteller im Normalbetrieb einen deutlich höheren Schadstoffausstoß.
Auch nach Ansicht Domkes ist längst bekannt, dass die Autosoftware von Bosch und anderen Zulieferern eine Prüfstandserkennung enthält. Allerdings liegt es an den Autoherstellern selbst, die Parameter für die Steuerung ihrer Motoren einzustellen. An der rechtlichen Einschätzung des VW-Skandals hat sich nach dem Hacken der Software damit nichts geändert.
Nachtrag vom 27. Dezember 2015, 21:17 Uhr
Wir haben einige Details des Vortrags korrigiert.
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mir stinkt der Diesel schon seit Jahren, jeden Tag habe ich den ekelhaften...
Weil der Kunde derjenige ist, der das Auto kaufen muss und natürlich auf das Preisschild...
32768 ist 2^15.
wäre doch praktisch. 70ct gespart und sanifair kann dicht machen :)