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Saudi-Arabien: Denunziations-App in Stores von Google und Apple

Mit der App Kollona Amn können Mitmenschen in Saudi-Arabien denunziert werden. Heftige Kritik erntet der Beitrag dazu von Apple und Google .
/ Moritz Tremmel
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Googles Play Store und Apples App Store verteilen Denunziations-App. (Bild: Victoria_rt/Pixabay)
Googles Play Store und Apples App Store verteilen Denunziations-App. Bild: Victoria_rt/Pixabay

Die im August wegen eines Tweets von einem Gericht in Saudi-Arabien zu 34 Jahren Haft verurteilte Frauenrechtlerin Salma al-Shehab soll über eine Denunziations-App an die Behörden gemeldet worden sein. Das berichtet die Tagesschau. Nun hagelt es Kritik an Apple und Google, weil die entsprechende App in deren App-Stores zu finden ist.

Der Tweet hätte wahrscheinlich nicht weiter Aufsehen erregt, wäre er nicht über die App Kollona Amn (übersetzt: Wir in Sicherheit) gemeldet worden, schreibt die Tagesschau(öffnet im neuen Fenster) . Die staatliche App soll "jedem Bürger in Saudi-Arabien ermöglichen, die Rolle eines Polizisten einzunehmen" und seine Mitmenschen zu denunzieren. "Zur Unterstützung der Behörden kann man Fotos, Videos oder einen Screenshot über die App einsenden," heißt es in der App-Beschreibung.

"Diese App soll ganz klar Angst verbreiten," sagt Abdullah Alaoudh, wissenschaftlicher Leiter der Menschenrechtsorganisation Dawn. Sie solle eine Botschaft an alle saudischen Bürger und Bürgerinnen senden: Irgendjemand sei immer da und könne andere melden. Dies führe zu Selbstzensur, sagt Alaoudh, dazu, dass sich niemand mehr traue, etwas zu sagen. Auch nicht hinter verschlossenen Türen.

Gegründet wurde die Menschenrechtsorganisation von dem kritischen Journalisten Jamal Khashoggi, der 2018 in der saudischen Botschaft in Istanbul ermordet wurde. In einer Klage wird der Staatstrojaner-Hersteller NSO Group beschuldigt , Freunde und Kollegen des Journalisten ausspioniert zu haben, um an Informationen zu Khashoggi zu gelangen.

Apple und Google verteilen Denunziations-App

Dabei stehen auch Apple und Google in der Kritik: Dass die App in Apples App Store und in Googles Play Store frei verfügbar ist, sei der eigentliche Skandal, meint Alaoudh. Auf Anfragen der Tagesschau haben sich weder Apple noch Google zu dem Sachverhalt geäußert, daher lässt sich über die Gründe nur spekulieren.

Interessant ist allerdings, dass Saudi-Arabien schon in verschiedene Unternehmen aus dem Silicon Valley Milliarden investiert hat - und das bereits vor Jahren. Laut der Tagesschau hat Apple wiederum bereits 2017 eine Milliarde US-Dollar in von Saudi-Arabien gegründeten Vision Fund gesteckt. Zudem versuche Apple seit Jahren vergeblich auf dem saudischen Markt Fuß zu fassen, bekomme aber keine Lizenz für die Eröffnung von Apple Stores. Auch Google verfolgt laut der NGO Tech Transparency Projects bereits seit Jahren eine aggressive Investitionsstrategie in Saudi-Arabien. Auch hier geht es mutmaßlich um Milliarden.

Google und Apple trügen Mitverantwortung, meint Alaoudh, "denn sie lassen zu, dass es diese App überhaupt gibt. Und damit geht jede Festnahme und jedes Niederschlagen politischen Protests auch auf ihr Konto." Die beiden Unternehmen müssten sich also vorwerfen lassen, dass sie eine Mitschuld tragen an der Verurteilung Salma al-Shehabs.

Auch wenn der aktuelle Fall die App ins Rampenlicht gerückt hat, veröffentlicht wurde sie bereits 2016. In Googles Play Store wurde sie über eine Million mal heruntergeladen, für Apples App Store gibt es keine offiziellen Zahlen.

Menschenrechtler betonen immer wieder, dass das saudische Regime nicht weniger brutal sei als Diktaturen vergangener Jahrzehnte - auch wenn es eine Diktatur des 21. Jahrhunderts ist. Diese agiert mit Staatstrojanern, Denunziations-Apps und trackt die Bewegungen von Smartphones im Ausland über das Mobilfunkbackend SS7 . Der saudische Kronprinz soll selbst das Smartphone von Amazon-Chef Jeff Bezos gehackt haben. Der Staatstrojaner wird auch immer wieder gegen Menschenrechtsaktivisten und Journalisten eingesetzt. Insbesondere private Fotos werden teils zur Rufschädigung veröffentlicht .


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