Sam Altman: Befreiungsschlag für Microsoft

Das chaotische Wochenende rund um die Führungsfrage von OpenAI hat Microsoft-CEO Satya Nadella wahrscheinlich nicht nur eine Schweißperle auf die Stirn getrieben, sondern ihm eher zwei schlaflose Nächte voller Stress beschert. Denn kaum ein Unternehmen, schon gar nicht in der Größenordnung eines Milliardenkonzerns, hat sich derart abhängig von den Produkten und Modellen von OpenAI gemacht wie Microsoft. Dass nun Sam Altman und wohl zahlreiche Mitstreiter zu Microsoft wechseln, ist nicht weniger als ein Befreiungsschlag für das Unternehmen - und das gleich in mehrfacher Hinsicht.
Die offensichtliche Auswirkung ist, dass die Copilotisierung der Dienste von Microsoft voraussichtlich wie bisher vorgesehen weitergehen kann. Das versichert nun auch Nadella in der Ankündigung zu Personalie Sam Altman und dürfte damit Investoren und Aktionäre ebenso beruhigen wie Kunden. Dafür setzt Microsoft zunächst auf eine zweigleisige Strategie, mit OpenAI einerseits und einem neuen internen Team rund um Altman andererseits.
Microsoft hat sich abhängig gemacht
Seit Jahren integriert Microsoft immer mehr Dienste und Modelle von OpenAI in die eigenen Systeme. Der Konzern zeigte zum Beispiel einen KI-Assistenten für Windows und Microsoft 365 und machte zuletzt seinen Bing Chat zum Copilot . Hinzu kommen zahlreiche weitere KI-Helfer für die Werkzeuge des Unternehmens, wie etwa die Low-Code-Plattform Copilot Studio . Auch das Tochterunternehmen Github setzt voll auf den Copilot(öffnet im neuen Fenster) , was den Dienst zu einer KI-gestützten Entwicklungsplattform machen soll.
Nach dem kuriosen, unerwarteten und vor allem turbulenten Abgang von Sam Altman bei OpenAI standen all diese auf Jahre angelegten Produktangebote und die damit verbundenen Gewinnabsichten für Microsoft auf der Kippe. Zwar fährt der Konzern damit bisher riesige Verluste ein , doch das gilt auch noch für die zahlreichen Konkurrenten. Eben diese Konkurrenz arbeitet jedoch an eigenen Modellen oder investiert Milliarden in aufstrebende KI-Start-ups wie Anthropic. Microsoft hingegen hat seine internen KI-Ambitionen weitgehend zurückgefahren und im Grunde alles auf OpenAI gesetzt.
Die nach dem Abgang von Altman befürchtete Implosion von OpenAI hätte es Microsoft dementsprechend extrem erschwert, die angekündigten Produkte und Angebote reibungslos fortführen zu können. Denn vielfach ist - wohl zurecht - vermutet worden, dass Altman und seine Mitstreiter, die auch aktiv an den Modellen arbeiten und forschen, keine Probleme haben dürften, ein neues KI-Start-up zu gründen und dafür Milliarden an Risikokapital einzusammeln.
Microsoft befreit sich aus der Abhängigkeit
Microsoft hätte sich dann mit einem OpenAI-Rest und gleichzeitig mit einem weiteren technisch und personell extrem gut ausgestatteten KI-Konkurrenten abfinden müssen. Für die Verantwortlichen in dem Konzern dürfte diese extrem ungewisse Zukunft von OpenAI Panik ausgelöst haben. Wäre ein OpenAI-Rest noch in der Lage, gute Produkte zu liefern und das Angebot zu verbessern? Könnte dieses Unternehmen weiter führend bleiben oder würde Microsoft damit ins Hintertreffen geraten? Und wer bliebe überhaupt in dem OpenAI-Rest und könnte für entsprechende Fortschritte sorgen?
Mit dem Wechsel von Altman und seinen Mitstreitern direkt zu Microsoft muss sich das Unternehmen aber darüber keine Gedanken mehr machen. Statt eine eventuell noch größere KI-Konkurrenz zu bekommen, kann Microsoft sehr wahrscheinlich so weiter machen wie bisher und sich dabei wohl weiter von der Konkurrenz absetzen - technisch wie politisch.
Altman bringt Microsoft Sicherheit und politischen Einfluss
Die bisherige Firmenstruktur von OpenAI, mit einer gemeinnützigen Dachorganisation und einem kommerziellen Tochterunternehmen, sorgt nicht nur für eine unsichere Geschäftsbeziehung, wie das vergangene Wochenende und die Ereignisse um den CEO-Posten gezeigt haben. Zumal Microsoft hier trotz Milliardeninvestitionen(öffnet im neuen Fenster) und mehrheitlicher Gewinnbeteiligung wohl eben keine Entscheidungsrechte hatte .
Dieser Aufbau sorgte auch dafür, dass Microsoft nie hätte sicher sein können, wie exklusiv und dauerhaft die Bindung von OpenAI an den Konzern wirklich ist. So hätte OpenAI auch andere Exklusivdeals abschließen können, falls ein weiterer Investor entsprechende Konditionen aufgerufen hätte.
Letztlich ist aber auch der durch Lizenzen gesicherte Zugriff auf die Modelle und deren Gewichte nicht viel wert, wenn keine Entwickler diese weiter verfeinern. Eine Übernahme von OpenAI und dessen Team wäre für Microsoft auf Grund der Organisationsstruktur der KI-Spezialisten aber nie möglich gewesen. Bei einem vermuteten Wert von etwa 80 Milliarden US-Dollar wäre das zudem selbst für Microsoft eine mehr als schwierige Übernahme geworden.
Microsoft gewinnt Techniker und Lobbyisten
Zwar ist derzeit noch überhaupt nicht klar, wie viele Menschen von OpenAI mit Altman und anderen tatsächlich zu Microsoft wechseln werden. Es dürfte sich aber um eine ausreichend kritische Masse handeln, die ihre bisherige Arbeit bei OpenAI künftig, so weit es geht, bei Microsoft fortsetzen kann.
Microsoft erspart sich damit den Aufbau und die Investition in ein neues internes Team oder die teure Übernahme eines KI-Start-ups. Zwar dürften Altman und Co. mit sehr viel Geld, Begünstigungen und auch Aktienoptionen zu Microsoft gelockt worden sein. Das dürfte aber immer noch die günstigste aller Optionen gewesen sein.
Darüber hinaus steht derzeit die Frage einer KI-Regulierung nicht nur in der EU und den USA, sondern auch weltweit im Raum. Der ehemalige OpenAI-CEO Sam Altman ist dabei das wohl bekannteste Gesicht der Industrie und füllt die typische Position eines wichtigen Händeschüttlers und knallharten Lobbyisten.
Auf einer Popstar-ähnlichen Welttournee hat sich Altman zu Gesprächen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen(öffnet im neuen Fenster) ebenso getroffen wie mit Bundeskanzler Olaf Scholz(öffnet im neuen Fenster) , hielt Vorträge in den Vereinigten Arabischen Emiraten(öffnet im neuen Fenster) , in Ostasien und verhandelte mit dem Softbank-CEO(öffnet im neuen Fenster) . Auch wenn dies nicht offiziell auf dem Programm stand, wird sich Altman auch dort mit den verantwortlichen Politikern und Gesetzgebern getroffen haben.
Altman wird dabei nicht müde, vor den Gefahren von KI zu warnen und diese auch teils massiv zu übertreiben, während er gleichzeitig immer wieder öffentlich eine Regulierung der KI-Technik fordert - wohlgemerkt unter den Bedingungen, die er selbst und seine Mitstreiter vorgeben. Das geht bis hin zu einer Einschüchterungstaktik, die Altman in der EU versucht hat.
So erwog Altman öffentlich einen Rückzug aus dem hiesigen Markt, sollte die KI-Regulierung zu weit gehen. Zwar schwächte der Manager seine Aussagen kurz darauf wieder ab(öffnet im neuen Fenster) , die Handlungsposition und die eigene Macht hat Altman jedoch für alle sichtbar zur Schau gestellt.
Für Microsoft heißt die Anstellung von Altman, dass der Konzern damit einen extrem wichtigen und in der Politik bekannten Verhandlungsführer in den Debatten zur KI-Regulierung in sein Team aufnehmen kann. Die Zukunft der auf KI aufgebauten Produkte Microsofts sollte damit auch langfristig gesichert sein.



