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Saisonale Wärmespeicher: So können Haushalte im Winter mit Sommerwärme heizen

Einige Versorger bauen riesige Speicher, die Wärme monatelang halten können.
/ Ralph Diermann (Riffreporter)
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Schön warm im Winter mit Wärme aus dem Sommer (Bild: Evgeni Tcherkasski auf Pixabay)
Schön warm im Winter mit Wärme aus dem Sommer Bild: Evgeni Tcherkasski auf Pixabay / Pixabay License

Wer das Plateau der ehemaligen Erddeponie in Hechingen bei Tübingen erklimmt, blickt plötzlich in den Abgrund. Eine fast fußballfeldgroße, gestufte Ausschachtung tut sich dort auf, elf Meter tief, die Seiten wie mit dem Lineal gezogen. Die neu angelegte Grube soll einmal randvoll mit Wasser gefüllt werden - nicht, um den Hechingern einen Badesee zu schenken, sondern um Energie zu speichern. "Aus diesem Becken werden wir rund 2.000 Menschen im benachbarten Neubauquartier mit klimaneutraler Wärme versorgen" , erläutert Markus Friesenbichler, Geschäftsführer der Stadtwerke Hechingen.

Dazu will der Kommunalbetrieb an der Südflanke der Grube eine große Solarthermieanlage(öffnet im neuen Fenster) installieren. Die erhitzt das Wasser im Sommer auf bis zu 90 Grad Celsius. Die umgebenden Erdmassen und eine isolierende Abdeckung sorgen laut Friesenbichler dafür, dass das Wasser bis weit in den Winter heiß genug bleibt, um die Wohnungen und Häuser gemütlich warm zu bekommen. Die Gebäude im Neubaugebiet Killberg IV sind über ein Nahwärmenetz mit dem Speicher verbunden. "Dank unseres Erdbeckenspeichers werden wir auf das Jahr gerechnet rund 70 Prozent des Wärmebedarfs der Haushalte durch die Solarthermieanlage decken können" , sagt der Stadtwerke-Chef.

Der schwäbische Kommunalbetrieb will mit dem Speicher ein naturgegebenes Dilemma bei der Energieversorgung umgehen: Im Sommer ist Wärme im Überfluss verfügbar, im Winter muss sie aufwendig erzeugt werden(öffnet im neuen Fenster) . Das geschieht immer noch vorwiegend mit fossilen Brennstoffen. Fast 40 Prozent der gesamten CO₂-Emissionen in Deutschland entstehen durch die Wärmeversorgung. Langzeitwärmespeicher wie der in Hechingen machen es möglich, in den kalten Monaten mit klimaneutraler Sommerwärme zu heizen. Vorreiter ist Dänemark. Bei unseren nördlichen Nachbarn gibt es eine Reihe solcher Erdbeckenspeicher. Nun zieht Deutschland nach, wenn auch langsam: Neben der Anlage in Hechingen entstehen derzeit im schleswig-holsteinischen Meldorf(öffnet im neuen Fenster) und im mittelhessischen Bracht weitere Erdbeckenspeicher(öffnet im neuen Fenster) .

Abwärme und Wärmepumpen als weitere Wärmequellen

Das Konzept hat auch deshalb Charme, weil sich neben der Solarthermie noch andere Wärmequellen nutzen lassen. So wird der Meldorfer Speicher unter anderem mit Abwärme aus einer ortsansässigen Druckerei und einer lokalen Biogas-Anlage aufgeheizt, für die es keine andere Verwendung gibt. Die Dänen wiederum beheizen manche ihrer Speicher mit der Abwärme von Müllverbrennungsanlagen, die ansonsten im Sommer ungenutzt an die Umwelt abgegeben werden müsste.

Mitunter kommen in Dänemark aber auch strombetriebene Wärmepumpen(öffnet im neuen Fenster) zum Einsatz, die im Sommer quasi auf Vorrat Wärme für den Winter erzeugen. Denn beim Strom gibt es ebenfalls eine saisonale Schieflage: Im Sommer liefern Photovoltaik-Anlagen um ein Vielfaches mehr Energie als im Winter. Mit Batteriespeichern lässt sich Strom aber lediglich maximal für wenige Tage speichern.

"Es ist sehr sinnvoll, mit dem im Sommer reichlich verfügbaren Solarstrom Wärmepumpen zu betreiben und die erzeugte Wärme in einen saisonalen Speicher zu leiten" , sagt Professor Jörg Worlitschek, Gründer und Co-Leiter des Kompetenzzentrums Thermische Energiespeicher der Hochschule Luzern. Im Winter wird der Speicher entladen, indem Wärmepumpen dessen Wärme verwenden, um Heizenergie zu erzeugen. "Die Anlagen arbeiten umso effizienter, je höher die Temperatur der Wärmequelle ist, auf die sie zugreifen. Sie benötigen also für die Wärmeerzeugung weit weniger Strom als es ohne Speicher der Fall wäre. Damit wird der saisonale Wärmespeicher zu einer Art Langzeit-Stromspeicher" , sagt der Schweizer Forscher.

Ein willkommener Nebeneffekt: Die Stromnetze werden entlastet, wenn die Wärmepumpen im Sommer mehr Strom beziehen. Denn mancherorts könnten die Netze bei einem starken Ausbau der Photovoltaik an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen, da an sonnigen Tagen sehr viel Strom in die Leitungen geflutet wird. Zudem lässt sich so der zusätzliche Strombedarf im Winter, der unter anderem durch den Umstieg von Gas- und Ölheizungen auf Wärmepumpen entstehen wird, verringern.

Sommerwärme im Untergrund speichern

Erdbeckenspeicher wie der in Hechingen sind wegen ihres Platzbedarfs allerdings längst nicht überall durchsetzbar. Doch es gibt Alternativen: Deutlich einfacher ist es, den Erdboden als Wärmespeicher zu verwenden, wie das bereits etwa in einem Neubauquartier am Zugersee in der Schweiz geschieht(öffnet im neuen Fenster) .

Hier wird Wärme, die bei der Kühlung der Gebäude im Sommer anfällt und die von Solarthermie-Kollektoren auf den umliegenden Dächern erzeugt wird, über bis zu 280 Meter tief reichende Erdsonden in den Boden geleitet. Im Winter entziehen die Sonden dem Erdreich die Wärme wieder und stellen sie Wärmepumpen zur Verfügung, die damit sehr effizient Heizenergie erzeugen können. "Das Erdreich eignet sich hervorragend, um sehr große Mengen an Wärme über lange Zeit zu speichern" , sagt Gianfranco Guidati, Wissenschaftler am Energy Science Center der ETH Zürich. "Zudem nehmen solche Speicher praktisch keinen Platz an der Oberfläche ein, sie sind so gut wie unsichtbar."

Auch die Stadtwerke Hechingen werden den Untergrund als Speicher nutzen, als Ergänzung zu ihrem Erdbecken. Sie haben bereits neben der Grube tiefe Sonden eingebracht, die im Winter Wärme für eine Wärmepumpe liefern. Wie am Zugersee wird der Boden im Sommer durch die Solarthermieanlage erwärmt. Die Wärmepumpe soll vor allem dann laufen, wenn der Erdbeckenspeicher im späten Winter nicht mehr ausreichend Wärme bereitstellen kann.

Grundwasser als saisonaler Speicher

Darüber hinaus haben aber auch sogenannte Geothermie-Speicher großes Potenzial. Das Konzept sieht vor, im Sommer erhitztes Wasser in sogenannte Aquifere - unterirdische Schichten aus porösen, wasserführenden Materialien wie Sand- oder Kalkstein - zu leiten. Dort gibt es die Wärme ab und wird wieder an die Oberfläche gepumpt. Im Winterhalbjahr wird der Kreislauf umgekehrt.

Eine solche Anlage entsteht derzeit am Stadtrand von Bern: Der Versorger Energie Wasser Bern (ewb) richtet momentan in bis zu 500 Meter tief gelegenen Sandsteinschichten einen Speicher ein(öffnet im neuen Fenster) , der Abwärme aus der örtlichen Müllverbrennungsanlage aufnehmen soll. Hierzulande gibt es in den Voralpen, im Oberrheingraben und andernorts Aquifere, die sich für Geothermie-Speicher nutzen lassen.

Darüber hinaus arbeiten Experten an einer Reihe weiterer Konzepte für saisonale Wärmespeicher, die aber noch nicht praxisreif sind. Dazu zählen etwa thermochemische Speicher, die umkehrbare chemische Reaktionen nutzen, um Wärme in einem Stoff zu speichern. Ein Team des SPF Institut für Solartechnik der Ostschweizer Fachhochschule und des Unternehmens Luft und Laune arbeitet an großen wassergefüllten Speicherballons, die in Seen verankert werden sollen. Und Wissenschaftler der Hochschule Luzern schlagen gar vor, in nicht genutzten, eigens gedämmten Räumen von Gebäuden Wasser-Wärmespeicher einzurichten.


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