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Saints Row im Test: Heilig's Blechle - das ist mehr als ein GTA-Ersatz!

Keine Dildos, trotzdem lustig: Im neuen Saints Row machen wir mitten in einer Wüstenstadt die ganz große kriminelle Karriere.
/ Peter Steinlechner
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Artwork von Saints Row (Bild: Plaion)
Artwork von Saints Row Bild: Plaion

Wir alle wissen es mehr als gut genug: Es wird noch lange dauern, bis GTA 6 erscheint - Jahre. Nun füllt Saints Row ein Stück weit die Lücke und dies nicht zum ersten Mal: Speziell die frühen Saints-Row-Spiele waren mit überdrehtem, oft durchaus lustigem Pennälerhumor angereichte Klone von Grand Theft Auto.

Nun folgt der Neustart, und die gute Botschaft: Nach dem nicht ganz gelungenen, gut zwei bis drei Stunden langen Auftakt stehen wir in einem Auto auf dem Highway, wechseln zwischen mehreren Radiostationen, liefern uns eine Verfolgungsjagd mit den Cops - und genießen wieder diese coole Mischung aus Freiheit auf vier Rädern, Kontrolle über ein Fahrzeug plus Action und Feuergefechte.

Der Anfang der Kampagne schickt uns nach der Charaktergenerierung in überwiegend lineare Missionen, in denen wir für ein Sicherheitsunternehmen arbeiten, nach Feierabend mit Kumpels simple Überfälle ausführen und dabei zwischen die Fronten echter Gangsterbanden geraten.

Nach besagten zwei bis drei Stunden fällen wir mit unseren Freunden jedoch einen Entschluss: Wir erpressen den örtlichen Immobilienmakler, um an eine alte Kirche zu gelangen. Wir nennen uns die "Saints" - und starten eine professionelle kriminelle Karriere!

Wir, das sind: ein frei konfigurierbarer und jederzeit austauschbarer Mensch als unser Alter Ego, ein immer mit nacktem Oberkörper auftauchender Partyhengst namens Kevin, Neenah, die ehemalige Fahrerin einer Gang, sowie der Nerd Elijah.

Ein wichtiges Element der kriminellen Karriere des Quartetts: Wir können in allen Vierteln der fiktiven Wüstenstadt Santo Ileso eigene Gebäude errichten. Dazu müssen wir in der Kirche - unserem Hauptquartier - auf den sogenannten Imperiumstisch klicken. An mit Kringeln markierten Stellen können wir dann eine Festung oder eine Food-Truck-Zentrale errichten.

Saints Row - Fazit
Saints Row - Fazit (02:20)

Die Gebäude lassen sich dann weiter ausbauen, etwa indem wir zu vier Food Trucks der Konkurrenz fahren, dort feindliche Gangmitglieder in Massengefechten über den Haufen schießen, den Truck kapern und zu uns überstellen. Wenn uns das gelingt, steigt unser Einkommen und wir können mehr bauen und kaufen.

Wir finden, dass die Entwickler von Saints Row dieses System gut umgesetzt haben. Wir haben das Gefühl, uns immer mehr in der Stadt auszubreiten und wirklich ein kriminelles Imperium zu errichten. Es gibt keine überkomplizierten Bau-Menüs und Geld spielt selten eine Rolle (wir hatten fast immer viel zu viel übrig).

Neben dieser Karriere gibt es noch die eigentlichen, meist mit Zwischensequenzen und Handlungshäppchen angereicherten Hauptmissionen, sowie viele Neben- und Sammelaufgaben. Unterm Strich bietet Saints Row hier mehr als ein typisches GTA, aber längst nicht so viel wie das typische Assassin's Creed.

Der Umfang ist schwierig zu schätzen, aber um die 30 bis 60 Stunden sollte man sich hier gut beschäftigen können. Positiv: Es ist immer sehr klar, welche Optionen wir gerade haben, und überhaupt fällt die Orientierung auf der Straße und in Missionen sehr gut aus.

Wir haben schon lange kein Open-World-Spiel mehr erlebt, in dem wir so wenig Zeit durch Umherirren verloren haben. Es gibt optionale Schnellreisen, aber nur außerhalb von Missionen zum Hauptquartier und einige wenige andere Orte.

Sehr viel Zeit haben wir allerdings verloren, wenn in den Missionen etwas schief gelaufen ist: Es gibt teils viel zu wenige Checkpoints, sodass wir bei Fehlern mitunter sehr lange Abschnitte wiederholen müssen.

Kämpfe, Fahrverhalten und Technik

Dazu reicht es, wenn einer unserer Kumpel zu viele Treffer kassiert und wir ihn auf dem Schlachtfeld wiederbeleben müssen, oder wenn wir versehentlich den Einsatzort verlassen: Dann wird ein Timer eingeblendet, und wir müssen innerhalb weniger Sekunden zurück - wobei längst nicht immer klar ist, wohin genau.

Die Einsätze selbst sind so abwechslungsreich, wie es mit den Hauptaktivitäten "Feinde erschießen" und "Autos auf mörderische und selbstmörderische Weise fahren" nun eben möglich ist. Den schon erwähnten Immobilienmakler etwa müssen wir durch Stunts und wildes Driften dazu bringen, dass er uns die Kirche überschreibt.

Später zerstören wir mit einem Toilettenhäuschen im Schlepptau ein ... ach, das verraten wir lieber nicht. Die Missionen sind nicht ganz so aufwendig in Szene gesetzt wie einige Jobs in GTA 5, aber es gibt viel Abwechslung und teils herrlich schrägen Humor.

Aber: Fast immer enden die Aufträge mit langen Schießereien, bei denen wir ein oder zwei Oberbosse und Dutzende Mitglieder von feindlichen Gangs wie den Prophets oder den Idols und gelegentlich auch von den Cops erschießen müssen.

Uns war das stellenweise viel zu viel des Guten, auch wenn's eigentlich Spaß macht. Die (ein- und ausschaltbare sowie konfigurierbare) Zielaufschaltung per Gamepad klappt gut, so dass wir aus der Third-Person-Perspektive ganz gut durch die Massenschlachten gekommen sind. Es gibt fünf Schwierigkeitsgrade, zwischen denen wir jederzeit wechseln dürfen.

Ein Punkt, der uns in Saints Row nicht so gut fällt wie in GTA 5 (oder früheren Spielen), ist die in der Wüste um einen See gelegene Metropole Santa Ileso. Auch nach vielen Spielstunden hatten wir nicht das Gefühl, die Stadt irgendwie verstanden zu haben. Statt eines klaren Zentrums gibt es nur kulissenhafte Straßenzüge, durch die man mehr oder weniger oft fährt.

Sonderlich gut sieht das vor allem bei Tag nicht aus, es gibt wenig spannende Details und viele Texturen sehen matschig aus. Nach dem Wechsel zur Nacht ändert sich das, weil die Beleuchtung der Straßenzüge, der umherfahrenden Autos und von Werbung ganz hübsch ist. Die Außengebiete bestehen vor allem aus Wüste und Canyons, was über weite Strecken nett anzusehen ist - aber selten für Staunen sorgt.

Das Fahrverhalten der Autos ist einfacher und viel stärker auf Action ausgelegt als in GTA. Ungewollte Überschläge und ähnliches gibt es tatsächlich gar nicht - selbst wenn wir mit einem schmalen und hohen Transporter in der Kurve in die Leitplanke rauschen, können wir nach ein bisschen Gewackel immer weiterfahren. In der Wildnis ist das absichtlich etwas anders, hier schleudern die meisten Vehikel recht schnell teils unberechenbar durch den Sand.

Saints Row - Trailer (Individualisierung)
Saints Row - Trailer (Individualisierung) (05:23)

Technisch macht Saints Row in der getesteten Version auf Playstation 5 einen durchwachsenen Eindruck. Größere Probleme oder gar Abstürze hatten wir nicht, Ruckler nur in sehr wenigen Situationen mit extrem vielen Explosionen gleichzeitig - das hat uns nicht gestört.

Was wir nicht so schön finden, sind dagegen viele kleine Unsauberkeiten: Die schon genannten Matschtexturen, aufploppende Elemente in der Ferne, eine unsaubere Kollisionsabfrage in Kämpfen und ähnliches. Saints Row wirkt dadurch trotz des sonst spürbaren Produktionsaufwands teils unnötigerweise wie eine Billigproduktion - schade!

Stellenweise wird diese Anmutung dann wieder durch absichtlich übertriebene Trash-Elemente verstärkt, etwa durch Massen an irrsinnigen Explosionen oder durch Feinde, die bei Treffern regelrecht einen Salto ausführen. Wirkt nicht glaubwürdig und ist Geschmackssache, hat uns aber sehr gefallen.

Saints Row: Verfügbarkeit und Fazit

Auf der Playstation 5 haben wir die Wahl zwischen fünf Grafikmodi. Voreingestellt ist "1080p Ultra-Qualität", inklusive Raytracing - wir fanden dies nach ein bisschen Herumprobieren die beste Option.

Alternativ können wir unter anderem mit weniger Details in "2160p UHD/4K" antreten. Das Entwicklerstudio Deep Silver Voliton hat kurz vor der Veröffentlichung des Spiels auch die PC-Spezifikationen ins Netz(öffnet im neuen Fenster) gestellt.

Die Veröffentlichung ist für den 23. August 2022 geplant, und zwar für Playstation 4 und 5, Xbox One und Series X/S (jeweils rund 80 Euro) sowie für Windows-PC (Epic Games Store, rund 60 Euro). Es gibt nur eine englische Sprachausgabe, bei der wir vor allem wegen des Tempos viel mehr Verständnisprobleme hatten als etwa bei GTA 5.

Deutsche Untertitel sind verfügbar, diese sind aber auch bei langsamer Einblendegeschwindigkeit (regelbar in den Optionen) noch etwas zu schnell - wer allen Dialogen folgen will, muss hier durchaus mit Problemen rechnen.

Saints Row - Trailer (Gamescom 2021)
Saints Row - Trailer (Gamescom 2021) (03:32)

Die Kampagne ist Solo und im Zweier-Koop mit jederzeitigem Drop-in/Drop-out spielbar, was wir beim Test gar nicht ausprobieren konnten. Saints Row hat von der USK eine Freigabe ab 18 Jahre erhalten.

Fazit

Es macht uns richtig viel Spaß, mal wieder in so etwas wie einem neuen Grand Theft Auto unterwegs zu sein - auch wenn Saints Row auf dem Startbildschirm steht. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den Serien, wobei die Abenteuer in Santo Ileso sogar gelungene Neuerungen bieten. Aber der grundlegende Mix aus Ballern und Fahren ist vergleichbar - gut so!

Beim Aufstieg zur kriminellen Großmacht in Saints Row gefallen uns Elemente wie das Anlegen und Ausstatten eigener Gebäude. Uns motiviert es, sichtbar Einfluss auf die Stadt zu haben. Nach 30 bis 40 Stunden geht die Motivation zwar etwas flöten, weil wir dann alles haben - aber bis dahin fühlen wir uns prächtig unterhalten.

Besonderes Lob verdienen einige der schrägeren Missionen, exemplarisch sei der Ausflug in die Welt des Live-Action-Rollenspiels mit einem virtuellen Kumpel genannt. Überhaupt sind die Teammitglieder eine Stärke: Statt Hipster zum Fremdschämen gibt es gelungenen Humor rund um die Gruppe.

Saints Row könnte aber noch besser sein: Große Teile der Welt sehen vor allem tagsüber auch bei Maximalgrafik trist aus. Erst bei Nacht sorgen die Lichteffekte für Stimmung. Auf Dauer gibt es uns zu viele Massen-Feuergefechte und das Fahrgefühl ist uns zu simpel - schade. Immerhin machen uns die Kämpfe dank der eingängigen Steuerung teils dennoch mehr Spaß als die von GTA 5.

Ein größeres Ärgernis in Saints Row sind die wenigen Checkpoints, durch die wir bei Problemen immer wieder lange Abschnitte wiederholen müssen - selbst wenn wir nur aus dem Missionsgebiet gelaufen sind und nicht rechtzeitig wieder zurückkommen. Überhaupt hätte dem Programm mehr Feintuning und Politur gutgetan.

Unterm Strich ist Saints Row aber ein gelungenes Spiel und eine Empfehlung für alle, die trotz der genannten Schwächen grundsätzlich die Mischung aus Fahren und Feuern mögen!


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