Safe Harbor: Im Datenschutz-Limbo
Bis Montag wollen EU-Kommission und US-Regierung ein neues Abkommen zum Datentransfer erarbeiten, doch eine Einigung ist nicht in Sicht. Die Wirtschaft wird nervös.

Safe Harbor ist tot, und der Geburtstermin für ein Safe Harbor 2 droht zu verstreichen: In vier Tagen läuft die Frist aus, die Europas Datenschützer der EU-Kommission und der US-Regierung gesetzt haben, um ein neues Abkommen zum Datentransfer von Europa in die USA zu erarbeiten. Im Moment sieht es nicht danach aus, als ob es so bald eine Einigung geben wird. Und das könnte Folgen haben, für Unternehmen, Bürger und Datenschützer.
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Das Safe-Harbor-Abkommen regelte seit dem Jahr 2000, unter welchen Umständen ein Unternehmen personenbezogene Daten in die USA übertragen darf, seien es Daten von Nutzern eines US-Internetdienstes oder die von Angestellten eines europäischen Unternehmens mit Zweigstellen in den USA. Unternehmen konnten dem Abkommen, das streng genommen nur eine Entscheidung der EU-Kommission war, beitreten, indem sie bestimmte Datenschutzverpflichtungen eingingen.
Die 240-Milliarden-Dollar-Industrie
Doch die Daten der Europäer waren nicht so sicher, wie der Name Safe Harbor - sicherer Hafen - suggerierte. Am 6. Oktober erklärte der Europäische Gerichtshof (EuGH) das Safe-Harbor-Abkommen für ungültig, weil es nicht mit der EU-Grundrechtecharta vereinbar ist. "Unbegrenzte Zugriffsmöglichkeiten von US-Geheimdiensten auf Daten europäischer Herkunft verletzten den Kernbereich der Grundrechte", fasst der ehemalige Bundesdatenschützer Peter Schaar das Urteil zusammen. Außerdem können EU-Bürger keine Auskünfte von US-Behörden verlangen oder die Rechtmäßigkeit der Zugriffe juristisch überprüfen lassen.
Damit ist einer Milliardenindustrie die Rechtsgrundlage entzogen worden. 2015 lag das Handelsvolumen im Digitalgeschäft zwischen den USA und Europa bei 240 Milliarden Dollar. Außerdem beschäftigen US-Firmen vier Millionen Angestellte in Europa - deren Mitarbeiterdaten oft in das Heimatland übertragen werden.
Die Artikel-29-Datenschutzgruppe hat als Reaktion auf das Urteil der EU-Kommission den USA eine Frist gesetzt: Bis zum 31. Januar soll eine Lösung gefunden werden, ansonsten würden die Datenschutzbehörden "angemessene Maßnahmen" ergreifen. In dem Gremium sind Vertreter der EU-Datenschutzbehörden, der europäische Datenschutzbeauftragte und ein Vertreter der EU-Kommission organisiert. "Angemessene Maßnahmen" könnten im Extremfall aus einem Verbot der Datenübertragung in die USA bestehen, wenn sich das betroffene Unternehmen weiterhin nur auf seine Verpflichtungen aus Safe Harbor beruft.
Alternativen zu Safe Harbor umstritten
So schnell dürfte das aber nicht passieren. "Es ist nicht davon auszugehen, dass der Datenaustausch nächste Woche gestoppt wird", sagte Alexander Dix am Mittwoch in einem Vortrag an der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz (EAID). Dix war bis zum heutigen Donnerstag der Berliner Beauftragte für den Datenschutz, nun ist seine Nachfolgerin Maja Smoltczyk im Amt. Der bisherige Datenschutzbeauftragte der Hauptstadt sieht die Firmen in der Pflicht, eigene Maßnahmen zu entwickeln, um die Daten der Nutzer und Mitarbeiter in den USA zu schützen oder gar nicht erst zu übertragen: "Unternehmen sollten alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um sich der Überwachung entgegenzustellen." Als Beispiel nennt er eine Datenverarbeitung in Europa - ein Vorschlag, den auch andere Datenschützer schon gemacht haben.
Das stößt natürlich auf Unmut der Industrievertreter. "Daten ausschließlich in Europa zu verarbeiten, ist technisch in vielen Bereichen kaum umsetzbar", sagt Susanne Dehmel, Bitkom-Geschäftsleiterin für Datenschutz und Sicherheit. In der Praxis berufen sich Unternehmen auf Alternativen zu Safe Harbor, vor allem die Standardvertragsklauseln und Binding Corporate Rules. Diese Vereinbarungen definieren zwar ebenfalls einen gewissen Schutz bei Datenübertragungen, doch die Argumentation des EuGH aus dem Safe-Harbor-Urteil wäre auf sie ebenfalls anwendbar: So lange US-Gesetze wie der Patriot Act über allem stehen und US-Behörden deshalb problemlos auf jede Art von Nutzerdaten aus der EU zugreifen dürfen, verletzen auch die Safe-Harbor-Alternativen "den Wesensgehalt der EU-Grundrechtecharta". Das sehen auch die Datenschützer so. Ob die Safe-Harbor-Alternativen wirklich welche sind, ist derzeit also Ansichtssache.
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