Rheinmetall, Hensoldt, Renk: Was Anleger über Rüstungsaktien wissen müssen

Europa rüstet auf. In den vergangenen zwei Jahren haben die europäischen Nato-Mitglieder die Ausgaben für eine Modernisierung ihrer militärischen Fähigkeiten um 100 Milliarden US-Dollar erhöht. Auf dem Nato-Gipfel Ende Juni haben sie sich gemeinschaftlich zu einem historischen Gesamtausgabenziel von 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2035 verpflichtet. Mindestens 3,5 Prozent werden für klassische Verteidigung wie Waffen und Munition ausgegeben, weitere 1,5 Prozent für defence-bezogene Bereiche wie Infrastruktur oder Netzsicherheit. Fast 800 Milliarden Euro will die EU künftig für Verteidigung ausgeben. Allein Deutschland wird im Jahr 2025 rund 53 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt direkt für die Bundeswehr bereitstellen, dazu kommt noch Geld aus einem Sondervermögen.
Die Aussicht auf solche massiven Investitionen treibt die Aktienkurse von Rüstungsfirmen an. Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine hat allein der deutsche Hersteller Rheinmetall einen Kurssprung von 1.700 Prozent erlebt.
Rüstungsaktien: (K)eine Frage der Moral?
Als der Rapper Bushido im Oktober 2024 im Interview mit dem Finanzmagazin Der Aktionär freimütig von seinen frühen und sehr lohnenswerten Investitionen in Rheinmetall berichtete(öffnet im neuen Fenster) , erntete er einen Shitstorm. Er habe "natürlich auch die geopolitischen Probleme auf dieser Welt dazu genutzt, Profit zu machen," sagte Bushido. In Rheinmetall habe er "sehr hoch investiert," auch in Drohnenhersteller. "Offensiv wie defensiv" habe er "sehr viel Geld rausgeholt."
Viele Fans warfen ihm danach vor, von Kriegen zu profitieren. Später veröffentlichte der Rapper deshalb ein Entschuldigungs-Video(öffnet im neuen Fenster) : Sein Handeln sei "moralisch nicht in Ordnung" gewesen, sagte er. Seine gesamten Anteile an Rüstungsunternehmen habe er mittlerweile verkauft und an Unicef gespendet. Das Beispiel zeigt, wie kontrovers Investitionen in Rüstungsaktien gewertet werden.
Skrupel der Anleger schwinden
Während Friedensforschungsinstitute argumentieren, dass Investitionen in Rüstung Unternehmen belohnen, die Gewalt verstärken oder an fragwürdigen Regimen verdienen, verweisen Befürworter auf die sicherheitspolitische Notwendigkeit eines funktionierenden Verteidigungssektors - insbesondere in Zeiten wachsender geopolitischer Instabilität.
Bei Anlegern scheint die Frage nach der Moral allerdings mehr und mehr in den Hintergrund zu treten. Eine Umfrage des Vergleichsportals Verivox belegt, dass die Skrupel schwinden: Im Jahr 2024 lehnten 42 Prozent solche Geldanlagen aus moralischen Gründen ab, zwei Jahre zuvor waren es noch 53 Prozent. Vor allem der Krieg in der Ukraine hat bei einem Großteil der Befragten (56 Prozent) zu einem Umdenken geführt.
Paradigmenwechsel bei nachhaltigen Fonds
Der Stimmungsumschwung passt zu einem Paradigmenwechsel in der Finanzbranche, wo selbst Fonds, die mit Nachhaltigkeit werben, sich gerade für Investitionen in die Rüstungsindustrie öffnen. Die Allianz Global Investors (AGI) hat im April 2025 angekündigt, Richtlinien für ihre ESG-Fonds (Environmental, Social und Governance) so zu ändern, dass auch "militärische Ausrüstung und Dienstleistungen" nicht länger ausgeschlossen seien.
Außerdem dürfen die Fonds nun auch investieren, wenn Unternehmen mehr als zehn Prozent ihres Umsatzes mit Rüstung erzielen. Investitionen in Unternehmen, die Geschäfte mit geächteten Waffen wie Streubomben machen, bleiben weiterhin verboten.
Das Kernargument für die Neubewertung: Auch Rüstung sei ESG-konform, da Verteidigungsfähigkeit eine Voraussetzung für nachhaltiges Wirtschaften sei. Möglich wurde das, weil das sogenannte ESG-Zielmarkt-Konzept, eine Art Branchenstandard für ESG-Fonds, gelockert wurde. An dem Regelwerk orientieren sich Banken und Fondsanbieter, wenn sie entscheiden, wie sie einen Fonds aussetzen.
Die Lockerung gefällt nicht jedem: Ein Bündnis aus nachhaltig ausgerichteten Banken wie der GLS Bank, der Umweltbank und verschiedenen Kirchenbanken spricht sich nach wie vor für eine schärfere Einschränkung von Rüstungsaktien in nachhaltigen Fonds aus (PDF)(öffnet im neuen Fenster) . Es wird befürchtet, andernfalls könnte das Label ESG verwässert werden.
Rüstungsaktien stecken in vielen Fonds
Was Anleger aus der Diskussion mitnehmen können: Letztlich muss jeder es mit seinem Gewissen ausmachen, ob eine Investition in Rüstungsgüter vertretbar ist. Wer sie als No-Go bewertet, muss bei der Fondsauswahl künftig genauer hinschauen. Denn auch Fonds mit ESG-Label sind kein Garant mehr für rüstungsfreie Investments.
Um gezielt Rüstungsunternehmen auszuschließen, sollten Anleger auf Transparenzberichte achten und im Zweifel zu Fonds mit strengeren nachhaltigen Investitionsregeln wechseln. Die Fondssuche des Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG)(öffnet im neuen Fenster) oder nachhaltige Banken können Orientierung bieten.
Auch Sparer, die mit börsengehandelten Fonds (ETFs) auf einen großen Aktienindex setzen, haben automatisch Rüstungsaktien im Depot. In einem ETF auf den DAX ist automatisch auch Rheinmetall enthalten. Gleiches gilt für den bei Anlegern beliebten MSCI World, in dem Rüstungsunternehmen wie Lockheed Martin, Northrop Grumman, Raytheon Technologies oder BAE Systems vertreten sind.
Wer jetzt einsteigt, ist spät dran
Wer jetzt noch von der Rüstungsrally profitieren will, kommt wahrscheinlich ein bisschen spät. Denn Rheinmetall & Co. sind an der Börse schon so hoch bewertet, dass sich die großen Kurszuwächse der jüngsten Vergangenheit kaum fortschreiben lassen. In Zukunft müssen Anleger daher auch mit Rücksetzern rechnen. Nach dem steilen Anstieg erlebten die Aktien von Rheinmetall, Renk und Hensoldt bereits im Juni und Juli zuletzt eher eine Konsolidierungsphase und verloren jeweils zwischen fünf bis sechs Prozent. Analysten bewerten das als gesunde Korrektur nach der spektakulären Rally. Anfang Juli stiegen die Kurse wieder etwas.
Rheinmetall hat zuletzt zwar gute Zahlen vorgelegt und wird in diesem Jahr wahrscheinlich einen Rekordumsatz von 13 Milliarden Euro und einen Nettogewinn von 1,3 Milliarden Euro machen. Doch ein Blick auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) zeigt, dass diese Entwicklung im Aktienkurs bereits eingepreist ist.
Das KGV wird berechnet, indem der aktuelle Aktienkurs durch den Gewinn pro Aktie (Earnings Per Share, EPS) geteilt wird. Investoren können mit diesem Wert besser abschätzen, ob eine Aktie im Verhältnis zu den erzielten Gewinnen teuer oder günstig ist. Ein hohes KGV kann auf eine Überbewertung hindeuten, ein niedrigeres KGV auf eine günstige Bewertung.
Bei Rheinmetall liegt der Börsenwert aktuell beim 64-Fachen des Jahresnettogewinns. Gemessen an den erwarteten Gewinnen der kommenden vier Quartale liegt das KGV bei 92,58 - vergleichsweise hoch. Trotzdem empfehlen 82 Prozent der Analysten die Aktie weiterhin zum Kauf.
Anleger sollten trotz des aktuellen Booms mögliche Rückschläge somit nicht ausblenden. Die Rüstungsbranche ist stark von staatlichen Aufträgen abhängig, was sie anfällig für haushaltspolitische Kürzungen macht. Ein verändertes politisches Klima, Exportbeschränkungen oder Friedensinitiativen können die Umsätze von Rüstungsunternehmen schnell wieder dämpfen. Auch die öffentliche Debatte über ESG-Standards könnte dazu führen, dass sich einige Finanzakteure wieder stärker von der Branche abwenden.
Ansturm auf Rüstungs-ETFs
Wer sich eine Bewertung von Einzelaktien nicht zutraut, hat andere Investitionsmöglichkeiten: Es werden immer mehr Rüstungs-ETFs aufgelegt. Sie investieren in mehrere Unternehmen aus der Branche und minimieren so das Risiko im Vergleich zum Kauf von Einzelaktien.
Der älteste Rüstungs-ETF, der Vaneck Defense, ist knapp zwei Jahre alt, hat in diesem Zeitraum aber bereits ein Fondsvermögen von 4,9 Milliarden Euro erreicht. Auch der britische Fondsanbieter HANetf vermeldete kürzlich Zuflüsse von über einer Milliarde US-Dollar in seinem Future of Defence UCITS ETF.
Zuletzt kam mit dem Wisdomtree Europe Defence ein Fonds hinzu, der mit Schwerpunkt auf europäische Rüstungsfirmen investiert und bereits ein Volumen von rund 1,4 Milliarden Euro erreicht hat. Das Vergleichsportal Just ETF listet aktuell 14 ETFs mit dem Schwerpunkt auf Rüstung und Verteidigung auf(öffnet im neuen Fenster) .
Was man über Rüstungs-ETFs wissen sollte
Rüstungs-ETFs sind etwas teurer als Standard-ETFs, etwa auf den MSCI World; sie berechnen eine Gesamtkostenquote (TER) von 0,35 bis 0,65 Prozent pro Jahr, während die Gebühren für klassische Welt-ETFs meist bei 0,1 bis 0,2 Prozent liegen.
Anleger sollten sich zudem bewusst sein, dass solche Themen-ETFs ein deutlich größeres Klumpenrisiko beinhalten als breit gestreute Fonds wie der MSCI World, der die Entwicklung von 1.400 der größten Unternehmen aus 23 Industrieländern abbildet.
Außerdem kommt es nicht selten vor, dass Themen-ETFs wieder geschlossen werden, wenn der Hype um einen Trend nachlässt. Für Anleger besteht dann die Gefahr, dass sie ihre Anteile mit Verlusten verkaufen müssen.
Laut einer Studie des Fisher College of Business(öffnet im neuen Fenster) schneiden Themen-ETFs in den ersten fünf Jahren nach Einführung oft schlechter ab als der Markt, im Schnitt liegen sie sechs Prozent unter dem breiten Marktdurchschnitt. Wahrscheinlich liegt das daran, dass solche ETFs oft auf überbewerteten Aktien basieren, die bei Einführung des ETFs bereits Höchststände erreicht haben.
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