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Retro Computing: Warum habe ich 2001 kein iBook gekauft?

Kopf in den Sand!
Die Geschichte eines PC-Fehlkaufes und ein Blick auf die Apple -Alternative 20 Jahre später.
Aktualisiert am , veröffentlicht am / Martin Wolf
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Etwas dicker als heutige Notebooks, aber immer noch schick - das iBook G3 Dual USB. (Bild: Martin Wolf / Golem.de)
Etwas dicker als heutige Notebooks, aber immer noch schick - das iBook G3 Dual USB. Bild: Martin Wolf / Golem.de

Hier wird das Techie-Herz erwärmt: Diese Serie ist für alle von euch, die sich jeden Tag eine kleine Auszeit von der Weltlage wünschen. Es gibt täglich eine Geschichte für euch aus unserem Archiv - geeignet für ein wenig fröhlichen Eskapismus. Viel Spaß!

Bei der Entscheidung für die richtige Hardware ist mir mehr als ein Fehler unterlaufen. So war mein erster selbstgekaufter Rechner 1991 ein Atari STE(öffnet im neuen Fenster) - zu einem Zeitpunkt, als die Firma bereits rasant dem Ende entgegenschlitterte.

Ich hatte aus kindlicher Markenloyalität angenommen, dass der mit Spezialchips(öffnet im neuen Fenster) ausgestattete Rechner der grafischen Übermacht des Amiga etwas entgegensetzen konnte, und auf tolle neue Spiele gehofft. Stattdessen schaute ich nun neidisch auf die Leistungen der aktiven Demoszene(öffnet im neuen Fenster) der Commodore-Rechner und musste mit Public-Domain-Disketten aus dem einzigen Atari-Laden in meiner Stadt vorlieb nehmen, weil kein Mensch aus meinem Freundeskreis einen uncoolen Atari besaß.

Habe ich zehn Jahre später abermals die falsche Entscheidung getroffen, als ich mir einen teuren PC-Laptop anschaffte? Aber der Reihe nach.

Ein iBook für 30 Euro

In einem Video auf Youtube(öffnet im neuen Fenster) stellte jemand vor einiger Zeit seinen ersten Laptop vor: ein iBook von 2001. Ich musste daran denken, wie ich zu exakt dieser Zeit ebenfalls ein neues Windows-PC-Notebook kaufte, und stellte mir die Frage: Was wäre anders gewesen, wenn ich mich für ein iBook entschieden hätte? Es gab nur einen Weg, das herauszufinden. Ich orderte mir für 30 Euro ein gebrauchtes iBook von 2001 und versuche nun nachzustellen, was ich damit gemacht und ob der Rechner meinen damaligen Ansprüchen genügt hätte.

2001 war das Geburtsjahr meiner Tochter. Es gab keine Elternzeit, kein Homeoffice - noch nicht einmal den Euro! Ich war mit meinen 23 Jahren in der Ausbildung zum Mediengestalter bei einem lokalen Fernsehsender.

Die dortige IT-Ausstattung war mit zahllosen beigen PC-Kisten unterschiedlichen Alters nicht schlecht. Es gab bereits 1999 einen einzigen SCSI-CD-Brenner sowie eine extrem teure Targa-Karte(öffnet im neuen Fenster) zur Aufnahme von Videos auf dem PC in hoher Qualität, die in einem Rechner in der Sendezentrale steckte. In diesem Raum befand sich auch der Schnittplatz, der wie damals üblich noch auf Bändern basierte(öffnet im neuen Fenster) . Wir nahmen zwar digital auf(öffnet im neuen Fenster) , aber danach wurde das Material analog weiterverarbeitet, bevor es ebenfalls per analogem Signalweg auf mehreren Festplattenrekordern landete, von wo aus wir sendeten.

Meine Ausbildung hatte demnach zunächst nur wenig Berührungspunkte mit Computern. Abgesehen von Grafiken und Einblendungen, die per Photoshop und Macromedia Director(öffnet im neuen Fenster) erstellt und animiert wurden, gab es kaum die Notwendigkeit, digital zu arbeiten.

Nonlinearer Schnitt war teuer

Das änderte sich im Verlauf der frühen 2000er Jahre, als wir Zugang zu einem ersten (sündhaft teuren) AVID-Schnittplatz(öffnet im neuen Fenster) bekamen und ich mit Post-Production-Software wie After Effects zu arbeiten begann. Viel mehr interessierten mich zu diesem Zeitpunkt allerdings 3D-Programme. Insbesondere 3D Studio Max(öffnet im neuen Fenster) hatte es mir angetan. Ohne Youtube-Tutorials und nur mit zwei englischsprachigen Wälzern der Dokumentation brachte ich mir selbst die Grundlagen bei. Die reichten dann auch aus, um einfache Bewegtbildgrafiken zu erstellen, mit denen ich in unserem Lokal-TV und bei anderen Medienprojekten punkten konnte.

iBook 2001 angesehen
iBook 2001 angesehen (02:03)

So kam es dann, dass ich 2001 den Auftrag bekam, für eine Sportsendung den Vorspann, animierte Grafiken und Trenner für die Themen zu erstellen.

Da die Geburt meiner Tochter unmittelbar bevorstand, handelte ich mit meinem Chef aus, dass ich von zu Hause aus arbeiten konnte. Fehlte nur ein leistungsstarker Rechner. Die PCs aus dem Studio wollte ich nicht haben: Sie waren zu groß für unsere Zweiraumwohnung und inzwischen mit Ausnahme des unentbehrlichen Senderechners auch zu langsam.

Ich machte mich also auf die Suche nach einem Laptop, den ich privat kaufen wollte. Meine Wahl fiel auf den Rechner mit der höchstmöglichen Taktfrequenz, schließlich wollte ich ja 3D-Videos rendern. Für satte 3.000 DM erstand ich einen Laptop der No-Name-Firma Baycom(öffnet im neuen Fenster) mit einem 1-GHz-Pentium-Prozessor.

Der Heizlüfter

Der war eigentlich für Desktop-Rechner konzipiert und hatte demzufolge keinerlei Optionen zum Stromsparen. Das war mir egal, denn ich brauchte vor allem rohe Leistung. Hinzu kamen ein Firewire-Anschluss, ein USB 1.1 Port, ein Disketten- und ein CD-Laufwerk. Dass die Akkulaufzeit minimal ausfiel und der Lüfter die gesamte Zeit über in voller Lautstärke pustete - alles egal, Hauptsache schnell. So dachte ich jedenfalls.

In der Realität bremste eine langsame Bus-Anbindung meinen Prozessor aus und die interne Grafiklösung(öffnet im neuen Fenster) klaute mir auch noch dringend nötigen Hauptspeicher und ließ eine funktionierende Unterstützung für einige Grafikstandards missen. Gaming ging jedenfalls nicht, selbst Spiele aus der Mitte der 90er Jahre ruckelten. Zum Glück hatte 3D Studio Max alternative 3D-Treiber und mein Betriebssystem Windows 2000 lief stabil.

Das Jahr 2001 endete positiv. Meine Tochter kam gesund auf die Welt, ich konnte zu Hause arbeiten, die Sendung wurde mit ihren von mir angelieferten Trailern pünktlich fertig und ich verbrachte noch drei weitere Jahre mit dem teuren Klotz, bevor das nächste Notebook fällig war. In dieser Zeit rüstete ich ihn mit einem externen CD-Brenner per Firewire nach und ließ ihn mehrmals fallen, was seinen Bildschirm unbrauchbar machte. Da er ohnehin nie wirklich mobil war, konnte ich das verschmerzen.

Einen Mac sah ich erstmals 2003 im Einsatz, als ein Kollege mit einer kompakten Kamera(öffnet im neuen Fenster) auftauchte, die er direkt an den kleinen rundlichen Computer(öffnet im neuen Fenster) anschloss. Ich nahm es nicht ernst, als er behauptete, man könne nun allein als Videoproduzent losziehen, Material aufnehmen und gleich schneiden. Vielleicht als Notlösung, ja - aber als ernsthafte Produktionsmaschine? Niemals.

Hätte ich bereits einen Mac besessen, wäre ich wohl offener für diese Ideen gewesen. Werfen wir also einen Blick auf das, was ich 2001 verpasst habe.

Das iBook wirkt nicht veraltet

Das iBook G3(öffnet im neuen Fenster) mit dualen USB-Anschlüssen wurde im Frühjahr 2001 präsentiert(öffnet im neuen Fenster) und flog komplett unter meinem Radar. Nicht nur kannte ich niemanden mit einem Apple-Computer, ich hielt die neuen, teilweise bunten Macs und Notebooks auch eher für Spielzeug. Demzufolge hätte ich wohl bei der Abwägung eines Kaufes auch die Nase über die lahmen 600 MHz des Power-PC-Prozessors(öffnet im neuen Fenster) gerümpft.

Die weitere Hardware-Ausstattung war jedoch für damalige Verhältnisse exzellent. Der erste große Pluspunkt ist der verbaute CD-Brenner. Ein solcher hätte mich damals mehrere Hundert Mark gekostet. Das fehlende Diskettenlaufwerk wäre hingegen kein Problem gewesen.

Bildschirmauflösung und Anschlüsse entsprechen grob dem, was ich auch an meinem grauen Baycom hatte. Lediglich die obsoleten seriellen und parallelen Ports fehlen dem iBook.

Zunächst nur OS 9

In den ersten Monaten nach Erscheinen wurde das Notebook mit MacOS 9(öffnet im neuen Fenster) ausgeliefert; OSX war noch nicht fertig. Wenn ich also ein iBook gekauft hätte, dann wäre mein erstes Apple-Betriebssystem OS 9.2 gewesen. Ich habe das nie benutzt und beschließe, mein Test-iBook zunächst damit auszustatten. Das geht ganz gut, aber nicht wirklich viel besser als mein damaliges Windows-System - eher schlechter. Insbesondere beim Hin- und Herschalten zwischen Programmen fällt auf, dass OS 9.2 nur so tut, als beherrsche es Multitasking. Wenn man es in Ruhe lässt und sich auf eine Aufgabe konzentriert, reagiert es aber flott.

Als Software sind unter anderem die Adobe-Programme (Premiere, Photoshop) und Cinema 4D(öffnet im neuen Fenster) hervorzuheben, die mir den Umstieg vom PC leicht gemacht hätten. Auch wenn letzteres nicht mit dem Funktionsumfang von 3D Studio mithalten konnte, wäre es doch für meine Anwendungszwecke allemal ausreichend gewesen.

In allen Programmen berechnet die CPU meine Aufgaben sehr zügig und gerade das Rendering von 3D-Szenen geht unerhört schnell vonstatten. So braucht Cinema 4D für eine einfache Raytracing-Szene mit einer Auflösung von 640 x 480 Pixeln nur wenige Sekunden. Ich bin beeindruckt.

Noch besser wird es, als ich die erste Version von MacOS X(öffnet im neuen Fenster) installiere, die neben Multi-Boot auch noch eine Emulationsebene für die alten Programmversionen mitbringt. Nicht nur sieht die Oberfläche um Welten besser aus als die 2001 aktuelle Windows-Version XP oder mein Windows 2000, sie läuft auch besser. Mein iBook wacht jetzt innerhalb von einer Sekunde aus dem Standby auf und kann locker damit leben, wenn ich Photoshop, Video- und Audiobearbeitungsprogramme sowie einen MP3-Player gleichzeitig laufen lasse.

Das liegt natürlich auch daran, dass mein Modell des iBook mit über 600 MByte RAM extrem gut ausgestattet ist. Den reduziere ich während meiner Tests, um dem Apple-Gerät keinen unfairen Vorsprung zu geben. Üblich waren eher 64 bis 128 MByte - mein Baycom hatte ebenfalls 128 MByte - auch wenn es noch eine besser ausgestattete Version gab(öffnet im neuen Fenster) .

Selbst in Punkto Gaming überflügelt das iBook meinen Baycom locker. Die dedizierte Grafikkarte rendert Wipeout 2097(öffnet im neuen Fenster) mit 60 fps bei einer Auflösung von 800 x 600 Pixeln und das Spiel sieht auch um einiges besser aus als die Version für die Playstation. Die Unterstützung für OpenGL ist vorhanden, aber neuere Titel wie Aliens vs. Predator 2(öffnet im neuen Fenster) laufen trotzdem nicht.

Mehr Kosten, aber auch mehr Leistung

Videoschnitt, 3D-Bearbeitung, Photoshop und ab und zu ein Spiel - das wäre mein Traumcomputer gewesen. Ich muss wohl kaum erwähnen, dass die Akkulaufzeit im Stunden- statt Minutenbereich liegt und der Rechner auch während meiner Tests totenstill ist, wenn nicht gerade Software vom CD-Laufwerk installiert wird. Dass ich innerhalb der ersten Monate vermutlich weitere 330 Mark für ein neues Betriebssystem hätte investieren müssen, wäre mir vermutlich nicht so wichtig gewesen - ebenso wie der Fakt, dass sich ein Monitor nur per Adapter anschließen lässt.

Damit steht fest: Mein Baycom war ein Fehlkauf - aber hätte ich nicht auch einen anderen Multimedia-Laptop kaufen können? Doch, hätte ich. Sony hatte mit der Vaio-Reihe exzellent ausgestattete Windows-Rechner(öffnet im neuen Fenster) im Angebot. Allerdings für Preise, die meiner ungeborenen Tochter einen mittelgroßen Schuldenberg für den Start ins Leben mitgegeben hätten.

Heute leider nicht mehr nutzbar

Ich habe im Verlauf meines Versuches einen beachtlichen Berg von 22 CDs mit Software und Daten gebrannt, zahllose Programme ausprobiert und drei Betriebssysteme installiert. Das iBook ist aus verschiedenen Gründen heute nicht mehr nutzbar - außer als Offline-Schreibmaschine, denn die Tastatur tippt sich recht gut. Als Retro-System gefällt mir das alte MacOS 9 sehr und ich denke ich werde meine Software-Quelle(öffnet im neuen Fenster) auch in den kommenden Wochen noch weiter durchstöbern und mich von der alten Apple-Welt überraschen lassen. Eine passende Maus(öffnet im neuen Fenster) habe ich inzwischen auch.

In meinem Arbeitsleben tauchten die ersten professionellen Macs(öffnet im neuen Fenster) übrigens in der Mitte der 2000er Jahre auf - und da wir dann ausschließlich mit Final Cut Pro(öffnet im neuen Fenster) unsere Videos schnitten, waren meine Vorurteile innerhalb kürzester Zeit ausgeräumt.

Ich stellte bei meinem Selbstversuch mit dem iBook mal wieder fest, dass ein guter Teil des Charmes der Apple-Computer vom System ausgeht. Hier ist nicht die Hardware ausschlaggebend, sondern gute Integration und Abstimmung. Solche Gedanken wären meinem 23-jährigen Ich natürlich fremd gewesen. Ich brauchte dann auch noch fast zehn Jahre bis zu meinem ersten eigenen Intel-iMac, den ich nur wegen der Schnittsoftware Final Cut kaufte, an die ich mich gewöhnt hatte. In dieser Zeitspanne lernte ich unterschiedliche Systeme kennen und wurde zum Hardware-Agnostiker, der ich auch heute noch bin. Ich wechsle gern zwischen den Welten, wenn ich Vorteile erkennen kann.

Über eigene Geschichten von Hardwarefehlkäufen im Forum würde ich mich freuen!

Update:
Der Artikel wurde auf seine Aktualität überprüft


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