Restaurants und Kinos: Axel Voss will Corona-App-Verweigerer benachteiligen
Eigentlich soll niemand zur Nutzung der Corona-App gezwungen werden. Doch EU-Politiker Voss will den Bürgern spezielle "Anreize" geben.

Nach dem Willen des Europaabgeordneten Axel Voss sollen Nutzer der geplanten Corona-App gegenüber Nichtnutzern bevorzugt behandelt werden. Um "Anreize" für die Installation der App zu setzen, solle man "denen, die sie nutzen, auch wieder mehr Freiheiten gestatten", sagte der CDU-Politiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und fügte hinzu: "Schließlich schützt es auch andere, wenn man sich dann selbst schnell testen lässt und selbst isoliert. Gerade im grenznahen Bereich sollten App-Nutzer wieder reisen dürfen. Wer eine solche App hat, sollte auch zuerst wieder ins Restaurant, ins Kino, ins Theater und ins Freibad dürfen."
Zwar geht Voss davon aus, dass die App "nur freiwillig" funktioniert. Jedoch müssten mindestens 60 Prozent der Nutzer die App installieren, "damit das großflächig funktioniert und man neue Infektionscluster schnell erkennt. Deshalb muss man Anreize setzen", sagte Voss. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thorsten Frei hatte Ende April bereits Steuervorteile für App-Nutzer ins Spiel gebracht.
App-Gesetz gegen Diskriminierung?
Die Bundesregierung setzt bei der Einführung der App ebenfalls auf das Prinzip der Freiwilligkeit. Allerdings befürchten Netzaktivisten und Oppositionspolitiker, dass Personen benachteiligt werden, die die App nicht nutzen können oder wollen. Dies solle mit einer gesetzlichen Regelung verhindert werden. Einem Bundestagsantrag der Grünen (PDF) zufolge soll ein solches Gesetz unter anderem garantieren, "dass es zu keiner, auch nicht späteren, Bevorzugung bzw. Diskriminierung von (Nicht-)Nutzerinnen und Nutzern der App kommt".
Die SPD-Fraktion im Bundestag schließt eine gesetzliche Regelung ebenfalls nicht aus. "Je nach konkreter Ausgestaltung der App und bezogen auf eine mögliche weitere Verwendung der Daten wird zu prüfen sein, ob es gesetzlicher Regelungen bedarf, insbesondere etwa Absicherungen zum Diskriminierungsschutz, zur Zweckbindung oder zu den Löschfristen", hieß es auf Anfrage von Golem.de. SPD-Chefin Saskia Esken sagte dem Handelsblatt: "Freiwillig meint wirklich freiwillig, ohne Zwang, ohne Diskriminierung oder Einschränkung der Teilhabe, ohne Anreize oder Nudging (Verhaltenslenkung)."
Voss hält Konzepte für kompatibel
Nach Ansicht des Europaabgeordneten Voss ist es zudem kein Problem, die nationalen Apps auch im EU-Ausland zu nutzen, unabhängig davon, ob dort wie in Deutschland ein dezentrales oder wie in Frankreich und Großbritannien ein zentrales Konzept eingesetzt wird. "Ich muss mit meiner deutschen App natürlich auch in einen Mitgliedstaat fahren können, der eine andere App hat. Die unterschiedlichen Protokolle für dezentrale und zentrale Datenspeicherung sind miteinander kompatibel, sagen die Programmierer." Doch diese Erkenntnis dürfte Voss derzeit exklusiv haben.
Laut Voss hat sich die Bundesregierung bei der Entscheidung für das dezentrale Konzept "für den Weg des geringsten Widerstands entschieden". Die Tatsache, dass die US-Betriebssystemhersteller Apple und Google nur das dezentrale Konzept unterstützen wollen, erwähnt Voss jedoch nicht. Zudem könnte die britische Regierung ebenfalls auf den dezentralen Ansatz umschwenken. Einem Bericht des Guardian zufolge wurde das Schweizer Beratungsunternehmen Zühlke Engineering damit beauftragt, einen Wechsel auf das dezentrale System zu prüfen. Hintergrund seien technische Einschränkungen durch die Bluetooth-Schnittstellen der Geräte, wenn die neue API von Google und Apple nicht genutzt werden könne.
Blockchain für Immunitätsausweis
Voss machte sich in dem Interview zudem für den umstrittenen Immunitätsausweis stark, der Menschen nach einer überstandenen Infektion mit dem Coronavirus wieder Reisen oder andere Aktivitäten ermöglichen soll. "Wir brauchen auch da eine europäische Herangehensweise, damit das Vertrauen in solche Zertifikate hoch ist. Der belgische Grenzbeamte sollte auf eine Datenbank zugreifen können, um zu sehen, ob der Deutsche an der Grenze geimpft oder immun ist", sagte Voss und fügte hinzu: "Wichtig ist, dass das mit einer Technologie unterlegt wird wie bei Blockchain, damit Einträge nicht von Dritten verändert werden können. So könnten auch Flüge in die Vereinigten Staaten oder nach Australien wieder möglich werden."
In der Debatte um eine gesetzliche Regelung für die App kritisierte der IT-Branchenverband Bitkom die Vorschläge von Grünen und Netzaktivisten. "Die Diskussion um ein App-Gesetz zeigt, dass in Deutschland ganz offenkundig die Koordinaten in unserem ansonsten ausgewogenen System von Freiheits- und Schutzrechten verrutscht sind", sagte Bitkom-Präsident Achim Berg dem Handelsblatt.
In einer Situation, in der wesentliche Grundrechte stark eingeschränkt seien, sich eine Wirtschaftskrise historischen Ausmaßes ankündige, Massenarbeitslosigkeit drohe und den jüngeren Generationen eine "Multi-Milliarden-Hypothek" hinterlassen werde, "diskutieren wir tatsächlich über ein Gesetz für eine App, die es noch gar nicht gibt". Berg forderte: "Wir brauchen jetzt kein parlamentarisches Klein-Klein. Wir brauchen die App, und das so schnell wie möglich."
Oder nutzen Sie das Golem-pur-Angebot
und lesen Golem.de
- ohne Werbung
- mit ausgeschaltetem Javascript
- mit RSS-Volltext-Feed
Weil ich es ab und an doch mal mitnehmen muss, für Anrufe zu Terminvereinbarungen die...
Konkret für Krankheiten gibts das Infektionsschutzgesetz, zusammen mit Art. 74 Abs. 1...
Ich bin 1990 geboren und kenne es nur klein.
Danke für den Beitrag. Selbst wenn einige der Verordnungen etwas drüber sein sollten, so...