Die Blase platzt und es ändert sich nichts
In diesem Jahr platzte auch die Dotcom-Blase, Geld wie Heu war bei den Ausstellern ab dann nicht mehr vorhanden. Einige, wie unter anderem der damals unangefochtene Handy-Martkführer Nokia, verbrannten aber mit viel Spaß weiterhin Millionen rund um die Cebit und ließen Stars wie Sting auf ihren Partys in Hannover auftreten. Die waren so groß geworden, dass sie nicht mehr auf dem Messegelände stattfinden konnten. Und ab einem gewissen Zeitpunkt auch nicht mehr durften: Die Party zweier deutscher Unternehmen war in den 2000ern so ausgeufert, dass auch von benachbarten Ständen Geräte entwendet wurden und die Deko beschädigt wurde - teils durch menschliches Wässern der Topfpflanzen. In der Folge wurden Feten nur mit begrenzter Teilnehmerzahl, also Zäunen, und nicht bis spät in die Nacht genehmigt. Ein japanisches Unternehmen, das auf einer Cebit dieser Zeit ein rundes Jubiläum mit seinem betagten Firmengründer feierte, stellte im Viertelstundentakt Schecks für die Strafe zur Überschreitung der Sperrzeit aus.
Diese Begebenheiten, die der Autor selbst beobachten konnte, zeigen, dass die Cebit immer schon etwas spaßfeindlich war. Jan-Keno Janssen von der in Hannover ansässigen Zeitschrift C't stellte sich 2018 die Frage: "Darf man da jetzt Spaß haben?" Ja, durfte man - aber das kam viel zu spät. Natürlich müssen auf einer Messe vor allem die dicken Geschäftsabschlüsse gemacht werden, der Erfolg einer solchen Veranstaltung bemisst sich dadurch, nicht in erster Linie durch die Besucherzahlen. Die gingen zuletzt bis auf 120.000 zurück - andere Events wie die Ifa in Berlin, die Computex und die Elektronikmesse CES hatten im selben Zeitraum weit geringere Einbrüche oder sogar Steigerungen.
Der Niedergang der Cebit deutete sich nach der Dotcom-Euphorie schon früh an. In dieser Zeit erfand die Messe AG den sogenannten Cebit-Kanon. In einem internen Katalog wurde jedem Aussteller vorgeschrieben, was er auf der Messe zeigen darf und was nicht. Nach der gescheiterten Cebit Home, die nur 1996 und 1998 stattfand, sollte die große Cebit möglichst frei von jeder Form von Entertainment gehalten werden. Das gipfelte im von der Messe AG geradezu behinderten Marktstart von Microsofts erster Xbox.
Der fand am 14. März 2002 während der Cebit statt. Dem Vernehmen nach fiel der Messe AG erst in letzter Minute auf, dass dann ja der halbe Microsoft-Stand von Spielern umlagert sein und das nicht so ganz professionell aussehen könnte. Also wurden die Konsolen in eine Riesen-Xbox verfrachtet, zu der nur Fachbesucher nach teils stundenlangem Warten Zutritt erhalten sollten. Über die nicht gegebene breite öffentliche Sichtbarkeit eines für Microsoft so wichtigen neuen Produktes soll sich das Unternehmen - meist einer der größten Aussteller auf der Cebit - nachhaltig geärgert haben.
In den folgenden Jahren wurde diese Unterhaltungsfeindlichkeit mehr oder weniger konsequent aufrechterhalten. Grafikkarten, Anfang der 2000er ein Boom-Produkt vor allem taiwanischer Hersteller, durften zwar gezeigt werden - aber bitte nicht mit Spielen. Mehrfach war zu beobachten, wie die zu dieser Zeit immer größer werdenden Stände nach dem ersten Messetag umgebaut werden mussten. Der Eindruck: Die Aussteller probierten immer wieder aus, wie weit sie den Kanon überschreiten konnten, und wurden stets zurückgepfiffen.
Solche Einschränkungen können einer Messe, die alle Aspekte der IT abbilden will und vor allem von ihrer Größe lebt, langfristig nur schaden. Jeder Fachbesucher ist auch Konsument und hat als Privatperson mehr von einer Veranstaltung, wo er an einem ruhigen letzten Messetag auch schon mal das begutachten kann, was sich die Kinder vielleicht zu Weihnachten wünschen.
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Requiem zur Cebit: Es war einmal die beste Messe | Eingekeilt von der Konkurrenz |
Meine erste CeBit war 1988. Und ab da war ich jedes Jahr dabei. Vor UND hinter den Kulissen.
"Viele Besucher empfanden die Cebit nur noch als recht teures Klassentreffen" - so war es...
Die CeBit war groß weil IT Messen zu der Zeit funktioniert haben. Nirgendwo anders konnte...
Ja das hab ich auch so festgestellt. Man wurde von den Ausstellern immer mürrisch und...