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Reparatur von Elektroauto-Akkus: Wie eine Operation am offenen Herzen

Eine defekte Zelle ist noch lange kein Grund für einen Wechsel des Akkus . Doch wie gehen Hersteller mit defekten Batterien von Elektroautos um?
/ Dirk Kunde
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Opel hat in Rüsselsheim ein Zentrum für Akkureparaturen eingerichtet. (Bild: Dirk Kunde)
Opel hat in Rüsselsheim ein Zentrum für Akkureparaturen eingerichtet. Bild: Dirk Kunde

Die Szenerie bei Opel erinnert an ein Krankenhaus. Wie auf einer Isolierstation liegen Akkus hinter transparenter Folie. Diverse Kabel laufen zu und von einem Akku-Pack. In der Mitte der Halle liegen geöffnete Akkus auf Arbeitstischen. An einzelnen Zellen klemmen Spannungsmessgeräte. Es wirkt wie eine Operation am offenen Herzen.

Der Eindruck täuscht nicht, schließlich bildet der Akku das Herz eines E-Autos. Liefert er nicht ausreichend Kapazität, wird das Fahren mühsam. Inzwischen hat sich ein Quasistandard bei der Akkugarantie etabliert: Acht Jahre oder 160.000 Kilometer, je nachdem, was zuerst eintritt. So lange muss der Restenergiegehalt eines geladenen Akkus oberhalb der 70-Prozent-Marke liegen. Tut er es nicht, geht der Akku zurück an den Hersteller.

Module statt einzelner Zellen austauschen

Die Halle in Rüsselsheim bei Opel ist bereits die zweite Stufe einer Akku-Reparatur. Der Autohersteller betreibt bundesweit 21 E-Repair-Center. Dort untersuchen Mitarbeiter den Akku und stellen seinen Gesundheitszustand fest. Im Englischen spricht man vom State of Health (SoH) des Akkus. Nur die schweren Fälle, wenn beispielsweise ein Modulwechsel fällig ist, landen in Rüsselsheim im Batterie-Aufbereitungszentrum.

In dem rund 1.000 Quadratmeter großen Bereich der Werkshalle reparieren 15 Mitarbeiter rund 1.500 Akkus pro Jahr. Der Akku, an dem das Spannungsmessgerät klemmt, bekommt an diesem Tag ein neues Modul. Einzelne Zellen kann man nicht tauschen, Module schon. Der Mitarbeiter ermittelt zunächst die verbliebene Spannung in den übrigen Akkus. Das Ersatzteil muss vor dem Einbau auf das gleiche Niveau gebracht werden. Ansonsten funktioniere das Batteriemanagement (g+) später nicht, so die Erklärung.

Kaum Auskünfte von den Erfahrensten

Opel zählt nicht zu den Vorreitern bei der Elektromobilität. Deutlich mehr Erfahrungswerte bei Akku-Reparaturen dürften bei Tesla vorliegen. Wie geht man hier mit Defekten am Akku um? Leider bleibt die Anfrage von Golem.de unbeantwortet. Ein Nutzer aus Finnland sprengte seinen Tesla im vergangenen Jahr spektakulär in die Luft, weil ihm ein Akkutausch zu teuer war .

Auch Toyotas schriftliche Antwort fällt extrem knapp aus, zumal der japanische Hersteller bereits seit 1997 Erfahrungen mit Akkus in Hybridfahrzeugen sammelt. "Im Augenblick werden die Batterien immer komplett getauscht. Wir arbeiten allerdings an einer Möglichkeit, einzelne Zellen/Module auszutauschen," teilt die deutsche Pressesprecherin mit.

Volkswagen betreibt Stützpunkt-Betriebe

Mehr Informationen liefert Deutschlands größter Autohersteller Volkswagen. Beispielsweise, wie man das fehlerhafte Modul lokalisiert. Das funktioniert über Temperatur oder Kapazität. "Fällt eine Zelle aus, besitzt ihr Modul aufgrund der parallelen Verschaltung der Zellen nur noch 50 bis 66 Prozent Kapazität. Die verbleibenden funktionsfähigen Zellen im Modul müssen dann mehr 'arbeiten'. Sie erzeugen eine höhere Temperatur bei niedrigerer Spannung," sagt Volkswagen-Sprecher Jochen Tekotte. In diesem Fall wird das komplette Modul getauscht, einzelne Zellen lassen sich auch hier nicht ersetzen.


Jeder der rund 1.850 Volkswagen-Servicepartner in Deutschland nimmt Elektroautos zur Wartung oder Reparatur an. Die Mitarbeiter wurden entsprechend geschult. Speziell für Akku-Reparaturen betreibt Volkswagen sogenannte Stützpunkt-Betriebe.

Audi hat Batteriekompetenzzentren

Aktuell sind es 265 mit dem Ziel, sie auf 450 zu erweitern. Die dort tätigen Hochvoltexperten dürfen einen Akku öffnen und Arbeiten daran vornehmen. Volkswagen unterhält in Erfurt und Wolfsburg zwei Qualifizierungszentren, in denen Mitarbeiter zu Hochvoltexperten ausgebildet werden. Ein dritter Standort ist in Vorbereitung.

Bei Audi dürfen nur sogenannte Batteriekompetenzzentren die Batterie aus einem E-Tron öffnen. Das sind speziell geschulte und ausgerüstete Betriebe. Aktuell ist jeder zehnte Audi-Service-Partner entsprechend qualifiziert. Der Anteil soll in den kommenden Jahren weiter stark steigen, so die Auskunft der Zentrale aus Ingolstadt.

Nach einem Unfall, wenn Airbags oder Gurtstraffer ausgelöst wurden, startet der Akku einen Diagnosetest. Werden Schäden festgestellt, wird nicht der komplette Akku ersetzt, sondern nur Module mit Schäden. "Das ist vor allem aus wirtschaftlichen und nachhaltigen Gesichtspunkten sinnvoll," erklärt ein Audi-Sprecher.

Schwarz, rot, golden

Der Autohersteller setzt zwar bei Zellen auf externe Zulieferer, doch das Gesamtpakt des Akkus optimiert man im hauseigenen Batterietechnikum. Wenige Kilometer nordwestlich von Ingolstadt in Gaimersheim befindet sich dieses Labor. Farben geben den Experten hier Auskunft über den Ladezustand einer Zelle. Beim Laden lagern sich Lithium-Ionen an der Anode aus Graphit ab. Der Kohlenstoff ändert je nach Ladezustand seine Farbe.

Im entladenen Zustand ist er schwarz, halbgeladen wird er rot und vollgeladen ist er golden. "So können wir den Ladezustand beurteilen," sagt Bernhard Rieger, Zellexperte im Audi-Batterietechnikum. Die Herausforderung beim Schnellladen besteht darin, die Energiemenge präzise zu steuern. An den goldenen Stellen darf die Anode nicht überladen werden, das führt zu einer schnelleren Alterung. "Wir investieren sehr viel Zeit in die Entwicklung der optimalen Ansteuerung der Zellen und die Stromregelung, um eine möglichst kurze Ladedauer bei gleichzeitig hoher Effizienz und hoher Lebensdauer zu erreichen," sagt Rieger.

Die Experten stehen vor einem Zielkonflikt: Je größer die Energiedichte wird, desto länger dauert der Ladevorgang. Das ist bei einem großen Akku wie im Sportwagen E-Tron GT mit 93 kWh und einer maximalen Ladeleistung von 270 kW eine Herausforderung. Schließlich soll die Angabe von 22,5 Minuten für eine Ladung von 5 auf 80 Prozent im Fahrzeugleben möglichst lange Bestand haben.


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