Grauzonen bewusst in Kauf genommen
Ein ehemaliger Führungsmitarbeiter, der ungenannt bleiben möchte, erzählt, Wagner habe immer wieder rechtlich heikle Entscheidungen getroffen, für die andere plötzlich halb in der Illegalität standen. "Wenn man das verständlicherweise nicht akzeptieren wollte, kam es zu Streit, meist ging man dann schnell getrennte Wege", sagt er. Allen Beteiligten sei klar gewesen, dass sich Unister besonders im Reiseportal-Bereich bewusst in einer rechtlichen Grauzone bewegt habe. "Wer angesichts drohender Gerichtsurteile eine gewisse Risiko-Aversion hegte, wurde mundtot gemacht."
Wagner gab seinen Führungsstil offenbar an seine Mitarbeiter weiter. Das führte dazu, dass sich viele Angestellte drangsaliert, bedroht und teilweise bis zur Erschöpfung ausgebeutet fühlten. Um die Kontrolle zu behalten, nötigte Unister Nina und ihre Kollegen im Leipziger Callcenter dazu, Listen über das Fehlverhalten ihrer Kollegen zu führen, sagt sie. Diese Listen sollte sie regelmäßig ihrem Vorgesetzen weiterleiten. Nina weigerte sich, wollte ihre Kollegen bei etwaigen Fehlern lieber selbst ansprechen. "Mir wurde dann gesagt, solche Listen seien besser für das Betriebsklima, sonst würde es nur Streit geben", sagt sie. Dieses Vorgehen bestreitet Unister auf Nachfrage. Solche Listen habe es nicht gegeben.
Niedriger Lohn und hoher Druck für die Mitarbeiter
Um das Betriebsklima zu verbessern, bot Fluege.de Mitarbeiter-Events an. "Einmal gab es einen Hut-Tag. Da sollten alle mit einem lustigen Hut kommen. Dann wurden spaßige Fotos gemacht", erzählt Nina. Ansonsten sollten sie einander nicht übermäßig kennenlernen. "Jeden Tag sollten wir woanders sitzen. Nicht reden, nicht essen, keine Fragen stellen", sagt Nina. Zu diesen internen Abläufen möchte sich Unister nicht äußern. In seinen Stellenangeboten warb Unister meist mit: "Unsere regelmäßigen Teamevents [...] und unsere legendären Firmenfeiern beleben Ihren Alltag und bringen Sie näher mit anderen UNISTERanern zusammen."
Für ihren Vollzeitjob bei fluege.de bekam Nina 2012 1.350 brutto und 150 Euro Fremdsprachenbonus zusätzlich, da sie auch die niederländischen Kunden betreuen sollte. Wegen ihrer Sprachexpertise sei sie vor einer Kündigung einigermaßen sicher gewesen, sagt sie heute. "Im deutschen Team hatten sie immer Angst, weil sie mit Rauswurf bedroht wurden. Die waren gefügiger." Immer wieder seien Leute aus anderen Abteilungen wie Ab-in-den-urlaub.de in ihre Abteilung strafversetzt oder entlassen worden, sagt sie. Manche Mitarbeiter erzählten ihr, der Druck, Zusatzversicherungen zu verkaufen, sei so groß gewesen, dass einige mit den Kreditkartendaten der Kunden ohne deren Wissen welche abgeschlossen hätten.
Unister verweist darauf, dass das Unternehmen strenge Verbraucherschutzstandards für Kreditkartenzahlungen des PCI Security Standards Council erfülle. Dass Versicherungen verkauft werden sollen, dazu halte man die Mitarbeiter aber in der Tat an, weil das in "vielen Fällen empfehlenswert" sei. "Auch bei Fluege.de sollten wir unbedingt Versicherungen verkaufen", erzählt Nina. Dazu habe es sogar eine Art Bonus-System gegeben: Wer viele Versicherungen verkaufte, sei mit einer Waffel belohnt worden.
"Wer aufs Klo musste, durfte sich für einen Moment vom Platz entfernen", sagt Nina. Wer zu lange wegblieb, sei sofort angerufen worden. "Warum bist du nicht an deinem Platz?", habe dann der Vorwurf gelautet. Unter diesem Druck hätten sich die Kollegen häufig krankgemeldet. Manche Ärzte in Leipzig hätten besorgt nachgefragt: "Arbeiten Sie bei Unister?", sagt Nina. Auch Julia erzählt, sie habe in Berlin maximal drei bis vier Minuten aufs Klo gehen dürfen, sonst habe sie sich rechtfertigen müssen. Auch sie habe sich mitunter krankgemeldet. Eine Freundin von ihr habe nach einem Krankheitstag die Kündigung bekommen. "Es war nicht nur so, dass ich nicht gerne zur Arbeit gegangen bin. Ich habe es gehasst", sagt Julia.
Startup-Mentalität als Lockmittel
Wenn das Unternehmen neue Mitarbeiter suchte, schrieb es: "Wir arbeiten hart, aber wir feiern unsere Erfolge auch gemeinsam." Man biete "ein Umfeld, in dem die Startup-Mentalität immer noch zu spüren ist". Momentan spüren die Mitarbeiter angesichts der Pleite vor allem die Angst um ihre Jobs. Ein Sprecher der Agentur für Arbeit in Leipzig sagt, viele von ihnen hätten sich bereits arbeitssuchend gemeldet. Auch Bärbel Winkler von der Gewerkschaft Verdi in Sachsen bestätigt: "Wer kann, der geht." Weil ein Betriebsrat über all die Jahre bei Unister nie habe durchgesetzt werden können, sei angesichts der Insolvenz unklar, wie es für die Beschäftigen weitergehe.
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