Raumfahrt: Ariane 6 startet später und seltener als geplant
Die neue Rakete kommt erst 2022, angeblich ist Covid-19 die Ursache. Aber die Probleme liegen tiefer.

Der erste Flug der Ariane 6 verschiebt sich um ein weiteres Jahr auf 2022. Das berichtet das französische Raumfahrtmagazin Aerospatium. Die Entscheidung soll im Laufe der Woche offiziell auf der Ministerratskonferenz der europäischen Raumfahrtagentur Esa bekanntgegeben werden. Eigentlich hätte die Rakete schon in diesem Jahr erstmals fliegen sollen. Es dürften aber noch genügend Ariane 5 Raketen vorhanden sein, um den Flugbetrieb sicherzustellen - darunter der ebenfalls für 2022 geplante Start des James-Webb-Space-Telescope.
Als Grund für die Verzögerung wird die Covid-19-Pandemie genannt. Allerdings waren schon 2019 Verschiebungen wegen unfertiger Infrastruktur und ausstehender Triebwerktests absehbar. Dennoch hatte die Krankheit wohl einen Einfluss auf die europäische Raumfahrt. Im Juni wurden in Französisch Guayana die weltweit zweithöchsten Fallzahlen von Covid-19 pro 100.000 Einwohner vermeldet. Die zur Bekämpfung notwendige Verschiebung von Raketenstarts wurde von den Betreibern aber nicht damit begründet. Angeblich war das Wetter gerade besonders schlecht, sollte sich aber in einigen Monaten verbessern. Erst im September wurde der Flugbetrieb wieder aufgenommen.
Während dieser Zeit dürften auch die Bauarbeiten an den Startanlagen gestoppt worden sein. Die verwirrende und teilweise absichtlich fehlleitende Informationspolitik von Arianespace und der Esa macht es schwer, objektiv zu beurteilen, wie groß der Einfluss von Covid-19 auf das Projekt Ariane 6 wirklich war.
Probleme gab es lange vor Covid-19
Inzwischen äußerte sich auch das Bremer Raumfahrtunternehmen OHB dazu. Es baut die Treibstofftanks der Ariane-6-Oberstufe und forderte finanzielle Unterstützung zur Sicherung von Arbeitsplätzen in der europäischen Raumfahrtindustrie. Schon im August warnte das Unternehmen nicht nur vor Verschiebungen des Starttermins, sondern auch davor, dass nicht so viele Ariane-6-Raketen gebaut werden wie ursprünglich geplant.
Das Problem liegt in der Konstruktion der Rakete. Anders als bei der Ausschreibung im Jahr 2014 vorgesehen, ist die Ariane 6 keine Neukonstruktion. Vielmehr werden nur Upgrades umgesetzt, die größtenteils schon 1998 unter den Bezeichnungen Ariane 5 ECB und später als Ariane 5 ME geplant waren. Da aber die Konstruktion der Rakete über viele Unternehmen in ganz Europa verteilt ist, führen selbst vergleichsweise bescheidene Upgrades leicht zu technischen Problemen. Deshalb verzögerte sich das Vorhaben auch immer wieder.
Wegen des grundlegend veralteten Konzepts der Ariane-6-Rakete - ohne Wiederverwendung, ohne Massenproduktion von Triebwerken und ohne eine zentralisierte Produktion - konnte die 2014 erhoffte Reduzierung der Startkosten um 40 Prozent nicht erreicht werden. Die wäre notwendig gewesen, um mit der Falcon 9 von SpaceX konkurrieren zu können, aber selbst dann wäre die wiederverwendbare Rakete immer noch deutlich günstiger gewesen. Die hohen Preise sind auch für die unerwartet geringe Nachfrage nach der Rakete verantwortlich. Die niedrige Produktionsmenge wird wegen der hohen Fixkosten der überall in Europa verteilten Produktionsanlagen aber zu noch höheren Kosten pro Rakete führen.
Die Entwicklung eines Nachfolgers der Ariane 6 ist frühestens für das Jahr 2030 geplant.
Nachtrag vom 30. Oktober 2020, 9:13 Uhr
Inzwischen hat die Esa auch offiziell die Verschiebung des Programms bestätigt. Der erste Flug der Ariane 6 ist demnach frühestens für das zweite Quartal 2022 geplant. Das ist eine Verschiebung um zwei Jahre. Das gilt auch für den ersten Flug der Vega-C-Rakete, der nun im Juni 2021 stattfinden soll. Er war bereits für 2019 geplant. Es handelt sich um die vergrößerte Variante der Vega-Rakete. Deren erste Raketenstufe ist identisch mit den Seitenboostern der Ariane 6, weshalb der Flug der Vega C eine Vorstufe zur Einführung der Ariane 6 ist.
Einer Pressekonferenz war außerdem zu entnehmen, dass die Entwicklungskosten der Ariane 6 um weitere 230 Millionen Euro steigen. Als Grund wird die Covid-19-Epidemie angegeben. Die Vielzahl ausstehender technischer Tests, darunter Tests der gesamten Oberstufe, deuten allerdings darauf hin, dass der Zeitplan auch zuvor schon nicht zu halten war.
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