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Raspberry Pi 5: Der Raspberry Pi ist auf dem falschen Weg

Mehr Desktop-PC als Bastelrechner : Der Raspberry Pi 5 geht in die falsche Richtung. Ihr Geld sollte die Raspberry Pi Limited anders investieren - wir haben Ideen.
/ Johannes Hiltscher
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Die Raspberry Pi Limited ist vom ursprünglichen Pfad des Projekts abgekommen. (Bild: Alexandra Bakhareva, Pexels; Montage: Golem.de)
Die Raspberry Pi Limited ist vom ursprünglichen Pfad des Projekts abgekommen. Bild: Alexandra Bakhareva, Pexels; Montage: Golem.de / CC0 1.0

Eines muss ich gleich zu Beginn sagen: Wenn ich den Raspberry Pi 5 ( Test ) nicht als Testmuster bekommen hätte, würde ich ihn nicht kaufen. Zwar ist der neue Kleincomputer der Raspberry Pi Limited technisch spannend und sehr leistungsfähig, allerdings fehlt mir dafür jeglicher Anwendungsfall. Ein 70 Euro teurer Computer lädt auch nicht mehr zum Experimentieren ein. Außerdem ist der Raspberry Pi 5, das sagen auch viele Beiträge in unserem Forum, kaum noch von einem günstigen x86-System zu unterscheiden. Und Letztere haben teils sogar noch einen besseren Linux-Support als die Pis.

Während Low-End-PCs in den vergangenen Jahren immer günstiger wurden, wurden die Raspberry Pis immer teurer. Beim Raspberry Pi 4 war das noch vertretbar, da dessen Vorgänger doch recht schnell an seine Grenzen kam - und der Preisanstieg, besonders für das 1-GByte-Modell, moderat war. Zwar plant die Raspberry Pi Limited auch für den Fünfer Modelle mit weniger RAM, allerdings dürften die kaum günstiger werden als das 4-GByte-Modell. Selbst für die 1-GByte-Variante dürften rund 50 US-Dollar oder rund 60 Euro inklusive Umsatzsteuer fällig werden, und mit so wenig Speicher ergibt das neue SoC einfach keinen Sinn.

Auf den Preis komme ich, wenn ich einen Blick auf die Preise für den verbauten LPDDR4X-Speicher von Micron werfe. Über Distributoren wie Digikey lässt der sich einsehen, und hier kostet ein 8-GByte-Chip aktuell rund 33,50 Euro, 4 GByte gibt es ab rund 17,50 Euro, 2 und 1 GByte sind ab gut 14 Euro und 11,50 Euro gelistet. Die Raspberry Pi Limited mag andere Preise bekommen, die Relationen dürften aber gleich sein. Der Speicherchip ist dabei die einzige Komponente, an der gespart wird, alles andere bleibt gleich. Daher würde es mich nicht einmal wundern, wenn die kleinen Modelle gar nicht mehr kommen, der Unterschied zum Vorgänger ist in meinen Augen bei relativ gesehen doch deutlich höheren Kosten zu klein.

Teures Prestigeprojekt: der RP1

Die hohen Kosten entstehen auch dadurch, dass mehr als die Hälfte der Entwicklungskosten des Raspberry Pi 5 in den neuen IO-Chip RP1 flossen. Rund 15 Millionen US-Dollar und sieben Jahre Entwicklungszeit soll der gekostet haben - obwohl alle Komponenten als IP-Cores eingekauft sind.

Unbestritten hat der Chip seine Vorteile - für die beiden USB-3.0-Ports steht dank 4 PCIe-2.0-Lanes genug Bandbreite zur Verfügung, es lassen sich nun entweder zwei Kameras oder zwei Displays anschließen. Das sind aber in meinen Augen Spielereien, die nicht mehr der ursprünglichen Mission der Raspberry Pi Foundation entsprechen: günstige, einfache Kleincomputer zu bauen, die den Spaß am Programmieren wecken.

Dabei zeigen andere Projekte, dass die Raspberry Pi Limited durchaus in der Lage ist, interessante und der ursprünglichen Mission dienliche Hardware zu entwickeln. Ich spreche vom RP2040, dem selbst entwickelten Mikrocontroller , mit dem ich bereits diverse spannende und lehrreiche Projekte realisiert habe.

Allerdings klafft zwischen dem RP2040 und den Raspberry Pis eine große Lücke, welche die Raspberry Pi Limited meiner Ansicht nach schließen sollte, anstatt immer leistungsfähigere Boards zu permanent steigenden Kosten zu bauen.

So sähe innovative Hardware aus

Für Maker und Bastler interessant wäre ein linuxfähiges Board für 15, maximal 20 Euro. Mit integriertem, selbst programmierbarem Mikrocontroller, der kleinere Aufgaben übernimmt, wenn der große Prozessor schläft, und diesen gegebenenfalls aufweckt. Mit den gewohnten GPIOs, gern weiter CSI und DSI für Kameras und Displays, aber bitte beides. Etwas, mit dem man aufwendigere Projekte realisieren kann, bei dem es aber auch nicht weh tut, wenn man durch einen Fehler mal ein Board zerstört. Denn aus Fehlern lernt man, und während man lernt, macht man Fehler.

Den entsprechenden Chip kann die Raspberry Pi Limited selbst entwickeln, muss sie aber nicht - es gibt interessante Alternativen , etwa von Bouffalo Lab aus China. Denen müsste man nur ein Software-Ökosystem verpassen, das dem der Pis vergleichbar ist.

Klar, es gibt den Raspberry Pi Zero, der ist aber für viele Anwendungsfälle ungeeignet. Ihm fehlt die DSI-Schnittstelle, und wer einen Raspberry Pi mit einem Akku betreiben möchte, merkt schnell: Dafür sind alle Modelle leider vollkommen ungeeignet. Denn einen energiesparenden Suspend-Modus gibt es nicht, obwohl er seitens der Community regelmäßig nachgefragt wird. Das liegt auch an der historischen Partnerschaft mit Broadcom, die bei der Herausgabe der Dokumentation ihrer SoCs sehr zurückhaltend sind. Gerüchten zufolge beherrschen auch Broadcoms SoCs Suspend to RAM, es ist aber nicht implementiert. Zu komplex, heißt es.

Raspberry Pi macht auch vieles gut!

Nach so viel Gemoser muss ich aber auch die Stärken der Raspberry Pis hervorheben: Die Limited macht besonders bei der Software gute Arbeit. Hier ist viel Geld und Zeit hineingeflossen, was sich im Vergleich zu anderen Herstellern deutlich bemerkbar macht: Die Pis funktionieren einfach, während bei anderen Früchten oft viel Gebastel erforderlich ist oder sie mit Binär-Blobs nerven, die einen etwa auf eine bestimmte Version des Linux-Kernels festnageln. Der Grafiktreiber für Broadcoms Videocore ist dabei ein positives Beispiel. Die viele Arbeit, die in ihn geflossen ist, macht es natürlich schwer, zu einer anderen, möglicherweise besseren Lösung zu wechseln.

Dennoch sollten sich die Verantwortlichen der Raspberry Pi Limited einmal zusammensetzen und überlegen, ob sie noch auf dem richtigen Weg sind. Meiner Meinung nach sind sie von dem nämlich abgekommen. Spaß an Informatik und Elektrotechnik weckt man nicht mit einem weiteren Mini-Desktop, sondern mit Hardware, die zum Experimentieren einlädt. Die könnte gern etwas robuster sein als die Broadcom-SoCs, was auch für Industriekunden, das zweite Standbein der Limited, interessant wäre.

IMHO ist der Kommentar von Golem.de. IMHO = In My Humble Opinion (Meiner bescheidenen Meinung nach)


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