Rainer Erler ist tot: Der Mann, der die deutsche Science-Fiction der 70er prägte

Denkt man an deutsche Science-Fiction, so denkt man in erster Linie an die große Zeit des Stummfilms mit Filmemachern wie Fritz Lang. Nach dem Dritten Reich war das Genre kaum noch gefragt und doch gab es wenige Filmemacher, die sich ihm immer wieder annahmen - allen Widerständen zum Trotz und mit Stoffen, die eher intellektuell angehaucht waren. Das gilt auch für die Werke von Autor und Regisseur Rainer Erler , der am 8. November 2023 in seiner Wahlheimat, dem australischen Perth, verstorben ist. Er hat längst nicht nur Filme und Serien mit phantastischen Inhalten erschaffen, für diese ist er aber am bekanntesten.
Der erste Ausflug in die Phantastik
Horst Rainer Erler wurde am 26. August 1933 in München geboren. Er machte sein Abitur und begann wenig später, als Regieassistent zu arbeiten, und zwar unter anderem für Paul Verhoeven und Franz Peter Wirth. Sein Ziel war es aber, seine eigenen Filme zu erschaffen. In den frühen 1960er Jahren begann er, für das Fernsehen zu arbeiten. Einer seiner ersten Filme trägt den Titel Seelenwanderung(öffnet im neuen Fenster) (1962). Er entstand für die ARD, lief dort recht erfolgreich und wurde danach über ein Jahrzehnt hinweg von verschiedenen Programmkinos einem interessierten Publikum gezeigt.
Der Film spielt im Deutschland der Nachkriegszeit. Bum hadert gegenüber seinem Freund Axel mit dem neuen Land. "Die Seele ist an allem schuld" , sagt er schließlich, woraufhin sein Freund ihm vorschlägt, sie in einem Schuhkarton einzusperren und diesen dann in einer Pfandleihe zu versetzen. Ohne Seele und mit dem Geld der Pfandleihe als Startkapital beginnt ein rasanter Aufstieg zum Wirtschaftsboss. Als er dann jedoch stirbt, hat er ein Problem: Ohne Seele gibt es keinen Einlass in den Himmel.
Der Film zeigte schon, was Rainer Erler interessierte. Es waren menschliche, gesellschaftliche Themen, die er durch das Prisma des Phantastischen betrachtete.
Die 70er waren sein Jahrzehnt
Erler war mit seinen Fernsehfilmen, die er zumeist nicht nur inszenierte, sondern auch schrieb - mindestens als Koautor -, recht erfolgreich. Erst in den 70er Jahren manifestierte sich jedoch sein Interesse für die Science-Fiction. Mehr noch für das, was dann Science-Thriller genannt wurde, da seine Geschichten sich immer auch mit wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Themen auseinandersetzten. Das macht sie nicht unbedingt leicht verständlich, aber doch faszinierend. Es ist eine Science-Fiction, die eher aus der literarischen denn der filmischen Tradition kommt.
Ein erster Ausflug in die Science-Fiction war Die Delegation (1970), der insofern seiner Zeit auch weit voraus war, weil es sich hier um eine Mockumentary handelt. Es geht um eine Fernsehsendung über einen Journalisten, dessen letzte Reportage sich um UFOs dreht. Erst erscheint er skeptisch, je mehr er aber recherchiert, desto mehr ist er überzeugt - und dann stirbt er bei einem Autounfall. In der Nähe soll ein UFO gesichtet worden sein.
Der im ZDF ausgestrahlte Film erreichte ein großes Publikum. Bemerkenswert: Nicht wenige Zuschauer hielten das Gezeigte für real. Damals glaubte man den Bildern, die im Fernsehen liefen, noch mehr als heute.
Von 1974 bis 1976 wurde die fünfteilige Reihe Das blaue Palais(öffnet im neuen Fenster) ausgestrahlt. Die ersten drei Folgen liefen 1974, die letzten beiden 1976 - alle sind spielfilmlang und wurden von Erler geschrieben und inszeniert. Die Serie gilt als Kronjuwel der deutschen Science-Fiction.
Im blauen Palais, einer alten Villa, arbeitet eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern an Grundlagenforschung für die Zukunft. Es geht um die Wechselwirkung dieser an verschiedenen Themen forschenden Wissenschaftler, aber auch um das, was die Zukunft bringen könnte. Erler griff hier aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse, aber auch bloße Hypothesen auf und spekulierte auf deren Basis, wie die Zukunft in Hinblick auf Forschung und Wissenschaft aussehen könnte. Er wurde von Forschern beraten und reicherte die Geschichte mit Krimielementen an. Faszinierend ist aus heutiger Sicht, was Mitte der 1970er Jahre in Hinblick auf die Zukunft erwartet wurde.
Wie Erler die Zukunft sah
Die Halde(öffnet im neuen Fenster) (1975) ist ein dystopischer Fernsehfilm, der sich mit den Müllbergen befasst, die nicht weniger, sondern mehr werden. Der Film ist damit auch einer der Vertreter der sozialkritischen Science-Fiction jener Dekade und plädiert - damals recht ungewöhnlich - für ein Umweltbewusstsein.
Drei Filme
Zum Ende der 1970er Jahre wartete Erler mit drei eindrucksvollen Filmen auf. Operation Ganymed(öffnet im neuen Fenster) (1977) kam drei Jahre später sogar ins Kino. Er spielt in der damals nahen Zukunft des Jahres 1991, als die überlebenden Astronauten einer UN-Friedensmission zur Erde zurückkehren, aber niemanden mehr auf der Erde vorfinden.
In Plutonium(öffnet im neuen Fenster) (1978) geht es um eben das: verschwundenes Plutonium, das in einem südamerikanischen Land entwendet wurde. Erler griff damit ein damals brisantes Thema auf, als die Atomkraft schon lange nicht mehr positiv gesehen wurde. Zu guter Letzt kam in den 70er Jahren Fleisch(öffnet im neuen Fenster) (1979) hinzu, ein knallharter Thriller, in dem es um Organhandel geht, für den Menschen entführt und ausgeschlachtet werden.
Der letzte Ausflug in die Science-Fiction
Erlers letzter Science-Fiction-Film war Das schöne Ende dieser Welt (1984), in dem ein Pharmaunternehmen in Australien mit Chemikalien arbeiten will, die in Europa verboten sind. Ein faktenreicher, auch ernsthafter, aber etwas dröger Film, der nicht zu Erlers besten Arbeiten gehörte.
Inspiriert war er wohl auch davon, dass er selbst immer häufiger mit seiner Familie nach Australien reiste - in den letzten 15 Jahren seines Lebens hatten sie ihren Lebensmittelpunkt immer mehr nach Perth verlegt. Dort ist Rainer Erler im Alter von 90 Jahren verstorben. Er hinterlässt ein Werk, das aneckte(öffnet im neuen Fenster) . "Es gibt keinen Film von mir" , sagte er einmal, "wo sich nicht ganz bestimmte Interessengruppen ganz vehement vorher dagegengestellt oder protestiert hätten."



