Daten sparen an der falschen Stelle
Eine Kernfunktion dieser verlustbehafteten Datenreduktion, die schon beim populären MP3-Audiokodierverfahren angewandt wurde, ist es, leise Töne, die eng benachbart zu deutlich lauteren Tönen liegen, einfach wegzulassen. Sie fehlen im enkodierten Audio und werden auch beim Abspielen nicht reproduziert, werden vom Menschen aber auch nicht wahrgenommen und können somit nicht vermisst werden.
Gerade hier liegt aber nun ein großes Problem, wenn Radioprogramme parallel in UKW und DAB+ ausgesendet werden. Damit verlustbehaftete Audiocodecs gut und effizient arbeiten können, sind sie darauf angewiesen, solche Aspekte identifizieren zu können, die schadlos entfallen dürfen. Hebt man nun die Lautstärke von Tönen in allen Frequenzbändern an, um Musik massiver und fülliger wirken zu lassen, behindert das eine effiziente Audioenkodierung. Es müssen sehr viele Töne beibehalten werden, wodurch keine Daten gespart werden können.
In der Konsequenz zwingt dies die Audiocodecs an anderen Stellen, ungenauer zu werden, um Daten zu sparen und die Zieldatenrate zu erreichen. Dieses erzwungene Sparen an der falschen Stelle wirkt sich deutlich negativ auf die effektive Klangqualität aus.
Die Probleme der Audiokompression
Unglücklich ist nun, dass es bei UKW absolut üblich und sogar vorteilhaft ist, durch ein aggressives Soundprocessing einzugreifen. Ein Begriff hierbei ist die Audiokompression, die nicht mit der Reduzierung von Datenmenge verwechselt werden soll und dieser sogar genau entgegenarbeitet.
Der Audiokompressor reduziert Dynamikunterschiede und hebt sowohl zeitlich als auch über verschiedene Frequenzbereiche hinweg alles auf eine ähnliche Lautstärke. Das Radioprogramm wird damit eindrucksvoller, der Hörer bleibt beim Durchschalten eher auf diesem Programm und die technische Reichweite bei UKW-Aussendung wird optimiert. Allein für diese Reichweitenoptimierung, die wiederum den Hörerkreis und damit die Werbeeinnahmen verbessert, ist es für Programmanbieter sehr verlockend, vor der UKW-Aussendung eine Audiokompression durchzuführen.
Ob man den entsprechend veränderten Hörereindruck unangenehm findet, ist bei UKW umstritten und letztlich Geschmackssache. Wird das in dieser Form für UKW aufbereitete Audiosignal jedoch identisch auch für DAB+ verwendet, führt dies zu Problemen bei der Audioenkodierung und verursacht eine drastische Reduktion in der Klangqualität, ohne dass dies irgendeinen positiven Einfluss auf die Reichweite der DAB+-Aussendung hat.
Um ein für UKW optimiertes Audiosignal ohne Klangeinbußen über DAB+ übertragen zu können, müsste man die Audiodatenrate deutlich erhöhen. In der Praxis stehen dem die höheren Kosten entgegen und teilweise auch das mangelnde Bewusstsein bei den Programmanbietern. Der fachlich korrekte Weg ist hier, im Studio mehrere getrennte Signalausgänge bereitzustellen, bei denen das Audiosignal auf die Ausspielwege separat optimiert wird.
Jede Menge Potenzial und Gefahren bei jedem Umwandlungsschritt
Insgesamt lässt sich auf der gesamten Strecke, von der Aufnahme über die Produktion bis hin zu DAB+, an vielen Stellen etwas optimieren, da hier bereits verschiedene Audioenkodierungsverfahren für Speicherung und Transport zum Einsatz kommen. Greifen diese nicht sauber und passend ineinander, reduziert sich die Qualität bei jedem Umwandlungsschritt. Es ist also sinnvoll, nicht nur höhere Audiodatenraten in der DAB+-Übertragung zu bezahlen, sondern auch höheren Aufwand bei der Aufbereitung und Zuführung in Kauf zu nehmen, um die Klangqualität zu steigern.
Andererseits muss dies wirtschaftlich immer abgewogen werden, denn selbst die beste Klangqualität bietet keinen Vorteil, wenn der typische Hörer einen einfachen Empfänger in einer ungenügenden Hörumgebung nutzt. Gerade weil der Hörer das Medium Radio - aus der UKW-Nutzung kommend - nicht unbedingt als hochqualitativ ansieht, wird auch für DAB+ keine Höroptimierung für hohe Qualität angestrebt. Der Anspruch könnte sich langfristig aber verändern.
Die Flexibilität von DAB+ kann auch langfristig zielführende Möglichkeiten bieten. Wenn sich der Qualitätsanspruch erhöht und gleichzeitig höhere Übertragungskosten akzeptiert werden, lässt sich auch ein bestehendes DAB+-Sendernetz nachträglich noch ausbauen, indem man weitere Füllsender einfügt, die den gleichen Frequenzblock nutzen. Dies erhöht insgesamt die Kosten dieses Gleichwellennetzes, verbessert aber auch die Empfangsstabilität. Mit verbesserter Empfangsstabilität lässt sich der Fehlerschutz reduzieren.
Hier kommt die Dreiecksbeziehung zwischen Fehlerschutz, Audiodatenrate und Programmanzahl wieder ins Spiel. Indem man im besser ausgebauten Sendernetz beim Fehlerschutz sparen kann, ermöglicht dies höhere Audiodatenraten, ohne die Programmanzahl reduzieren zu müssen. Auch ohne zusätzliche Frequenzen lässt sich DAB+ damit in Zukunft in seiner Klangqualität verbessern, sofern dies von den Hörern gewünscht und genutzt wird.
Hier schließt sich nun der Kreis und man kann zusammenfassend festhalten: DAB+ kann grundsätzlich besser klingen als UKW und tut dies auch heute überwiegend bereits. DAB+ bietet ein hohes Maß an Flexibilität. Die effektive Klangqualität hängt davon ab, wie gut das Audiosignal für DAB+ vorbereitet wird und welche Übertragungskosten man anstrebt. Eine langfristige Verbesserung der Klangqualität durch nachträgliche Verdichtung des Sendernetzes ist bei DAB+ grundsätzlich möglich. Entscheidend für die Klangqualität sind weniger die technischen Grenzen des Übertragungsverfahren als die wirtschaftlichen Erwägungen und die Anforderungen durch die Hörer an die Programmanbieter.
Mathias Küfner hat an der TU München Informatik mit Nebenfach Psychologie studiert und arbeitet seit 2001 mit digitalen Rundfunksystemen. Dies umfasst Konzeptstudien sowie die Projektierung, Konfiguration und Programmierung im Bereich von Audioanwendungen, Verkehrstelematik, DAB+-Sendernetzen, Multiplexern und Empfängern.
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