Radio Garden: Alle Arten kommen in den Garten
Kostenlos, registrierungsfrei und einfach cool: Wir reisen mit dem Tool Radio Garten durch die Radiosender der Welt.

In unserer Reihe Helferlein stellen wir kleine Entdeckungen vor: coole Werkzeuge, die das Leben ein bisschen leichter machen.
In Zeiten von Streamingdiensten wirkt Radio zwar aus der Zeit gefallen, umgibt uns aber auch heute noch ständig, auch wenn wir es oft kaum bemerken - im Auto, in den Öffis, am Arbeitsplatz oder einfach zu Hause in der Küche. Eine Stärke des alten Mediums liegt darin, dass es uns Musik präsentiert, die wir zuvor noch nicht gehört haben, abseits unserer Playlisten auf Spotify oder iTunes.
Neue Künstler oder ganze Musikrichtungen für sich neu zu entdecken, ist am einfachsten, wenn man sich aufs Geratewohl einen Radiosender herauspickt. Gerade diese Nichtkontrolle, das Ausgeliefertsein, das manchmal Unvorhersehbare machen für viele den Reiz des Mediums aus - und mit dem digitalen Streaming sind viele Sender der Welt nur einen Tap weit entfernt.
Wie so oft in der modernen Welt ist es auch hier das Überangebot, das manche verwirrt und frustriert zurücklässt. Man muss erst mal in der Lage sein, das, was man mögen könnte, aus dem gigantischen Heuhaufen der Möglichkeiten herauszupicken. Hierfür gibt es Helferlein, die mehr oder minder unabhängig Vorschläge unterbreiten, was man so hören könnte. Eines davon sticht aus der Masse heraus, weil es zum einen keine kommerziellen Interessen verfolgt und zum anderen sehr intuitiv an die Sendersuche herangeht: Radio Garden.
Indische Esoterik, estnischer Metal
Das Tool, das sehr gut in jedem modernen Browser funktioniert, das es aber auch als Android- bzw. iOS-App gibt, zeigt zunächst nichts anderes als einen interaktiven Globus , auf dem Zehntausende grüne Punkte unter einem runden Zielcursor hindurchrauschen, wenn man die Karte hin- und herschiebt oder in die Welt hineinzoomt. Nimmt man einen der grünen Punkte ins Visier, wird der Sender der betreffenden Stadt geladen und abgespielt. Gibt es an einem Ort mehrere Sender, erscheint der Punkt größer und man bekommt zusätzlich eine Senderliste angeboten.
Das ist so intuitiv, dass es augenblicklich den Entdeckergeist weckt und man in wenigen Minuten japanische, australische oder peruanische Radiosender anhört und entscheidet, ob sie auch auf die Favoritenliste kommen. Über die Suche findet man nicht nur die heimischen, vertrauten Sender (wenn sie denn einen Internetstream anbieten), sondern auch thematische Sender. Im Verzeichnis enthalten sind sogar einige US-Polizeistationen, die ihren Funkverkehr im Internet streamen.
Hervorgegangen ist Radio Garden aus einem wissenschaftlichen Projekt des Netherland Institute for Sound and Vision im niederländischen Hilversum, das zwischen 2013 und 2016 untersucht hat, wie Radio in anderen Teilen der Welt klingt und was Grenzen, unterschiedliche kulturelle Identitäten und Begegnung mit dem Medium machen.
An dem Projekt beziehungsweise an seiner technischen Umsetzung war maßgeblich der Brite Jonathan Puckey mit seinem Studio beteiligt. Entstanden ist daraus in einigen Iterationsstufen die Web-App radio.garden, die Puckey bis heute betreut. Anstelle von Landkarten verwendete das Team aus Amsterdam von Anfang an Satellitenbilder, um zu verdeutlichen, dass Funksignale schon immer die Kraft hatten, Grenzen zu überschreiten.
Radio Garden ist kostenlos und man braucht keine Registrierung, kein Log-in oder auch nur die Angabe einer E-Mail-Adresse. Nichts. Aufmachen, Sender wählen, Radio hören.
Leider gibt es auf der Welt aber auch ein paar Regionen, die die Webseite radio.garden oder die Apps nur eingeschränkt nutzen können. So gab es in den Antworten auf einen Mastodon-Post zum Thema einige Kommentare von Personen aus Großbritannien, die nicht einen Sender außerhalb ihrer Insel ansteuern konnten.
Dieses Problem scheint einen lizenztechnischen Hintergrund zu haben und somit eine Brexit-Auswirkung zu sein, aber offizielle Statements gibt es dazu leider nicht. Ähnlich in der Türkei, wo der Dienst laut Wikipedia eingestellt wurde, nachdem das dortige Radio and Television Supreme Council den Betreiber zu Lizenzzahlungen aufgefordert hat. Umgehen lassen sich diese Beschränkungen wohl nur über die Nutzung eines VPN in einem anderen Land.
Es macht einen unheimlichen Spaß, über den Globus zu streifen und zu versuchen, einer indonesischen Nachrichtensendung zu folgen, zu erraten, welche Produkte die Werbung eines griechischen Senders zu verkaufen sucht, sich von den sphärischen Klängen eines indischen Esoteriksenders in andere Welten entführen zu lassen oder das Haupthaar im Takt zu den harten Metalklängen eines estnischen Rocksenders mal richtig durchzuschütteln. Radio Garden ist ein sehr spannendes Projekt, wunderbar präsentiert.
Kristof Zerbe arbeitet seit über 25 Jahren in der IT in unterschiedlichsten Rollen wie Freelancer, Administrator, Datenbankentwickler, Coach, Web-Entwickler, Architekt, DevOps-Engineer, Analyst, Team-Lead sowie aktuell IT-Manager und Führungskraft. Seine technologischen Schwerpunkte sind Web und Microsoft.
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Hi Zim, das schöne an Radio Garden ist, dass es eben keine klassische App ist, sondern...
Ist leider auch nicht mehr als mittelmäßig kuratierte Spotify Playlists.
Kann ich mich nur anschließen. Habs direkt ein paar Musik Nerds empfohlen. Tolle Sache
Kenne und nutze radio.garden schon seit ein paar Jahren. Es ist auch die einzige...