Forschung und Verteidigung: zwei ganz unterschiedliche Perspektiven
Zwischen wissenschaftlichen Projekten und Behördenvorgängen liegen allerdings oftmals Welten, nicht zuletzt aufgrund der Zugriffsmöglichkeiten, die ausschließlich Staatsorgane haben. Das Live-Mithören einer VoIP-Telco, das Mitlesen eines Chats von Schmugglern in einem gerade stattfindenden Onlinespiel oder eine Funkzellenauswertung - das sind Analysemöglichkeiten, die Forschern kaum zur Verfügung stehen, meistens sogar nicht einmal als Beobachter innerhalb einer Behörde.
Deshalb müssen sie sich in solchen Fällen oftmals auf retrograde Alternativen wie die Analyse von Gerichts- unde freigegebenen Fallakten oder Interviews mit den Tätern konzentrieren, um festzustellen, welche Rolle das Internet bei der Radikalisierung gespielt hat. Dass es hier zu entsprechenden Informationsverlusten kommen kann, die auch die wissenschaftliche Analyse entsprechend beeinflussen, ist naheliegend.
Die Wissenschaft stößt allerdings nicht nur an rechtliche und methodische, sondern sehr oft auch an ethische Grenzen. Aus polizeilicher Sicht ist ein Lauschangriff nicht verwerflich, sondern notwendig und auch unumstritten, da parlamentarisch legitimiert und in Gesetzesform festgehalten. Auf wissenschaftlicher Ebene sieht das jedoch ganz anders aus. Wenn man beispielsweise in einem öffentlichen Chat eine Sollbruchstelle entdeckt, an der man intervenieren und die Diskussion ins Positive, also in eine demokratische Richtung, drehen könnte, beispielsweise auch, um beim polizeilichen Pendant zu bleiben, zwecks Verhinderung einer Straftat, stellt sich schnell die Frage: Ist solches Social Engineering überhaupt vertretbar?
Wissenschaftler diskutieren, Behörden schaffen Fakten
Doch während Wissenschaftler weltweit intensiv über eine Cyber(forschungs)ethik diskutieren und sich an der Vielfalt des Internet of Everything und seinen zahllosen Verwebungen abarbeiten, schaffen Behörden in manchen Ländern knallharte Fakten: In China arbeiten angeblich zwei Millionen Analysten am Public Opinion Policing, eine für europäische Verhältnisse ungeheure Einmischung in die Meinungsfreiheit.
In Europa wird hingegen die Stärkung der Zivilgesellschaft bevorzugt, auch im Bereich Social Media: Wissenschaftler und Praktiker, beispielsweise aus der Aussteigerhilfe, empfehlen häufig, sich die Netzwerke so zunutze machen, wie es die Extremisten tun. Aktiv werden sollen also die Bürgerinnen und Bürger. Die Wissenschaft soll diese inhaltlich unterstützen, und Behörden sollen nur als letzte Instanz tätig werden und auch nur mit Maßnahmen, die ihnen allein aufgrund der rechtlichen Lage zur Verfügung stehen, also in Form von Datenlöschungen (wie im bereits erwähnten Falle der Radikal) und Strafverfolgungen.
Wo beginnt die Meinungsfreiheit?
Denn wo Meinungsfreiheit anfängt und ab wann man eingreifen kann oder sogar muss, um Hass kein Forum zu bieten, ist eine hochgradig sensible und zugleich stark umstrittene Frage. Etliche Forscher diskutieren beispielsweise anhand der Repräsentation von Extremismus in den klassischen Medien, wo hier eventuell Grenzen zu ziehen sind.
In den deutschen Medien war dies in der jüngsten Vergangenheit an der Diskussion über die Präsentation des Enthauptungsvideos von James Foley zu beobachten. Darf man ein solches Video zeigen? Oder muss man hier bildtechnisch eingreifen? Reicht ein Kommentar anstelle des Videos, vielleicht zusammen mit einem Screenshot und Verpixelung des Opfers vor seiner Enthauptung? Oder hat dies alles ohnehin keinen Zweck, da jedermann das Video innerhalb weniger Minuten online finden kann, ungeschnitten und unkommentiert? Wo beginnt das legitime Interesse der Öffentlichkeit und ab wann fördert man nur die Propaganda der Extremisten?
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Professionalisierung der Netzpropaganda | Bisher war alles erfolglos |
Lesenswert dazu http://www.washingtonpost.com/opinions/why-do-we-ignore-the-civilians...
An Deinem Argument ist was dran :)
Oder einfach mit Flüchtlingen reden ... Ja, das ist echt und nein, in Echt ist es noch...
Ein etwas weitreicherenden Bericht hätte ich mir gewünscht. Wie schauts bsw. mit die von...